Die Spitze des Niedersächsischen Beamtenbund und Tarifunion (NBB) hat vor der Landespressekonferenz am 4. Mai 2022 erneut vor den Folgen des dramatischen Personalmangels im öffentlichen Dienst gewarnt. Der 1. Landesvorsitzende Alexander Zimbehl und der 2. Landesvorsitzende Peter Specke wiesen eindrücklich darauf hin, dass bis Ende 2029 rund 45000 Stellen aufgrund von Altersabgängen neu besetzt werden müssen. Vorgeschlagen wurde von beiden ein „Huckepack-Verfahren“: Bedienstete, die in absehbarer Zeit ausscheiden, sollten gerade bei fachlich anspruchsvoller Tätigkeit ihre Nachfolger – häufig Berufseinsteiger – rechtzeitig parallel einarbeiten. So könne ein „Wissenspool“ aufgebaut werden. Sollte nicht schnellstens gehandelt werden, könne das gewohnte Leistungsniveau für die Bürgerinnen und Bürger nicht aufrechterhalten werden. Specke: „Wird jetzt nicht aktiv von der Politik gegengesteuert, muss jeder Bürger in Niedersachsen damit rechnen, dass in Zukunft Monate vergehen werden, bis ein neuer Personalausweis oder ein Reisepass kommt.“ Der Personalmangel ziehe sich bereits jetzt durch die Bereiche Pflege, Bildung und Verwaltung. Zimbehl: „Nach unserer festen Überzeugung haben nahezu alle Landesregierungen der letzten Jahre und Jahrzehnte in Niedersachsen in vielen Bereichen nur in Legislaturperioden gedacht. Und das ist der entscheidende Fehler gewesen. Man muss deutlich darüber hinaus denken, man muss auf Jahre und Jahrzehnte denken.“ Natürlich könne man gewisse Krisen wie die Coronapandemie oder den Ukraine-Krieg nicht voraussehen. „Trotz allemmuss ich Vorsorge leisten, dass ich genug Personal zur Verfügung habe, um nicht nur die anstehenden Aufgaben, sondern auch die zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen“, stellte der NBB-Chef klar. NBB Warnung vor dramatischem Personalmangel Alexander Zimbehl, 1. Vorsitzender des NBB Dr. Peter Specke, 2. Vorsitzende des NBB Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR) und dbb Vize, hat zu einseitige Tendenzen, Schwerpunkte und ideologisierte Perspektiven bei der Wahl der Schulbildungswege in Deutschland kritisiert, die zwangsläufig mit hohen Qualitätseinbußen einhergehen. „Wenn in deutschen Großstädten mehr als zwei Drittel der jungen Menschen nach der Grundschule ein Abitur und damit eine akademische Ausbildung anstreben, ist das einfach unrealistisch. Viele junge Menschen werden mit falschen Versprechen fehlgeleitet und müssen sich realitätsfernen Erwartungen unterwerfen“, sagte Böhm am 6. Mai 2022. Auch die in den vergangenen Jahren aus fiskalischen, ideologischen und demografischen Gründen eingeführten Gemeinschaftsschulen würden einen strukturellen Irrweg ohne klares inhaltliches Profil darstellen. Mit dem Heilsversprechen eines Abiturs für alle, das von den wenigsten jungen Menschen einer Gemeinschaftsschule wirklich erreicht oder nur mit qualitativen Abstrichen vergeben werde, würden auch hier Fehlanreize gesetzt, die im realen Leben nicht zum beruflichen Erfolg führten. Böhm fordert in diesem Zusammenhang mehr Wertschätzung für die Realschulbildung und verweist auf das Erfolgsmodell Realschule als Schlüssel zur Behebung des Fachkräfteproblems: „Der Realschulabschluss steht für hohe Bildungsqualität. Wer irgendeinen sogenannten ‚mittleren Bildungsabschluss‘ nebenbei und imVorbeigehen zugesprochen bekommt, wer keine hochwertige Abschlussprüfung am Ende der zehnten Jahrgangsstufe ablegenmuss, der hat eben dieses Qualitätssiegel Realschulabschluss längst nicht erreicht. In Bundesländern, die an einem inhaltlichmodern aufgestellten Realschul-Bildungskonzept festhalten und jegliche qualitative Aufweichung ablehnen, bilden die Realschüler die Basis zur Behebung des Fachkräftemangels“, gibt Böhm zu bedenken. Der VDR-Chef plädiert für eine „Exzellenzinitiative Realschulbildung“ in Deutschland: „Wir brauchen nicht die x-te Oberstufenreform an Gymnasien und Gesamtschulen. Das Märchen von der Vollakademisierung der Gesellschaft verliert zunehmend an Zauber. Nutzen wir lieber die Erfahrungen und das bewährte, von Arbeitgebern hochgeschätzte Bildungskonzept der starken Realschulen. Die Realschulbildung ist das Sprungbrett in eine erfolgreiche, anspruchsvolle berufliche Ausbildung und lässt alle Karrierechancen offen.“ VDR „Exzellenzinitiative Realschulbildung“ gefordert Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des VDR 46 KOMPAKT dbb magazin | Juni 2022
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