dbb magazin 10/2021

dialog schen mit Behinderung am Arbeitsleben, etwa wenn man entfallende Arbeitswege oder nicht barrierefreie Räumlich- keiten bedenkt, die es auch im öfentlichen Dienst noch reich- lich gibt. Andererseits birgt digitales Arbeiten aber auch die Gefahr, dass man Gehan­ dicapte quasi in der Isolation verschwinden lässt und sagt: ‚Mensch, spar dir doch den Weg und arbeite nur noch von zu Hause.‘ Das wäre schlimm, denn der persönliche Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen ist ja ein ganz wichtiger Aspekt von Teilhabe“, so Mende. Marcel Oehm, Vorsitzender der dbb jugend berlin und Mit- arbeiter des Bundeskanzler- amts, berichtet, dass auch die Bundesverwaltung sehr von der Pandemie profitiert habe, was digitale Neuerungen an­ gehe, sowohl von der Ausstat- tung her als auch in Sachen mobiles Arbeiten, was bereits in einen Tarifvertrag und eine entsprechende Dienstvereinba- rung gemündet sei. Auch Per- sonalaufwüchse seien zu ver- zeichnen, aber Oehm bestätigt, dass diese vorwiegend in öf- fentlichkeitswirksamen Berei- chen vollzogen würden, die klassischen Serviceeinheiten davon jedoch eher selten profi- tierten. „Hinzu kommt, dass wir auf viele Stellenausschrei- bungen gar keine passenden Bewerberinnen oder Bewerber finden können – Personal ist und bleibt eine sehr große Her- ausforderung für den öfentli- chen Dienst“, machte Oehm deutlich. Isabell Markus, Vorsitzende komba jugend nrw und tätig bei der Stadtverwaltung Rem- scheid, schildert an einem Bei- spiel, dass die Digitalisierung im öfentlichen Sektor noch nicht überall angekommen sei. So habe sich das Land Nord- rhein-Westfalen dagegen entschieden, den 2022 anste- henden Zensus mit Tablets durchzuführen. Deswegen sei die Stadt Remscheid derzeit auf der Suche nach Lagerkapa- zitäten für 1,5 Tonnen Zensus- Papierunterlagen … Viel mehr bewegt Markus unterdessen der massive Fachkräftemangel im öfentlichen Dienst: „Wir erleben es leider immer wieder und öfter, dass junge Men- schen, die eine Ausbildung bei uns beginnen, ganz schnell wieder das Weite suchen, wenn sie sehen, wie altertümlich wir arbeiten. Hinzu kommt Kon- kurrenz zwischen den verschie- denen Gebietskörperschaften, die sich mit attraktiven Ange- boten wie Ausstattung oder Verbeamtung gegenseitig die Leute abjagen“, erläuterte Mar- kus. Die komba jugend-Chefin wies auch darauf hin, dass der öfentliche Dienst nicht nur die Binnensicht, sondern auch sei- ne Außendarstellung mit Blick auf Nachwuchs im Auge behal- ten müsse: „Wenn man schon als Bürgerin oder Bürger im Kontakt mit der Verwaltung absolut abgeschreckt wird – wer kommt denn da noch auf den Gedanken, da möglicher- weise eine Ausbildung anfan- gen oder arbeiten zu wollen?“ Deswegen sei die Digitalisie- rung der Verwaltung für den internen Workflow ebenso notwendig wie für die Außen- wahrnehmung des öfentli- chen Dienstes als Arbeitgeber, betonte Markus. Florian Klink arbeitet bei der Stadt Hamm in Westfalen im Controlling des Jugendamtes und ist Vorsitzender der AG Di- versity der dbb jugend. Zudem engagiert er sich in der komba jugend. Ihm fehlen vor allem einheitliche Lösungen, was die technische Ausstattung der Verwaltung und Fortbildungs- konzepte betrift. „Selbst in- nerhalb von Nordrhein-West- falen sind die Vorgaben nicht überall gleich“, kritisiert er. „So stellen zum Beispiel einige Arbeitgeber beziehungsweise Ausbildungsstätten ihren Azu- bis Laptops zur Verfügung, andere dagegen nicht.“ Das schafe ungleiche Vorausset- zungen, denn man könne nicht davon ausgehen, dass jede und jeder privat einen teuren Rech- ner zur Verfügung habe. Ein weiteres Problemfeld der Ver- waltungsdigitalisierung sei der Bereich Gesundheit und psy- chische Gesundheit. Mobiles Arbeiten bringe Umbrüche für die Personalratsarbeit und das Gesundheitsmanagement mit sich. „Hier werden gerade viele neue Probleme wie Entgren- zung der Arbeit geschafen, die nicht die Oberhand gewinnen dürfen“, so Klink. Das findet auch Max Heiz- mann, der als Inspektoranwär- ter im dritten Semester beim Regierungspräsidium Darm- stadt studiert und in der dbb jugend hessen aktiv ist. „Digi- talisierung der Verwaltung kann funktionieren, wenn die Technik auf der Höhe der Zeit ist und die Online-Anbindung stimmt“, sagt Heizmann. „Wenn wir in der Praxis aber mit Benutzeroberflächen ar- beiten, die unter Windows XP laufen und seit zehn Jahren veraltet sind, dann ist das kei- ne willkommene Entschleuni- gung der Arbeit, sondern ein- fach nur ärgerlich.“ Denis Börner studiert an der Hochschule des Bundes im fünften Semester Allgemeine Innere Verwaltung und kennt die technischen Unzulänglich- keiten nur zu gut. „Wir kämp- fen zum Beispiel schon ewig für WLAN in der Lobby der Hoch- schule und in den Wohnhei- men. Weiter mussten wir den Senat der Hochschule lange zu dem Beschluss drängen, den Studierenden Office-Pakete zur Verfügung zu stellen.“ Börners Fazit: „Wenn einfachstes Hand- werkszeug wie die Jura-Soft- ware ,Beck-Online‘ plötzlich eingespart werden soll und Whiteboards nicht funktio­ nieren, klingen die blumigen Ankündigungen so mancher Staatssekretäre in Sachen Digi- talisierung schon ein bisschen komisch.“ br/cri/iba 29

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