REPORTAGE Gewalt gegen Beschäftigte Tatort Staatsdienst Verbale und auch körperliche Angriffe auf Menschen im öffentlichen Dienst nehmen zu. Vier von ihnen erzählen, wie sicher sie sich noch fühlen. Ein Lagebericht. „Als ich zur Seite taumelte, habe ich einen Tritt in die Hüfte bekommen und bin mit der anderen Hüfte auf den Bordstein gefallen.“ Jan Quente, Polizei-Zugführer, Stuttgart Wir hatten den Auftrag, die Strecke der Demonstration zu schützen“, erinnert sich der heute 38-jährige Stuttgarter Polizei-Zugführer Jan Quente an den Tag der Gewalt. „Mein Zug war verteilt. An einer Stelle standen fünf oder sechs Leute aus meiner Gruppe. Auf einmal kam ein schwarzer Block von 40 bis 50 Vermummten. Schnell wurden 150 daraus. Sie haben Transparente hochgehalten und auch ein Faceshield, um sich gegen Pfefferspray zu schützen.“ Die Stimmung kochte hoch. „Sie riefen: Die sind wenig, wir sind viel. Sie haben runtergezählt. Zehn, neun, acht, sieben, sechs. Da war uns klar: Die rennen gleich los. Sie liefen auf uns zu und haben die Gruppe überrannt. Eine Kollegin ist komplett übertrampelt worden von mehreren Demonstranten.“ Quente nennt das, was der Polizistin passiert ist, wirklich so: übertrampelt. Der 28. Februar 2016, ein Sonntagnachmittag. Mit einer „Demo für alle“ wollen Eltern gegen den Plan der grün-schwarzen Landesregierung protestieren, neue Inhalte für den baden-württembergischen Sexualkundeunterricht festzulegen. 4500 Menschen sind gekommen. Es geht um gesellschaftliche Grundsatzfragen, der Protest fordert Gegenprotest heraus. Linke werfen den Eltern Homophobie vor und dass sie von Leuten rechts außen durchsetzt seien. Die Polizei gerät zwischen die Fronten. Quente erzählt: „Ich habe in demMoment, wo sie auf uns zu sind, mit Pfefferspray gegengehalten. Ich wurde selbst nach hinten gedrückt und eingeschlossen von einer größeren Gruppe, habe versucht, mich mit dem Pfefferspray rauszuschlagen, aber das Spray ist dann mehr oder weniger zwischen Griff und Kartusche in meiner Hand explodiert.“ Pfefferspray wirkt schnell. Der Zugführer konnte kaum noch sehen. „Als ich zur Seite taumelte, 18 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2022
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