dbb magazin 3/2022

wicklung war in keiner der bundesweiten Prognosen enthalten“, heißt es in der Pressemitteilung. Die Bezirke müssten sich auf die Reaktivierung weiterer stillgelegter Unterkünfte einstellen, sagte LAF-Präsident Alexander Straßmeir. Anfang Februar zogen die ersten Geflüchteten wieder in die seit Mitte 2019 leerstehenden Container auf dem Tempelhofer Feld. Derzeit melden sich am Tag durchschnittlich 50 bis 100 Menschen am Ankunftszentrum, weiß Alexander Djacenko. „Wir sind viel besser aufgestellt als 2015, aber wir müssen ehrlich sein: Wenn wieder 9 000 Menschen imMonat ankommen, halten das unsere Strukturen nicht aus. Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Wir können eine Verdopplung der Zahlen auffangen, also wenn statt 50 mal 100 am Tag kommen oder 140 statt 70, das kriegen wir hin. Zur Not können wir Studierende anstellen und schnell auf Hilfstätigkeiten anlernen.“ Straßmeir sieht sein Amt krisensicher aufgestellt: „Wir haben im LAF verlässliche Strukturen und Prozesse aufgebaut sowie gutes Personal an Bord geholt, um die Herausforderungen im Flüchtlingsmanagement zu meistern“, sagt er. „Selbst bei noch höheren Zugangszahlen oder Ereignissen wie der Pandemie vertraue ich auf unsere agil handelnden Führungskräfte und Mitarbeitenden, die in den letzten Jahren ihren Einsatzwillen und ihre Flexibilität mehrfach unter Beweis gestellt haben.“ Von Oktober bis November waren es 80 bis 120 Geflüchtete am Tag, derzeit sind es ein paar weniger, aber das Niveau ist noch immer hoch. „Ein Land wie Deutschland muss in der Lage sein, den Menschen zu helfen“, sagt Schulz-Töpken. Dazu gehört, dass man den Menschen einen gewissen Standard an Unterbringung bieten kann, auf keinen Fall Turnhallen. Er wünsche sich von der Politik, dass auch andere Länder in die Verantwortung genommen werden. „Damit wir das, was wir jetzt anbieten auch aufrechterhalten können, tun wir sehr viel. Wir haben bisher 25 MUF-Standorte von 44 geplanten gebaut.“ Mit manchen Bezirken gebe es noch immer Auseinandersetzungen: „Die finden es zwar ganz toll zu helfen, aber eben nicht vor ihrer Haustür.“ ImWinter kommen erfahrungsgemäß mehr Menschen an, was für die Beschäftigten mehr Arbeit bedeutet. Container, die eigentlich dauerhaft dichtgemacht werden sollten, müssen wieder reaktiviert werden. Die Auslastung sei derzeit schon sehr hoch. „Wir müssen mehr Plätze vorhalten“, sagt Schulz-Töpken. „Sie haben eine Unterkunft gerade leergezogen, die Menschen müssen ausgezogen sein, die Möbel müssen raus, am Rückbau hängen Aufträge an externe Firmen, und dann wird die Rolle rückwärts gemacht und wir fangen wieder an, die Menschen dort unterzubringen. Das ist auch für die Kolleginnen und Kollegen anstrengend.“ Wenn man das mehrfach in seinem Leben gemacht habe, wünsche man sich „strukturiertere Prozesse“, sagt er, „aber da ist die Politik verantwortlich.“ Der Stress der Beschäftigten „Nach dem Krieg in Jugoslawien Anfang der 1990er-Jahre, waren die Flüchtlingszahlen nie wieder so hoch“, sagt Schulz-Töpken. „Es wird sofort gefragt: Wozu haben die denn so viele Stellen?“ Das Ergebnis: Personalabbau. Und als die Zahl der Geflüchteten ab 2013 wieder ansteigt, fehlen genau diese Stellen. Das hat sich grundlegend geändert. Im Sommer 2015 waren im LAGeSo rund 140 Stellen für die Betreuung von Flüchtlingen vorgesehen, davon waren nicht alle besetzt. Heute arbeiten am LAF 565 Beschäftigte nur für diesen Bereich. Bei der Gründung der LAF konnten etliche Stellen zunächst nicht besetzt werden, weil es das Personal nicht gab. Den Grundstock bildeten die LAGeSo-Beschäftigten, und dann wurde mit Freiwilligen aus anderen Bereichen aufgefüllt. Es gibt viele Beschäftigte, auch junge Führungskräfte wie Alexander Djacenko, die sich explizit dafür entschieden haben, in dem Bereich zu arbeiten. Das macht sich bemerkbar. Beim Berliner Verwaltungspreis wurde das LAF in der Kategorie Personalmanagement gleich zwei Mal ausgezeichnet: Platz 2 für die Transformation einer Sozialbehörde in eine agile kundenzentrierte Organisation. Sowie Platz 3 für die interne Einführung von Diversity als Arbeitgeberwert. Und wie sind die Arbeitsbedingungen am LAF? Man müsste zum Vergleich in eine andere Verwaltung gehen, sagen Ronald SchulzTöpken und Alla Tschernow. Die Kolleginnen und Kollegen duzen sich untereinander, Hierarchien werden nicht so streng gehandhabt wie in anderen Behörden. Das Ziel der Arbeit, Geflüchtete gut unterzubringen, steht über allem anderen. „Es war für mich früher undenkbar, dass ich morgens entscheide, wie mein Arbeitstag aussehen soll“, sagt Tschernow. „Ich hatte auch noch nie eine Stelle in der Verwaltung, in der ich unmittelbar die Auswirkungen meines Handelns gesehen habe.“ Sie können ihren Arbeitstag selber bestimmen. „Wenn jemand krank ist, können wir oft die Arbeit einfach übernehmen, das Verhältnis untereinander ist sehr kollegial.“ Doch Flexibilität und Abwechslung sind gleichzeitig die Kehrseite der Medaille. „Irgendetwas Unvorhergesehenes passiert immer, ich weiß nie, was der Tag bringt, wenn ich morgens zur Arbeit komme“, so Tschernow weiter. Das mache die Planung schwierig und sei an manchen Tagen sehr stressig. Ronald Schulz-Töpken ist Mitglied der dbb Mitgliedsorganisation gewerkschaft kommunaler landesdienst (gkl). Zuerst war er in der Deutschen Polizeigewerkschaft und ist mit demWechsel vom Verwaltungsdienst der Polizei ans LAF in die gkl eingetreten. „Ich bin ein politisch denkender Mensch und ich will dort, wo ich arbeite, gute Arbeitsbedingungen haben. Deshalb sind Gewerkschaften für mich wichtig.“ Text: Jörg Meyer Fotos: Jan Brenner Die Hoffnungen und Wünsche von Kindern für ihr Leben in einem anderen Land drücken sich in Bildern aus. „Die erste Begrüßung legt den Grundstein für den weiteren Integrationsprozess.“ Alexander Straßmeir 24 FOKUS dbb magazin | März 2022

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