dbb magazin 4/2022

Die dbb frauen fordern deshalb von der Politik eine gleichstellungsorientierte Zeitpolitik, die eine faire Verteilung von Erwerbs- und Sorgelasten zum Ziel hat. „Nur wenn wir Erziehung und Pflege auch als Teil unserer wirtschaftlichen Produktivität anerkennen und die Zeiten, die vor allem Frauen dafür aufwenden, in die volkswirtschaftliche Rechnung aufnehmen, erhalten wir ein realistisches Bild, welchen Beitrag die Menschen in unserem Land tatsächlich zur Wirtschaft und deren Wachstum beitragen. Ohne die Zeit, die aktuell vor allem Frauen und Mütter für die Familienorganisation aufwenden, wäre eine 40-Stunden-Woche gar nicht machbar. Für die meisten Frauen, insbesondere für Alleinerziehende, ist sie das auch nicht. Unsere aktuelle Arbeitszeitpolitik besteht keinen Gleichstellungscheck. Für eine gleichberechtigte Gesellschaft brauchen wir in allen Branchen, und hier habe ich vor allem auch die operativen Bereiche der öffentlichen Verwaltung im Fokus, vielfältigere Arbeitszeitkonzepte, die es Männern und Frauen gleichermaßen ermöglichen, für die Familie zu sorgen – finanziell, aber eben auch persönlich und ganz privat.“ Lagebericht des dbb Bundesvorsitzenden: weg von der Schuldenbremse Auch der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach nahm in seinem Lagebericht Bezug auf den Ukraine-Krieg. Er zeigte sich nicht nur wegen der dramatischen Situation der zahlreichen Kriegsflüchtlinge besorgt, sondern auch wegen der zusätzlichen Belastungen, die auf die Betreuenden zukämen: „Vor wenigen Tagen habe ich bei der Vorbereitung der zweiten Runde der Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst mit jungen Beschäftigten aus der sozialen Arbeit sprechen können. Mehrheitlich jungen Frauen, die schon durch ihre derzeitigen Aufgaben kurz vor dem Burnout stehen. Ich wage nicht, mir vorzustellen, was passiert, wenn die sich zusätzlich noch um zum Teil schwer traumatisierte ukrainische Mütter und ihre Kinder kümmern müssen.“ Vor diesem Hintergrund wirke das von der Bundesregierung beschlossene 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr deplatziert. „Die Bundeswehr wurde kaputtgespart, aber der öffentliche Dienst wurde genauso kaputtgespart. Wo sind die Botschaften der Politik für den öffentlichen Dienst? Ich kann keine Ideen erkennen, die in die Zukunft weisen. Deshalb müssen wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aufhören, den Begleittross zu spielen, und aktiv darauf hinweisen, dass die Politik mit aller Macht dabei ist, dieses Land sozialpolitisch an die Wand zu fahren“, so Silberbach. Denn nicht nur die Bundeswehr benötige dringend finanzielle Zuwendungen, sondern viele andere gesellschaftliche Bereiche auch, sagte der dbb Chef. „Deshalb müssen wir weg von der Schuldenbremse, um herzustellen, was wir am dringendsten brauchen: Solidarität und soziale Gerechtigkeit.“ Wenig verwundert zeigte sich Silberbach, dass der Koalitionsvertag keinen Passus zum Berufsbeamtentum enthält: „Es war nicht zu erwarten, dass SPD und Grüne ein brennendes Bekenntnis hierzu abgeben.“ Immerhin sei es dem dbb im Vorfeld gelungen, die FDP zu bewegen, eine Lanze für das Berufsbeamtentum zu brechen. Der dbb werde in dieser Hinsicht unermüdlich bleiben: „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Europa das einzige Land sind, das sich noch auf ein Berufsbeamtentum stützt, und dass Europa mehr und mehr versucht, in vielen Bereichen Bedingungen anzugleichen.“ Beim Thema Digitalisierung werde sich der dbb ebenfalls weiter einmischen. „Die Politik braucht unsere Expertise. Doch gerade in den Diskussionsrunden und Panels, die sich mit dem Thema Digitalisierung befassen, sind noch immer zu wenig Frauen vertreten“, bedauerte der dbb Chef. „Hier müssen wir uns viel breiter aufstellen. Sonst wird wieder nur über Wirtschaftsfragen gesprochen.“ dbb Gewerkschaftstag: Antragsberatungen zur frauenpolitischen Agenda Neben der Einordnung des aktuellen Krisengeschehens standen die Antragsberatungen zum dbb Gewerkschaftstag, der imNovember 2022 stattfinden wird, auf der Agenda der Hauptversammlung. Beratungsgegenstand waren die Anträge der Frauenvertreterinnen aus den dbb Mitgliedsorganisationen zu aktuellen frauenpolitischen Fragestellungen rund um den öffentlichen Dienst, unter anderem die Ausgestaltung einer gleichstellungswirksamen Krisenpolitik, die faire Verteilung von beruflicher und privater Sorgearbeit, Verbesserungen der Altersabsicherung von Frauen, die geschlechtergerechte Familienbesteuerung sowie die Förderung von zeitgemäßen Führungskonzepten und einer gendersensiblen Leistungsbewertung im öffentlichen Dienst. bas/cri dbb Chef Ulrich Silberbach bei seinem Lagebericht vor der Hauptversammlung der dbb frauen. 34 INTERN dbb magazin | April 2022

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