dbb magazin 7-8/2022

auf die „Digitale Chancengerechtigkeit für Frauen“. Er zeigte auf, dass deutliche geschlechterbezogene Asymmetrien bei Kompetenzen für und Teilhabe an Digitalisierung bestehen. Während die digitalen Zugangsmöglichkeiten in Europa und Deutschland grundsätzlich und geschlechterübergreifend sehr hoch seien, erfolge bereits die Nutzung digitaler Technologien deutlich einseitiger, noch gravierender seien die Unterschiede bei der Ausgestaltung der digitalen Transformation. „Wer ist hauptsächlich mit der Einführung digitaler Lösungen und künstlicher Intelligenz befasst, wer verantwortet hier Entscheidungen und Prozesse?“, fragte Spörrle. Die Antwort: „Überwiegend Männer.“ Spörrle machte anhand eines Blicks zurück in die Geschichte das Ausmaß der männlichen Dominanz bei der digitalen Transformation deutlich: „Während die industrielle Revolution nicht ganz, aber doch halbwegs von beiden Geschlechtern mitgetragen wurde, liegt das Verhältnis zwischen gestaltenden Männern und Frauen bei der digitalen Revolution derzeit bei 90 zu 10. Das bedeutet eine noch radikalere Nichtteilhabe von Frauen als bei der industriellen Revolution.“ Es gelte, dieser asymmetrischen Ausgrenzung entgegenzuwirken. Zum einen durch den massiven Aufbau von Kompetenz: „Kompetenz ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Ursachen ungleicher Teilhabemöglichkeiten bei der Digitalisierung geht.“ Grundsätzlich stünde heute insbesondere auch digital ein immenses Bildungsangebot in Sachen Digitalisierungskompetenz zur Verfügung – was jedoch auch überwiegend nur von Männern genutzt werde. „Wenn wir hier nicht aktiv gegensteuern, werden die Unterschiede immer größer“, zeigte Spörrle auf. Wichtig sei, dass Frauen die Einladung zum Kompetenzerwerb annehmen und zudem Führungskräfte digitale Aus- und Weiterbildung nachdrücklich „incentivieren“. Insbesondere von „Institutionen, die stark in der Standardisierung sind“ – sprich dem öffentlichen Dienst – erhoffe er sich hier ein beispielhaftes Vorangehen, so Spörrle. Fish-Bowl: von klassischer Arbeit zu NewWork „Von klassischer Behördenarbeit zu NewWork – muss sich der öffentliche Dienst für eine geschlechtergerechte Arbeitswelt grundlegend ändern?“ lautete der Titel der Fish-Bowl-Debatte am Nachmittag. Neben Julia Borggräfe und Matthias Spörrle diskutierten dbb frauen Chefin Milanie Kreutz sowie Joachim Kremser, Referatsleitung Organisation, IT, Haushalt, Beschaffung in der Oberfinanzdirektion NRW. Ein freier Stuhl in der Expertenrunde galt als Einladung zumMitdiskutieren, die rege von den rund 150 Teilnehmenden angenommen wurde. Joachim Kremser machte deutlich, dass die Pandemie einen enormen Beschleunigungseffekt auf die Digitalisierung gehabt habe, ohne den die heutigen flexiblen Arbeitsmöglichkeiten in seiner Finanzverwaltung nicht denkbar gewesen seien. Neben dem Ausbau der technischen Infrastruktur gehörten vor allem auch Führungspersonen dazu, die diesen Schub in dauerhafte Transformationsprozesse überführen wollten, sowie Fortbildungsmöglichkeiten und Onboarding-Prozesse, die die virtuelle mit der analogen Arbeitswelt verbinden. Milanie Kreutz, die in der Finanzverwaltung NRW tätig ist, stellte klar: „Es führt kein Weg zurück.“ Mobiles Arbeiten brauche Rahmenbedingungen, die zu den jeweiligen Beschäftigten und deren Arbeitsauftrag passten. Matthias Spörrle riet vor allem dazu, Sicherheit gebende Strukturen vorzuhalten, vor allem für Mitarbeitende, die digital aufgegleist worden seien. Hier müsse auch darauf geschaut werden, wie hoch das Sicherheitsbedürfnis der Beschäftigten etwa mit Blick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder das Alter der Beschäftigten sei. Teilhabe für alle zu gewährleisten, sei „die wirkliche Arbeit“. Julia Borggräfe führte die Frage nach äquivalenter Behandlung der Beschäftigten ins Feld. Insbesondere dort, wo Tätigkeiten nicht in Homeoffice ausgeübt werden können, müsse überlegt werden: „Was kann als Ausgleich angeboten werden, um gefühlte Ungerechtigkeit auszugleichen?“ Auch gehe es darum, zu überlegen, welches Mittel Führungskräften an die Hand gegeben werden könne, damit sie in einer digitalen Welt auch führen können. Hier seien beispielsweise Dienstvereinbarungen, die gemeinsam mit den Beschäftigten erstellt werden, ein probates Mittel. br/bas/cri/iba/ows/zit Ein leerer Stuhl als Einladung zumMitdiskutieren: Die FishBowl-Debatte am Nachmittag wurde von der Journalistin Juliane Hielscher (ganz links) moderiert. INTERN 31 dbb magazin | Juli/August 2022

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