dbb magazin 7-8/2021

© Pexels.com GASTBEITRAG gastbeitrag < Der Autor Claus Weselsky ist Bundes­ vorsitzender der Gewerk­ schaft Deutscher Lokomo­ tivführer (GDL) und als stellvertretender Bundes­ vorsitzender in der Bundes­ leitung des dbb zuständig für die Bereiche Verkehrs­ politik, Infrastrukturpolitik sowie Technik und Umwelt. Deutsche Bahn Zeichen an der Wand Die Deutsche Bahn (DB) hat ihre Bilanz 2020 mit einemMinus von 5,7 Milliar­ den Euro nach Steuern abgeschlossen. Der Umsatz sank gegenüber dem Vor­ jahr ummehr als zehn Prozent auf 39,9 Milliarden Euro. Das sind die Fakten. Natürlich lieferte der Arbeit­ geber seine Interpretation des Sachverhalts gleich mit. Diesen, bei der Bilanzpresse­ konferenz imMärz 2021 ver­ kündeten „alternativen Fak­ ten“ zufolge, ist das Minus eine unausweichliche Folge der Corona-Pandemie. Es seien deutlich weniger Fahrgäste als vor der Pandemie mit der Bahn unterwegs gewesen, so die Schutzbehauptung der DB. < Vorstand trägt die Verantwortung Tatsächlich ist der größte Teil der Misere jedoch haus­ gemacht. Die wahre Ursache für die fehlenden Milliarden sind Leuchtturmprojekte in Deutschland wie Stuttgart 21, weltweite Einkaufstouren, mit denen sich der DB-Vorstand schon oft verzockt hat, wie zum Beispiel die milliarden­ schwere Übernahme des Bahn­ konzerns Arriva, sowie ein auf­ geblähter Verwaltungsapparat. Die Abenteuerspielplätze auf der ganzen Welt, versteckt un­ ter dem Oberbegriff Beteili­ gung/Sonstiges, erzeugen ei­ nen finanziellen Verlust von mehr als 1,5 Milliarden Euro. Für diese Misere trägt der Vor­ stand die Verantwortung – und auch der Bund, der sie mit Milliarden zu übertünchen ver­ sucht, statt den Wildwuchs zu beschneiden und eine klare Struktur mit dem Kernelement Schiene in Deutschland zu or­ ganisieren. < Selbstbereicherung der Führungskräfte Kritische Fragen, etwa nach der zehnprozentigen Erhöhung der Vorstandsgehälter trotz der Milliardenverluste des Kon­ zerns, werden aalglatt abgetan. Diese sollen nun „erst“ 2023 ausbezahlt werden – als ob es das besser machen würde. Die schamlose Selbstbereicherung der Führungskräfte im Zeichen der Krise ist und bleibt ein fal­ sches, ein fatales Signal. Auch die unbestreitbare Tatsache, dass die Erfolge der GDL bei den Tarifverhandlungen stets auf die EVG umgeklappt werden, bleibt seitens der DB-Führung unkommentiert. Stattdessen moniert DB-Personalvorstand Seiler, dass die GDL in den aktuellen Tarifverhandlungen 48 Forderungen mit einem 46-prozentigen Plus gestellt habe, und beruft sich im Übri­ gen auf die gesetzliche Ver­ pflichtung zur Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes (TEG). < Massiver Angriff auf die Existenz Die DB könne als gesetzes­ treuer Arbeitgeber gar nicht anders, als das Tarifeinheits­ gesetz anzuwenden, so die Les­ art des Konzerns. Das ist pure Heuchelei. Natürlich erkennt die GDL das TEG und seine faktischen Auswirkungen an. Doch so tendenziös, wie der Arbeitgeber die Tarifeinheit ge­ gen die GDL-Mitglieder richtet, ist deren Anwendung nicht rechtens. Die DB verhält sich nicht, wie sie selbst behauptet, gesetzeskonform, sondern missbraucht das TEG vorsätz­ lich als Waffe für einen massi­ ven Angriff auf die Existenz der GDL. Unter bewusster Falsch­ auslegung der TEG-Regelungen will sie die einzig kritische Ge­ werkschaft im Eisenbahnmarkt vernichten. Das mutwillige und sachfalsche Herunterrechnen der GDL-Betriebe im DB-Kon­ zern auf 16 gegenüber 55 EVG- geführten Betrieben ist hierbei nur die Spitze des Eisbergs. < Die GDL ist erst der Anfang Doch wer glaubt, es träfe nur die GDL, täuscht sich. Es gilt, die Zeichen an der Wand zu sehen. Was die DB hier durchexerziert, ist ein Testlauf. Die Schwächung der GDL, die Verunsicherung ihrer Mitglieder und die Beschä­ digung der Personen, die imNa­ men der GDL handeln – all das droht bei einem für den Arbeit­ geber erfolgreichen Verlauf auch anderen kleineren, spezia­ lisierten Gewerkschaften und Verbänden. Für den Erhalt kom­ fortabler Minus- und Nullrun­ den ist der DB – und manch anderem Arbeitgeber – jedes Mittel recht. < Zusammenhalt und Solidarität Aber die GDL lässt sich von alle­ dem nicht beeindrucken. Wir sorgen dafür, dass sich die Ent­ gelt- und Arbeitsbedingungen des direkten Personals maß­ geblich verbessern. Wir können auf die Solidarität und den Zu­ sammenhalt unserer Kollegen, unserer Schwestergewerk­ schaften und unseres Dachver­ bandes zählen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die DB nicht mit einer Gewerkschaft ver­ handeln will, die weiß, wie sie ihre Forderungen durchsetzt, dabei noch das Missmanage­ ment gnadenlos aufdeckt und auch noch sagt, wie es besser geht. Der Versuch, die GDL über das Tarifeinheitsgesetz zu eli­ minieren, ist entgegen den großspurigen Verlautbarungen des Arbeitgebers von vornher­ ein zum Scheitern verurteilt. Claus Weselsky 15 > dbb magazin | Juli/August 2021 dbb

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==