dbb magazin 10/2021
dbb forum personalvertretungsrecht Auch abseits dieser großen Zu kunftsthemen habe die letzte Reform längst nicht alle Pro bleme gelöst, machte Schäfer deutlich. „Um den veränderten Arbeitsmodellen gerecht zu werden, ist auch ein echtes di gitales Zugangsrecht der Ge werkschaften zu den Beschäf tigten weiterhin ganz oben auf unserer Agenda. Das sollte ei gentlich eine Selbstverständ lichkeit sein. Die auf Empfeh lung des Innenausschusses zuletzt bei der Reform aufge nommene Verpflichtung der Dienststelle, im Intranet einen Link auf den Internetauftritt der dort aktiven Gewerkschaf ten zu setzen, kann im 21. Jahr hundert wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“ Mayer lobt Krisenmanagement der Mitbestimmungsgremien Dank des großen Engagements der Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter des öffentlichen Diens tes habe Deutschland die Her ausforderungen der Corona- Pandemie bislang außerordent lich gut gemeistert, unterstrich Stephan Mayer, Parlamentari scher Staatssekretär im Bundes innenministerium in seinem Grußwort. Gemeinsam habe man es im vergangenen Jahr mit einem „Rettungspaket“ personalrechtlicher Über gangsregelungen geschafft, dass die Personalratswahlen auf Bundesebene, trotz der ersten heftigen Pandemie welle und Lockdown, sicher durchgeführt und mitbestim mungsfreie Räume vermieden werden konnten. Auch bei der zum 15. Juni dieses Jahres in Kraft getretenen Novelle des Bundespersonalvertretungs gesetzes, der ersten seit 1974, habe man konstruktiv zusam mengearbeitet und die Mitbe stimmung in vielen Punkten stärken können. „Freilich wur den nicht alle Wünsche seitens der Gewerkschaften erfüllt“, räumte Mayer ein, „aber ich betrachte die Novelle als Etap pe auf demWeg zum Ziel. Hammerschmid: Digitalisierung ist Personalarbeit Prof. Dr. Gerhard Hammer schmid, Professor of Public and Financial Management an der Hertie School in Berlin, arbeite te in seinem Beitrag heraus, dass die Digitalisierung in erster Linie Personalarbeit sei, und die digitale Transformation der öf fentlichen Verwaltung nur mit hilfe der Beschäftigten gelingen könne. Dabei komme der Mit bestimmung und deren Gremi en eine tragende und entschei dende Rolle zu. „Digitalisierung und Personalarbeit gehören als wesentliche Handlungsfelder des Transformationsprozesses zwingend zusammen“, betonte der Verwaltungswissenschaft ler. Die Fixierung auf abstrakte Zielgrößen wie etwa das On linezugangsgesetz, künstliche Intelligenz oder Blockchain- Modelle sei falsch – „so dauert Digitalisierung ewig“, warnte er. Entscheidend für das Voran kommen sei vielmehr die zügi ge Digitalisierung der internen Verwaltung, die Ausstattung mit aufgabengerechter Technik und ausreichend qualifiziertem Personal. Die Gründe, warum es in Deutschland mit der Digitali sierung der öffentlichen Ver waltung nur schleppend voran geht, liegen für Hammerschmid auf der Hand: „Zu viele Hypes, zu wenig Nutzerorientierung, auch den Beschäftigten gegen über und eine zu skeptische Behördenkultur auf Führungs ebene und mangelnde Res sourcen. Da hilft dann auch kein Innovationslabor“, warnte der Wissenschaftler und appel lierte, effektivere Verwaltungs strukturen mit mehr Projekt management und agilen, kollaborativen Arbeitsformen und -modellen zu etablieren. Mit Betriebs- und Personalrä ten als Motor könnte die digi tale Transformation der öffent lichen Verwaltung endlich in Gang kommen und sogar über die Grenzen Deutschlands hin aus als Best Practice „expor tiert“ werden. Paulin: Künstliche Intelligenz beurteilen und mitgestalten In die Welt der künstlichen Intelligenz (KI) entführte Prof. Dr. Alois Paulin von der Fakultät für Digitale Innovati on und Transformation in der öffentlichen Verwaltung der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg das Auditorium. Ausgehend von Beispielen der Spracherkennung und der Filterung von Spam-Mails charakterisierte der Compu terwissenschaftler, dass KI vereinfacht ausgedrückt dar auf basiert, Wahrscheinlich keiten zu „erraten“, um daraus Kategorisierungen abzuleiten. Konkret kommen solche Ver fahren zum Beispiel auch bei der maschinellen Vorauswahl von Bewerbungen auf freie Stellen in der Arbeitswelt zur Anwendung. Bezüglich der Frage, ob Compu ter „sehen“ können, erläuterte Paulin anhand der Google-Bil dersuche, wie KI und Algorith men unseren Alltag bereits durchdrungen haben und wie sie „völlig langweilige Aufga ben in höchster Präzision erle digen, ohne zu meckern“. Wei ter stellte er heraus, dass KI ein sehr mächtiges Werkzeug sein kann, denn „aus denselben Me chanismen, auf denen die Su che von Katzenbildern bei Goo gle basiert, können Sie auch ein selbstfahrendes Auto bauen“. Letztlich könne KI in der Perso nalverwaltung zum Beispiel auch dafür eingesetzt werden, Menschen zu überwachen oder zu disziplinieren. In Ländern wie China funktioniere das un ter anderem über die Etablie rung einer Kultur der Angst. Hier liege auch die Macht der Personalvertretungen, die dazu beitragen könnten, die Einfüh rung digitaler Technologien zu entmystifizieren. Kohte: Keine Digitalisierung ohne Mitbestimmung Prof. Dr. Wolfhard Kohte, For schungsdirektor des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH), untersuchte in seinem Fachvor trag, auf welche Weise Digita lisierungsprojekte durch Mit bestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz begleitet < Stephan Mayer < Alois Paulin < Gerhard Hammerschmid 13 dbb > dbb magazin | Oktober 2021
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==