genannte Grund für eine Nichtmeldung ist der Glaube, dass eine Meldung ohnehin nichts ändere, gefolgt von der Annahme, dass der Vorfall nicht meldewürdig war. Parallel zur allgemeinen Befragung führte das FÖV eine ergänzende Studie mit Fokus auf Gewalt gegen Beschäftigte im Personennah- und -fernverkehr durch. Darin gaben 40 Prozent an, bereits mindestens einmal Gewalt erlebt zu haben. Am häufigsten wurden Beschäftigte im Kundendienst und Begleitpersonal Opfer von verbalen oder physischen Attacken. Deckungsgleich mit der Hauptstudie zeigte sich, das auch hier die häufigsten Erscheinungsformen von Gewalt Beleidigung und Bedrohung waren. Die Dunkelziffer war mit 60 Prozent ähnlich hoch, ebenso die Gründe, weshalb die Vorfälle nicht gemeldet wurden. Als erste Handlungsoptionen aus der Studie, die zunächst der Bestandsaufnahme diente, formulierte Axel Piesker, bewährte Präventionsmaßnahmen zu adaptieren und zu nutzen. Auch im Bereich der Betroffenen sei deutlich mehr Unterstützung erforderlich. Raus aus der „blame-and-shame“-Schleife In der anschließenden Fishbowl-Diskussion zur Bewertung der Studienergebnisse hob FÖV-Direktor Jan Ziekow hervor, dass die Qualität der Erhebung in ihrer hohen Differenziertheit liege und die Daten daher eine gute Basis für weitere Analysen böten. Der Schutz der Beschäftigten lasse sich jedenfalls nur signifikant verbessern, wenn „wir ganzheitlich denken und uns gleichermaßen mit Situationen von Gewalt und mit dem Bild des öffentlichen Dienstes beschäftigen“, machte der Verwaltungswissenschaftler deutlich. Daher regte er weitere Untersuchungen an: „Wenn man an der Oberfläche bleibt, rutscht das wieder schnell in die ,blameand-shame‘-Diskussion: Irgendeiner ist immer schuld – aber die Ursachen liegen viel tiefer.“ Katrin Walter, Abteilungsleiterin D (öffentlicher Dienst) im Bundesministerium des Innern und für Heimat, zeigte sich betroffen vom Ausmaß und der Art der in der Studie geschilderten Gewalttaten. „Wir müssen uns vor Augen halten, dass Leute in Jobcentern oder Bürgerämtern den Umgang mit Straftätern nicht gelernt haben, wie etwa die Beschäftigten in den Ordnungsbehörden. Wir müssen dringend aktiv werden. Eine der Kernaufgaben der Dienstherrn ist die Fürsorgepflicht, und das Minimum an Vorsorge ist ja wohl, dass die Menschen gesund von ihrem Dienst nach Hause gehen können“, machte Walter deutlich. Verärgert zeigte sie sich darüber, dass Vorfälle von Betroffenen nicht gemeldet werden, weil Dienstvorgesetzte dies als unerwünscht oder überflüssig bewerteten: „Das ist klares Führungsversagen. Hier müssen wir gegensteuern.“ Eine deutliche Verbesserung der Sicherheit sei nur zu erreichen, wenn man konkret mit den Beschäftigten spreche, zeigte sich Walter überzeugt. Auch Katja Karger vom DGB betonte die Bedeutung der konkreten Arbeit vor Ort. Es sei beispielsweise nicht hinnehmbar, dass im Staatsdienst die eigentlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen nicht flächendeckend vorgenommen würden. „Hier gilt es, den Führungskräften den Spiegel vorzuhalten und die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen“, so Karger. Auch die Verfolgung von Täterinnen und Tätern müsse etwa durch die Einrichtung von SchwerpunktStaatsanwaltschaften optimiert werden. Friedhelm Schäfer, Zweiter dbb Bundesvorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik Präsentation der Ergebnisse der Studie: Carolin Steffens ... ... und Axel Piesker gehören zu den Mitherausgebern der wissenschaftlichen Erhebung. Erste Bewertung der Studienergebnisse durch die Teilnehmenden der Fishbowl-Diskussion: Moderatorin Corinna Egerer, Katja Karger (DGB), Katrin Walter (BMI), Jan Ziekow (FÖV) und Friedhelm Schäfer (dbb), von links © FÖV/Sandra Kühnapfel (9) FOKUS 15 dbb magazin | Juli/August 2022
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