dbb magazin 5/2022

sagt er. Und tolle Erlebnisse: „Eines der schönsten Gefühle ist es, mitzubekommen, dass Kinder etwas Neues gelernt haben.“ Wie draußen, wenn es ihnen gelingt, am Klettergerüst hochzukraxeln und auf der Stange herunterzurutschen. „Wenn es das erste Mal klappt, sind die stolz wie Bolle“, sagt Hein. „Die machen das dann noch stundenlang. Einfach aus Spaß.“ Die Kitabelegschaft dokumentiert die Premieren mit Fotos, „um dem Kind eigene Lernerfolge sichtbar zu machen“. Wir sind an einem der Schauplätze einer spektakulären Entwicklung. Kitas wie die in Lahnstein sind überall aus dem Boden geschossen. Sie haben dabei die gesellschaftliche und bildungspolitische Landschaft umgegraben. Dass Zweijährige über viele Stunden am Tag der Fremdbetreuung überlassen werden und sich – außerhalb der Familie – dabei wohlfühlen können? Noch Mitte der 1990erJahre, nach der Einheit, war das zumindest umstritten. Groß war der Widerstand meist älterer Westdeutscher, die eine Debatte über die Vorzüge der mütterlichen Fürsorge anschoben. Gehörte der Nachwuchs nicht in die Obhut der Frauen, die ihn zur Welt gebracht haben? Die Vorbehalte sind lange Vergangenheit. Bundesweit gibt es den gesetzlichen Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. 3,2 Millionen Kinder besuchen eine Kindertagesstätte, darunter 700 000 unter drei Jahre alt. Über die Hälfte von ihnen verbringt mehr als sieben Stunden täglich in den Einrichtungen, die zu zwei Dritteln von privaten Trägern und zu einem Drittel von staatlichen betrieben werden. Ein gewaltiger Fortschritt für Familien und Wirtschaft: Nur mit dieser Infrastruktur ist eine zeitlich parallele Berufstätigkeit beider Elternteile möglich. Doch ist die Kinderbetreuung, ein Kern der Sozialen und Erziehungsdienste in der Bundesrepublik und eine extrem boomende Branche, damit schon perfekt? In der Lahnsteiner KiTa LahnEggs sitzt Frido schluchzend auf dem Schoß von Manuel Hein. Das Kind ist hingefallen. Nichts Schlimmes. Eine Beule könnte das noch werden. Der 27-jährige Erzieher will Frido trösten, ihm „Ruhe und Geborgenheit“ nach dem kleinen Sturz vermitteln. Doch diese Absicht, vielfaches Tagesgeschäft in jeder Kita, scheitert wieder mal. Eine Kollegin fehlt heute. Die andere ist imWaschraum dabei, zwei der Kleinsten zu wickeln. Parallel schlägt bei Hein die Meldung eines älteren Kindes auf, der jüngere Kumpel habe gerade ins Höschen gemacht. In der Ecke streiten zwei laut. Die Ereignisse überschlagen sich wie immer und lassen wenig Zeit für Bedürfnisse Einzelner. Dabei wollte der Erzieher doch nur den Kleinen mit der Beule trösten. Geht nicht. „Es gibt Tage, da hätte ich es gerne anders, da bin ich ehrlich.“ Die kleine Szene steht für das zentrale Problem. Es gibt zu wenig Personal. Hein arbeitet in einem Umfeld von sechs Gruppen. Drei für Ein- bis Dreijährige. Drei weitere für Drei- bis Sechsjährige. Das sind 110 zu betreuende Kinder. 20 Frauen und Männer beaufsichtigen, wickeln, reden, bilden sie und spielen mit ihnen. Das liegt zwar gut im bundesdeutschen Schnitt. „Aber schon wenn nur zwei Fachkräfte da sind pro Gruppe, dann steht man auch 3,2 Millionen Kinder besuchen eine Kindertagesstätte, darunter 700 000 unter drei Jahre alt. Über die Hälfte von ihnen verbringt mehr als sieben Stunden täglich in den Einrichtungen. Erzieher werden gesucht. Händeringend. Aber zu wenige bewerben sich. Deshalb: Was schreckt sie ab? FOKUS 17 dbb magazin | Mai 2022

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