dbb magazin 12/2021

Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach betont in diesem Zu­ sammenhang: „Die Eurostat-Zah­ len stimmen uns bedenklich. Und die COVID-19-Pandemie hat die Lage bedauerlicherweise noch verschlimmert. Unter anderem mussten Teilzeitbeschäftigte im Zuge der Pandemie große Ein­ kommensverluste oder sogar den Verlust ihrer Arbeitsplätze hinnehmen. Es darf nicht sein, dass die Bewältigung der Krise auf Kosten derjenigen geht, die beispielsweise aufgrund von Kurz­ arbeit besonders unter den wirt­ schaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden muss­ ten.“ Um einen auskömmlichen Lebensunterhalt zu sichern und Altersarmut vorzubeugen, habe sich der dbb bereits seit längerer Zeit für eine deutliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns eingesetzt. 22,5 Prozent der Kinder in Europa erleben Armut und soziale Ausgrenzung Besonders besorgniserregend ist, dass laut Eurostat auch 22,5 Prozent und somit 18 Millionen der Kinder in Europa im Jahr 2019 von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen wa­ ren. Auch hier hat die Pandemie die Situation noch deutlich verschlechtert. Bei der Verbreitung von Kinderarmut zeichnet sich in der EU ein sehr unterschiedliches Bild ab, mit den höchsten Werten in Bulga­ rien und Rumänien, wo eines von drei Kindern in Armut lebt und den niedrigsten Werte in Slowenien, den Niederlanden und Finn­ land, wo eines von zehn Kindern in Armut lebt. Etwa 60 Prozent der Roma-Kinder leben in schwerer materieller Deprivation und 80 Prozent sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Im Vergleich zu ihren wohlhabenderen Altersgenossen haben Kinder, die in Armut aufwachsen, ein höheres Risiko, schlechte schulische Leistungen zu erbringen, Schwierigkeiten, einen an­ gemessenen Arbeitsplatz zu finden und leiden als Erwachsene unter schlechter Gesundheit. Dadurch entsteht oft ein Kreis­ lauf der Benachteiligung über Generationen hinweg. Die Kommission forderte in die­ sem Zusammenhang die EU-Re­ gierungen auf, die strukturellen Probleme der Kinderarmut und sozialen Ausgrenzung anzuge­ hen. Außerdem fordert die Kom­ mission bereits seit längerer Zeit die Einführung einer „Europäi­ schen Garantie für Kinder“ (Child Guarantee). Diese soll bewirken, dass jedes armutsgefährdete Kind kostenlose Bildung, Kinder­ betreuung und eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversor­ gung erhält, täglich eine gesunde Schulmahlzeit bekommt und an schulischen Aktivitäten, einschließlich Sport, teilnehmen kann – alles auf einer kostenlosen Basis. Außerdem soll jedem Kind ein angemessener Wohnraum zur Verfügung stehen. Mit der Europäischen Garantie für Kinder soll ein wichtiger Bau­ stein der Europäischen Säule sozialer Rechte in die Tat umgesetzt werden. Er zielt darauf ab, bis 2030 mindestens fünf Millionen Kinder aus der Armut zu befreien. Die Mitgliedsländer sind aufge­ fordert, die Garantie zu unterzeichnen und Aktionspläne zu erstel­ len, wie sie diese bestmöglich und zielführend umsetzen werden. Oberste Priorität sollte sein, bessere Strategien zu definieren, um zu verhindern, dass mehr Kinder, insbesondere solche, die in Ein-Eltern-Familien leben, in die Armutsfalle geraten. In diesem Zusammenhang wird oft die Forderung laut, dass die Unterstüt­ zung für solche Familien über das universelle Kindergeld- und Stipendiensystem hinausgehen sollte. Die Umverteilung von Leistungen und die Unterstützung von Eltern bei der Suche nach einer stabilen Vollzeitbeschäftigung kann der Schlüssel zur Lösung dieses Problems sein. Wenn alle Eltern aus armen Familien einer bezahlten Arbeit nachgingen, könnte die Armutsquote für Einzelpersonen in Haushalten mit Kindern sinken. en Mit einer „Europäischen Garantie für Kinder“ soll ein wichtiger Baustein der Europäischen Säule sozialer Rechte in die Tat umge- setzt werden. Er zielt darauf ab, bis 2030 mindestens fünf Millio- nen Kinder aus der Armut zu befreien. Die Mitgliedsländer sind aufgefordert, die Garantie zu unterzeichnen und Aktionspläne zu erstellen. Erholung, Kraft, Zugehörigkeit Am 1. Januar 2022 wird Frankreich den rotierenden Vorsitz im Rat der Europäischen Union für ein halbes Jahr übernehmen. Nach der portugiesischen und der slowenischen Präsident­ schaft im Jahr 2021 wird Frankreich nun ein Präsident­ schaftsduo mit der Tschechischen Republik, welche die Präsi­ dentschaft in der zweiten Jahreshälfte innehat, bilden. Für Frankreich, ein Gründungsmitglied der Europäischen Union, ist es die 13. Ratspräsidentschaft, aber die erste seit Inkrafttreten des Ver­ trags von Lissabon am 1. Dezember 2009. Unter demMotto „Erholung, Kraft, Zugehörigkeit“ (französisch: relance, puissance, appartenance) wird sich die französische Präsidentschaft besonders auf zwei Aspekte fokussie­ ren: zum einen auf die gesetzgeberischen Arbeiten, die im Einklang mit den politischen Zielen Frankreichs im Jahr 2022 abgeschlossen werden sollen, beispielsweise in Bezug auf die Regulierung des digitalen Sektors und die klimatischen und sozialen Vorhaben, und zum anderen auf die Projekte, die im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas, deren Arbeiten in der ersten Jahreshälfte 2022 abgeschlossen werden, in Angriff genommen werden. Neben ihrer politischen hat die Präsidentschaft auch eine institutionelle Verantwortung. Zum einen gegenüber den an­ deren Mitgliedstaaten, da gegenüber diesen Positionen des Ra­ tes vertreten und Interessen verteidigt werden müssen, und zum anderen gegenüber den weiteren wichtigen Akteuren der Europäischen Union, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, mit denen die amtierende Präsidentschaft in ständigem Kontakt steht, insbesondere für ihre legislative Arbeit. ■ Französische Ratspräsidentschaft 2022 Foto: Marian Vejcik/Colourbox.de (modifiziert) dbb magazin | Dezember 2021 INTERN 31

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