dbb magazin 7-8/2022

MITBESTIMMUNG Betriebsverfassungsrecht Arbeitsbefreiung für die Betriebsratsarbeit Zahlreiche Betriebe haben zwischen dem 1. März und 31. Mai 2022 einen neuen Betriebsrat gewählt. Ein wichtiges Thema für die neu gewählten Betriebsräte ist die Freistellung, um das neue Amt ordnungsgemäß ausführen zu können. Die Zeit, die Betriebsratsmitglieder in ihr Mandat investieren, fehlt unter Umständen bei der Erfüllung der eigentlichen arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit. Um Unstimmigkeiten und eine Doppelbelastung zu vermeiden, haben Betriebsräte deshalb unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung und Freistellung. Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Aus dieser gesetzlichen Regelung wird abgeleitet, dass die erforderliche Betriebsratsarbeit grundsätzlich Vorrang vor der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung hat. Die Aufgaben des Betriebsrats Zu den ordnungsgemäßen Aufgaben des Betriebsrats zählen alle dem Betriebsrat nach dem BetrVG, den Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen sowie anderen Gesetzen obliegenden Aufgaben. Das sind beispielsweise die Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats oder an Besprechungen mit Arbeitgebenden, Betriebsbesichtigungen und Besprechungen mit Behörden und Gewerkschaften, das Aufsuchen von Rechtsanwälten zur Beratung oder Vorbereitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens, die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die Vorbereitung und Nachbereitung von Sitzungen und Beschlüssen des Betriebsrats oder der Ausschüsse, die Wahrnehmung der Betriebsratssprechstunde oder die Entgegennahme von Beschwerden. Die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung Die Arbeitsbefreiung muss außerdem nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Amtsausübung erforderlich sein. Dies ist nach einem objektiven Beurteilungsmaßstab festzustellen. Es ist danach zu fragen, ob und inwieweit das Betriebsratsmitglied bei gewissenhafter Überprüfung und unter Abwägung der Interessen des Betriebs, des Betriebsrats und der Belegschaft die Arbeitsbefreiung für notwendig halten durfte, um seine/ihre Aufgaben entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Diesbezüglich besteht allerdings ein gewisser Beurteilungsspielraum des Betriebsratsmitglieds. Der Umfang der Arbeitsbefreiung hängt dabei insbesondere davon ab, welche Funktion das Betriebsratsmitglied innerhalb des Betriebsrats ausübt, beziehungsweise welche Aufgaben ihm durch den Betriebsrat übertragen wurden. Darüber hinaus sind auch die Betriebsgröße, die Eigenart des Betriebs und die derzeit konkret anstehenden Aufgaben und Aktivitäten für die Beurteilung der Erforderlichkeit ausschlaggebend. Abmeldung beim Vorgesetzten nötig, Zustimmung nicht erforderlich Soweit diese beiden Voraussetzungen vorliegen, ist das Betriebsratsmitglied in entsprechendem Umfang von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung kraft Gesetzes befreit. Eine gesonderte Zustimmung zur Arbeitsbefreiung durch Arbeitgebende oder durch Vorgesetzte ist nicht erforderlich. Ein Betriebsratsmitglied ist allerdings dazu verpflichtet, sich vor Beginn der Betriebsratstätigkeit bei dem/der Vorgesetzten abzumelden. Bei der Abmeldung sind die voraussichtliche Dauer und der Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit, nicht jedoch der Gegenstand der Betriebsratstätigkeit, mitzuteilen. Das Betriebsratsmitglied ist ferner zur Rückmeldung nach Beendigung der Betriebsratstätigkeit verpflichtet. Anspruch auf Lohnfortzahlung Arbeitgebende müssen das Arbeitsentgelt während der Arbeitsbefreiung weiterzahlen (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Diesbezüglich gilt das Lohnausfallprinzip. Das bedeutet, es ist das Arbeitsentgelt zu zahlen, das das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung bekommen hätte. Dazu gehören auch sämtliche Zuschläge, Zulagen und allgemeine Zuwendungen. Grundsätzlich soll die Betriebsratsarbeit während der Arbeitszeit erfolgen. Arbeitgebende haben insoweit grundsätzlich durch organisatorische Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass die Betriebsratsmitglieder ihre Aufgaben während der Arbeitszeit erfüllen können. Trotzdem kann es vorkommen, dass eine Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wird. Zum Ausgleich haben Betriebsratsmitglieder in diesem Fall einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich (§ 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). ■ Foto: Colourbox.de INTERN 25 dbb magazin | Juli/August 2022

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