Betriebsverfassungsrecht Schwarze Bretter müssen schnell digital werden Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP sieht auf Bundesebene vor, digitale Plattformen in der Arbeitswelt auszubauen. Sie sind eine Bereicherung und wichtig im Zeitalter der Digitalisierung. Daher setzt sich der dbb bereits seit 2019 für ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften zu den Dienststellen ein. Die Ausgestaltung der Mitgliederwerbung und -information ist Teil der von Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geschützten Betätigungsfreiheit und muss von den Arbeitgebenden geduldet werden. Zu den anerkannten Kontaktmöglichkeiten gehören die Unterhaltung eines „Schwarzen Bretts“ als Informationsmedium, das Werben um Mitglieder und die Ziele der Gewerkschaft in Dienststelle und Betrieb mit Flugblättern sowie das Ansprechen von Beschäftigten einschließlich Aushändigung von Informations- und Werbematerial. Werbliche Aktivitäten einzelner Gewerkschaftsmitglieder qualifiziert das Bundesverfassungsgericht zudem als durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerungen. Diese Grundrechtsverwirklichung setzt praktikable und gleichberechtigte Nutzungsmöglichkeiten der jeweils verwendeten digitalen Kommunikationswege durch die in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften voraus. „Gewerkschaften brauchen dringend ein elektronisches Zugangsrecht zum Betrieb. Der Anteil an Beschäftigten, die mobil oder in flexiblen Arbeitszeitmodellen arbeiten, nimmt stetig zu. Daher sind diese Beschäftigten für die Gewerkschaften auf dem herkömmlichen Weg kaum mehr erreichbar. Diese Problematik beim Arbeiten im Homeoffice ist während der Coronapandemie für jedermann offensichtlich geworden“, sagt dbb Vize und Fachvorstand Tarifpolitik, Volker Geyer. Veränderte Arbeitsabläufe Neben „konventionellen“ Aktivitäten kommt dem „digitalen Zugangsrecht“ eine zunehmende Bedeutung zu. Dieser Zuwachs resultiert unmittelbar aus der schnell fortschreitenden Digitalisierung von Arbeitsprozessen und -abläufen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes. In der Folge haben sich Beschäftigte bereits an Kommunikationsprozesse gewöhnt, die über das Internet ablaufen: Wer für die private und dienstliche Kommunikation vorwiegend Messengerdienste nutzt und Informationen nur noch im Internet sucht, den erreichen konventionelle Flugblätter oder gedruckte Magazine vielfach nicht mehr. Hinzu kommt, dass in „Desk- Sharing-Büros“ eine zunehmende Zahl von Beschäftigten nicht mehr an ihren persönlich zugeordneten Arbeitsplätzen tätig ist, sondern an ständig wechselnden Schreibtischen arbeitet. Gleiches gilt für „mobil“ von unterwegs tätige Arbeitnehmende oder für „Telearbeitende“, die zu Hause arbeiten. Gericht bestätigt digitales Zugangsrecht Mit jedem Schritt der Loslösung von konventionellen Arbeitsstrukturen sind Arbeitnehmende für dienststellenbezogene Werbeaktivitäten schwerer erreichbar. Damit erhöht sich die Notwendigkeit digitalisierter Kontaktmöglichkeiten signifikant. Beim digitalen Zugangsrecht geht es daher nicht nur um das Versenden von E-Mails und die Nutzung von E-Mail-Verteilern der Dienststelle. Gewerkschaftliche Werbestrategien treffen in der digitalen Arbeitswelt auf neue Gegebenheiten. So zeichnet sich derzeit beispielsweise ab, dass die E-Mail künftig durch neuartige „digitale Teamoberflächen“ ersetzt wird. Dies führt dazu, dass elektronische Zugangs-, Kontakt-, Werbe- und Informationsmöglichkeiten, die Gewerkschaften in der „analogen Arbeitswelt“ haben, an ein neues technisches Niveau angepasst werden müssen. Grundsätzlich muss den Gewerkschaften ein digitaler Zugang zu den Beschäftigten ermöglicht werden. Das Fotos: Visual Generation/Colourbox.de (5) MITBESTIMMUNG 8 AKTUELL dbb magazin | Mai 2022
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==