dbb magazin 9/2022

Welche Anforderungen stellen Sie an den DigitalPakt 2.0? Allein aus der Ausstattung aller Schulen mit Endgeräten ergibt sich in Sachsen für die Jahre ab 2025 ein Mehrbedarf für Wartung, Support und Ersatzbeschaffung im Umfang von bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr. Da sind die Aufwendungen der Schulträger für die digitale Grundinfrastruktur (LAN, WLAN, Server) oder die Kosten für zentrale digitale Dienste wie Lernplattformen und ID-Managementsysteme noch gar nicht mit drin. Vor dieser Herausforderung stehen alle Länder. Ein DigitalPakt 2.0 muss sich auf diese „Ewigkeitskosten“ konzentrieren. Erforderlich ist eine dauerhafte Unterstützung von Ländern und Kommunen für die Folgekosten der Digitalisierung an Schulen. Dauerhafte Mehraufwendungen müssen im DigitalPakt 2.0 dauerhaften Finanzierungsinstrumenten gegenübergestellt werden. Unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung sollte das Verwaltungsverfahren zwischen Bund und Ländern überprüft und gegebenenfalls vereinfacht werden, um die knappen Personalressourcen auf beiden Seiten zu schonen. Die Bewältigung der Pandemie und die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine treffen auf eine äußerst knappe Personaldecke an den Schulen. Wie möchten Sie langfristig eine bedarfsgerechte Lehrerversorgung der Schulen im Freistaat Sachsen gewährleisten, besonders auch mit Blick auf den ländlichen Raum? Zur Bekämpfung des Lehrermangels haben wir 2018 ein 1,7 Milliarden Euro umfassendes Handlungsprogramm aufgelegt. Dazu gehören unter anderem die Verbeamtung der Lehrkräfte und die Erhöhung der Studienplätze von ursprünglich 1000 auf 2700. Zudem locken wir mit einer Gehaltszulage von rund 1000 Euro Referendare aufs Land, wenn sich die Nachwuchslehrkräfte im Gegenzug verpflichten, nach ihrer Lehramtsausbildung für einige Jahre in Bedarfsregionen tätig zu sein. Damit sind sie deutschlandweit die bestbezahltesten Referendare. Auch die Einstellung von Seiteneinsteigern hilft uns bei der Unterrichtsversorgung. Mit einer neuen Lehrerwerbekampagne versuchen wir für den Lehrerberuf zu begeistern, denn wir müssen konsequent bei jungen Menschen für den Lehrerberuf werben – quasi als tagtägliche Arbeit. In Sachsen studieren 18 Prozent der Abiturientinnen und Abiturienten Lehramt. In ganz Deutschland sind es rund zehn Prozent. Die Grenzen sind also schon so gut wie ausgereizt. Wir müssen es nun schaffen, gemeinsammit den Universitäten die MINT-Fächer attraktiver zu machen. Parallel müssen die ländlichen Regionen Sachsens attraktiver werden, um Nachwuchslehrkräfte aus den Ballungszentren Leipzig und Dresden zu locken. Wir werben immer wieder mit den Pluspunkten von Schulen im ländlichen Raum: kleinere Klassen, top ausgestattete Schulen, weniger heterogene Schülerschaft. Aber auch die Regionen müssen Aktivitäten entfalten. Um die Bildungsqualität an den Schulen zu gewährleisten, muss der Quer- und Seiteneinstieg mit umfangreichen Qualifizierungsmaßnahmen einhergehen. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Qualifizierungsprogramm BQL der TU Dresden gemacht? Bereits seit 2016 haben wir in Zusammenarbeit mit allen drei lehrerbildenden Hochschulen in Chemnitz, Leipzig und Dresden ein umfangreiches Qualifizierungsmodell für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in den sächsischen Schuldienst entwickelt. Die Angebote aller Hochschulen sind an die Anforderungen der grundständigen Ausbildung und an die Bedarfsfächer angelehnt. Die berufsbegleitende Qualifizierung von Lehrkräften sowie Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern durch die TU Dresden erfolgt seit 2017. Die Maßnahmen werden mit sehr guten Ergebnissen evaluiert, sodass das Programm auch national inzwischen Aufmerksamkeit und Anerkennung erreicht hat. Mit dem Programm BQL haben die Universitäten innovative und qualitative Bedingungen für alternative Wege in den Lehrberuf geschaffen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur zusätzlichen Lehrergewinnung. Die Sommerwelle rollt unaufhaltsam, die pandemische Entwicklung ist ungewiss. Wie gut sind Sachsens Schulen für den dritten Pandemiewinter gerüstet? Wir starten ganz normal in das neue Schuljahr. Der Schulbetrieb wird ohne Einschränkungen stattfinden. Es gibt aber einen Basisschutz für den Herbst, nicht nur für Corona, sondern auch für andere Atemwegserkrankungen: Hygieneregeln, CO2-Ampeln, Lüften, Abstand. Hier folgen wir dem Expertenrat der Bundesregierung und dem Bundesverband der Kinderärzte. Natürlich werden wir das Infektionsgeschehen an Schulen weiter sorgsam verfolgen. Sollte sich das Pandemiegeschehen im Herbst erneut verstärken, wird mit Augenmaß und nach Abwägung aller zu berücksichtigenden pädagogischen und infektiologischen Gesichtspunkte über weitere Schutzmaßnahmen entschieden. Wir werden aber in den Schulen keine Maßnahmen einführen, die nicht auch in der Gesamtgesellschaft Anwendung finden. Schülerinnen und Schüler dürfen nicht mehr Einschränkungen unterliegen als Erwachsene. Die sächsische Staatsregierung bekennt sich zum gegliederten Schulsystem. Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dafür? Für uns zählt jeder Schüler. Und jeder Schüler ist individuell und braucht daher unterschiedliche Angebote. Bildungsgerechtigkeit basiert auf Vielfalt und nicht auf „Gleichmacherei“ im Sinne einer Einheitsschule. Ein gegliedertes Schulsystem ermöglicht flexible Bildungswege. Nicht „eine Schule für alle“, sondern die richtige Schule für jeden führen zum individuellen Lernerfolg. Dabei spielt für uns die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit des gegliederten Schulsystems eine große Rolle. Sackgassen darf es nicht geben. Weder das Gymnasium noch die Ober- oder Förderschule sind Einbahnstraßen. ■ Bildungsgerechtigkeit basiert auf Vielfalt und nicht auf „Gleichmacherei“ im Sinne einer Einheitsschule. Ein gegliedertes Schulsystem ermöglicht flexible Bildungswege. FOKUS 15 dbb magazin | September 2022

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