dbb magazin 11/2021

Bildung und Ausbildung erhal­ ten und sollen auf dem gesam­ ten Kontinent ohne Hindernisse studieren und lernen können. Der Europäische Bildungsraum, wie ihn die EU-Kommission vor­ schlägt, ist ein Zusammenfüh­ ren aller Initiativen, die es im Bildungsbereich auf EU-Ebene gibt. Das beinhaltet Initiativen, die mittlerweile einen hohen Bekanntheitsgrad haben, wie die Europäischen Hochschulen im Rahmen von Erasmus+ oder die Zentren der Beruflichen Exzellenz. Neu hinzu kommen nun auch noch die Erasmus Teacher Academies (Lehrkräfte­ akademien). Das inkludiert Awards wie den Europäischen Preis für innovativen Unter­ richt, bei dem heuer drei österreichische Schulen aus­ gezeichnet werden sollen. Ein weiterer Schwerpunkt wird in den kommenden Jahren auf die Themen grüner und digita­ ler Wandel gelegt. Der größte Mehrwert in der EU-Bildungszusammenarbeit erfolgt aus meiner Sicht durch den Austausch von good prac­ tice und durch Mobilität und Sprachenlernen im Rahmen von Erasmus+. Ein wichtiges österreichisches Anliegen ist es aber auch, die Anerkennung von Abschlüssen von berufsbil­ denden höheren Schulen zu stärken. Die Idee, bis 2025 einen vollen­ deten Bildungsraum zu errei­ chen, ist reichlich ambitioniert; es wird auch darüber hinaus wohl noch weitergearbeitet werden müssen. Brauchen wir in Europa gemeinsame Standards, um die Qualität der Bildung zu sichern? Das glaube ich persönlich nicht. Bildungspolitik ist laut den EU-Verträgen ganz klar in nationaler Hand. Das Subsidia­ ritätsprinzip besagt ja, dass die EU nur in jenen Bereichen tätig wird, in denen sie ein Problem wirksamer lösen kann. Daher haben wir imWesentlichen nur eine EU-Verordnung: jene, die Erasmus+ regelt. Wichtig sind aber natürlich ge­ wisse Qualitätskriterien, wenn unsere Bildungsinstitutionen mit anderen europäischen Ein­ richtungen kooperieren oder Schülerinnen und Studierende in anderen Mitgliedstaaten ler­ nen. (Beispiel Bologna: Bereits seit 2015 gibt es Standards und Leitlinien für die Qualitäts­ sicherung.) Wie soll die Mobilität von Lernenden und Lehrenden in Europa – jenseits der Pande­ miebeschränkungen – weiter verbessert werden? Durch die neue Erasmus+-­ Programmperiode können wir in den kommenden Jahren deutlich mehr jungen Men­ schen und Lehrenden einen Auslandsaufenthalt ermög­ lichen als in früheren Pro­ grammperioden. Das liegt primär an den finanziellen Rahmenbedingungen: Im Vergleich zur Vorgängerpro­ grammperiode wurde das Erasmus+-Budget mit 26,2 Mil­ liarden Euro beinahe verdop­ pelt, insgesamt sollen mithilfe dieser Mittel bis zu zehn Mil­ lionen Europäer direkt vom Programm profitieren können. Zu den Profiteuren zählen auch Lehrlinge. Ziel einer gemeinsa­ men Initiative mit dem BMDW, der Wirtschaftskammer (WKO) und dem Österreichischen Austauschdienst (OeAD) ist es, Lehrlingsmobilität zu erhöhen. Betriebe, Ausbildende, Berufs­ schulen, Lehrlinge und Eltern sollen so künftig besser über die Unterstützungs- und För­ dermöglichkeiten informiert und untereinander vernetzt werden. Wie sieht die österreichische Bundesregierung Europas Zu­ kunft und was erwarten Sie von der Konferenz zur Zukunft Europas? Die Corona-Pandemie hat uns eindrucksvoll gezeigt, wo die Stärken und Schwächen der Europäischen Union liegen. Sie hat uns aber auch gezeigt, was es bedeutet, wenn plötz­ lich von einem Tag auf den nächsten Grenzen geschlossen sind oder der freie Handel ein­ geschränkt wird. Wir haben uns schon so sehr an die Vor­ teile der Europäischen Union gewöhnt, dass wir sie oft ver­ gessen. Dennoch erwarten sich die Bürgerinnen und Bürger Europas zu Recht oft mehr von der EU. Die Zukunft Europas liegt aus meiner Sicht darin, sich wieder um die großen Fra­ gen der Zukunft zu kümmern, wobei ich hier vor allem die Di­ gitalisierung, den Klimawandel und die Migration anführen würde. Wichtig ist aber auch, die Bür­ gerinnen und Bürger künftig wieder stärker in europäische Prozesse einzubinden. Hier kommt die Konferenz zur Zu­ kunft Europas ins Spiel. Viele Menschen haben das Gefühl, die Europäische Union sei in Brüssel oder Straßburg. In Wahrheit muss die Europäische Union aber genau dort sein, wo die Menschen Sorgen, Wünsche und Probleme haben. Genau hier soll nun auch die Konferenz zur Zukunft Europas ansetzen: Sie ist als ergebnis­ offener und basisdemokrati­ scher Prozess konzipiert – die Bürgerinnen und Bürger sind jetzt am Zug oder imWort. Insofern habe ich hier durch­ aus hohe Erwartungen an die Konferenz zur Zukunft Europas. < Webtipp Das Interview ist zuerst online in den dbb europa­ themen erschienen: https://bit.ly/3BkEbB1 < Zur Person Prof. Dr. Heinz Faßmann ist parteilos und seit Anfang 2018 in verschiedenen ös­ terreichischen Bundesregie­ rungen Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Seit dem Jahr 2000 unterhält er einen Lehrstuhl für angewandte Geografie, Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien, wo er 2011 bis 2017 auch als Vizerektor tätig war. europa Model Foto: Colourbox.de 33 dbb

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