Arbeits- und Tarifrecht Befristungen – tut sich was? So steht’s imKoalitionsvertrag: „Damit der öffentliche Dienst als Arbeitgeber mit gutemBeispiel vorangeht, schaffen wir die nur dort bestehende Möglichkeit der Haushaltsbefristung ab. BeimBund als Arbeitgeber reduzieren wir die sachgrundlose Befristung Schritt für Schritt. UmKettenbefristungen zu vermeiden, begrenzen wir mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge beim selben Arbeitgeber auf sechs Jahre. Nur in eng begrenzten Ausnahmen ist ein Überschreiten dieser Höchstdauer möglich.“ Aber jetzt mal langsam: Was sind die aktuellen Rahmenbedingungen? Um diese zu verstehen, sollte man sich zunächst eine bittere Selbstverständlichkeit bewusst machen: Befristete Arbeitsverhältnisse enden durch bloßen Fristablauf beziehungsweise durch Zweckerreichung, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen ist der Arbeitnehmer dagegen schon nach sechs Monaten durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geschützt, wonach der Arbeitgeber einen (personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten) Grund braucht, wenn er ein Arbeitsverhältnis beenden möchte. Weil Befristungen somit tendenziell nichts anderes als eine Umgehung des KSchG darstellen, verlangt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) für ihre Wirksamkeit – jedenfalls als Regeltypus – einen sachlichen Grund. Daneben wird eingeschränkt aber auch die Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zugelassen. Befristungen mit sachlichem Grund Für diese Befristungsalternative gibt es bislang keine feste starre zeitliche Grenze. Bei mehreren nacheinander abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträgen prüft die Rechtsprechung immer den im letzten Vertrag genannten Sachgrund. Nur auf dessen Vorliegen kommt es an. Denn schließen die Vertragsparteien nach Auslaufen einer Befristung einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag ab, vereinbaren sie damit in der Regel konkludent, dass sich ihre Rechtsbeziehung nur noch nach diesem neuen Vertrag richten soll. Allenfalls können die Gesamtdauer und die Häufigkeit bei Kettenbefristungen ein Indiz dafür sein, dass der im letzten Arbeitsvertrag angegebene Sachgrund in Wirklichkeit nicht vorliegt und vom Arbeitgeber nur vorgeschoben wird, um das KSchG zu umgehen und sich im Zweifel nicht an dessen Restriktionen halten zu müssen. Neuerdings prüft die Rechtsprechung zusätzlich, ob ein „institutioneller Rechtsmissbrauch“ des Instituts der Befristung vorliegt, der sich aus der langen Gesamtdauer, der Anzahl hintereinandergeschalteter Arbeitsverträge sowie sonstigen Aspekten (zum Beispiel dem Fehlen von Unterbrechung oder immer gleiche Sachgründe) ergeben kann. Dann ist es dem Arbeitgeber nach § 242 BGB (Treu und Glauben) verwehrt, sich auf den eigentlich vorliegenden, dem letzten Vertrag zugrunde gelegten Sachgrund zu berufen. § 14 Abs. 1 TzBfG zählt beispielhaft sachliche Gründe auf, insbesondere den vorübergehenden Bedarf (Nr. 1), die Vertretung (Nr. 3) und die Erprobung (Nr. 5). Ein Sachgrund, der die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes schlechterstellt, die „Haushaltsbefristungen“ nach Nr. 7 („Haushalte“ in diesem Sinne gibt es nur im öffentlichen Dienst) soll jetzt also abgeschafft werden – gut so! Eine klitzekleine Beschränkung der Befristungen mit Sachgrund gibt es übrigens für die „Angestellten“ im Tarifgebiet West nach § 30 TVöD/TV-L schon jetzt: Der einzelne Vertrag darf über maximal fünf Jahre abgeschlossen werden. Wenn jetzt noch im Regelfall (siehe oben) die mit Sachgrund befristeten Arbeitsverträge beim selben Arbeitgeber auf sechs Jahre begrenzt werden sollen, ist auch dies positiv. Befristungen ohne sachlichen Grund Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsverhältnisses auch ohne sachlichen Grund bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren ist eine bis zu dreimalige Verlängerung möglich. Es können also zum Beispiel vier Halbjahresverträge hintereinandergeschaltet werden. Dazu scheinbar widersprüchlich verbietet § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine Befristung ohne sachlichen Grund, wenn zu demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (sogenanntes Anschlussverbot). Der vermeintliche Widerspruch kann aufgelöst werden, indemman § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG als Ausnahme zur Regel des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG betrachtet. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber also keinen befristeten Arbeitsvertrag mit einem Arbeitnehmer abschließen, der schon einmal bei ihm beschäftigt war – zulässig ist dagegen eine bloße (bis zu dreimalige) Verlängerung innerhalb der ersten zwei Jahre. Wenn jetzt beim Arbeitgeber Bund die sachgrundlosen © MQ-Illustrations/adobe.stock.com 38 SERVICE ??? dbb magazin | Januar/Februar 2022 DBB AKADEMIE
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