dbb magazin 4/2022

Sozial- und Erziehungsdienst Kaum Fortschritte im Tarifkonflikt Die zweite Runde der Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst haben die kommunalen Arbeitgebenden am 22. März 2022 in Potsdamweitgehend ungenutzt verstreichen lassen, kritisiert der dbb. Sie haben das Ausmaß der Personalnot und die damit verbundene permanente Belastung offenbar immer noch nicht verstanden. Anders ist ihr Verhalten nicht zu erklären“, sagte der dbb Bundesvorsitzende und Verhandlungsführer Ulrich Silberbach. „Hinsichtlich der Aufwertung der Berufe in der frühkindlichen Bildung und der sozialen Arbeit ist eine konstruktive, tiefergehende Diskussion kaummöglich. Und bei der dringend notwendigen Entlastung der Kolleginnen und Kollegen wird praktisch komplett geblockt. Besonders irritierend ist, dass von den Arbeitgebenden nicht mal konstruktive Gegenvorschläge kommen. Das ist keine zielführende Verhandlungsführung.“ Die Fakten seien klar: Statt neue Fachkräfte zu gewinnen, drohe eine massive Abwanderung von Beschäftigten – während die Aufgaben aufgrund politischer Entscheidungen und Krisen, wie der Coronapandemie und dem Krieg in der Ukraine, immer größer würden. „Vor diesem Hintergrund grenzt das Verhalten der Arbeitgebenden schon fast an Realitätsverweigerung. Die kommenden Wochen bis zur finalen Verhandlungsrunde werden nun für alle Beteiligten mühsam, denn wir werden unseren Protest nun verstärkt auf die Straße tragen. Das ist in dieser schwierigen Zeit nicht einfach, weil alle Kolleginnen und Kollegen sich ihrer großen Verantwortung bewusst sind. Aber die Arbeitgebenden lassen uns keine Wahl.“ Der dbb befürchtet schwere gesellschaftliche Verwerfungen, wenn die kommunalen Arbeitgebenden weiter mauern: Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Beschäftigten im Sozialbereich haben während der Coronapandemie verantwortungsbewusst gehandelt und die Verhandlungen um fast zwei Jahre verschoben, obwohl die Aufwertung des Berufsfeldes angesichts des Personalmangels schon vor zwei Jahren überfällig war. Jetzt sind Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Erzieherinnen und Erzieher erneut enorm gefordert, um die Geflüchteten aus der Ukraine zu betreuen. „Die VKA darf die Kolleginnen und Kollegen in dieser Situation nicht in einen Arbeitskampf zwingen“, stellte Silberbach klar. Der dbb fordert etwa eine bessere Bezahlung durch höhere Eingruppierungen in den entsprechenden Entgelttabellen. Außerdem soll inhaltlich bessere Arbeit ermöglicht werden, beispielsweise durch die Ausdehnung von Vor- und Nachbereitungszeiten. Um das duchzusetzen, hatten Beschäftgte im Vorfeld der zweiten Runde am 8. März für bessere Arbeitsbedingungen protestiert. „Beim Verhandlungsauftakt haben die kommunalen Arbeitgeber gezeigt, dass sie die Notwendigkeit und Dringlichkeit von grundlegenden Verbesserungen für die Kolleginnen und Kollegen nicht verstanden haben. Wir brauchen ein echtes Signal der Wertschätzung für die Berufe in der frühkindlichen Bildung und der sozialen Arbeit. Deshalb haben die Beschäftigten nun ein erstes Zeichen gesetzt“, hatte Silberbach bei den Protestaktionen bekräftigt, die insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Sachsen stattgefunden hatten. „Der Internationale Frauentag am 8. März ist bewusst gewählt worden: In den Berufen des Sozial- und Erziehungsdienstes arbeiten immer noch weit überwiegend Frauen, gerade in den Kitas sind es deutlich über 90 Prozent. Und es sind diese Care-Berufe, die noch immer deutlich schlechter bezahlt sind als Berufe mit vergleichbarer Ausbildung, in denen mehr Männer arbeiten“, erklärte der dbb Chef. „Wer über Gleichberechtigung reden will, muss die strukturelle Benachteiligung von Sorgearbeit – ob beruflich oder privat – thematisieren.“ Die Tarifverhandlungen werden am 16. und 17. Mai 2022 fortgesetzt. ■ Kundgebung vor der zweiten Verhandlungsrunde in Potsdam: dbb Chef Ulrich Silberbach, die Vorsitzende der komba nrw, Sandra von Heemskerk, und Michael Kaulen von der komba nrw unterstützen die Protestierenden. © FriedhelmWindmüller TARIFPOLITIK 6 AKTUELL dbb magazin | April 2022

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