dbb magazin 9/2022

STANDPUNKT Schulen Lehrkräftemangel darf nicht zur Deprofessionalisierung führen Die dbb Lehrerverbände haben die Politik seit langer Zeit auf den bedrohlichen Lehrkräftemangel hingewiesen. Er lässt sich mittlerweile studienübergreifend mit eindrücklichen Ergebnissen belegen. Unser Bildungssystem und alle daran Beteiligten leiden unter dem Lehrkräftemangel, der seit langer Zeit die drängendste Herausforderung an unseren Schulen darstellt. Zu lange hat sich die Politik diesem Problem verschlossen, was sich immer mehr rächt. Auch jetzt ist keine langfristige Strategie in Sicht, das Problem des wiederkehrenden „Schweinezyklus“ zu lösen, obwohl wir dbb Lehrerverbände längst langfristige Lösungen dargestellt haben. Bundesweit zeugen Unterrichtsausfall, ein verringertes Unterrichtsangebot, eine besorgniserregende Belastung der Lehrkräfte sowie gravierende Folgen für die Bildungsqualität und -gerechtigkeit von dem eklatanten Mangel. Zusammen mit den weiteren Herausforderungen des Schulalltags, wie unter anderem der andauernden pandemischen Lage und der von der Kultusministerkonferenz prognostizierten Aufnahme von bis zu 400000 geflüchteten Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine, führt dies zu einer massiven Überlastung des Systems. Die dbb Lehrerverbände haben die Politik seit langer Zeit auf den bedrohlichen Lehrkräftemangel hingewiesen. Er lässt sich mittlerweile studienübergreifend mit eindrücklichen Ergebnissen belegen. So stellt auch eine kürzlich vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) bei Prof. i. R. Dr. Klaus Klemm in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie einen Lehrkräftemangel bis 2030 von mindestens 81000 fest. Mit diesem Ergebnis übertrifft die Studie die Prognosen der Kultusministerkonferenz (KMK) um nahezu 500 Prozent und offenbart die tatsächliche Dringlichkeit des Problems. Nun macht Not bekanntermaßen erfinderisch. Doch die Bildungsqualität leidet zunehmend unter diesem vermeintlichen Ideenreichtum, der zugleich das hohe Maß an Verzweiflung veranschaulicht: In Berlin plant eine Schule einen späteren Unterrichtsbeginn und eine Verkürzung der Unterrichtsstunden. Eine aus unserer Sicht indiskutable Stundentafelkürzung, mit der Pflichtstunden, zum Beispiel in Mathematik und in Deutsch, für die Schülerinnen und Schüler dauerhaft gekürzt werden können, geistert durch den Berliner Senat. Im Süden der Republik schickt die baden-württembergische Landesregierung jährlich rund 4000 Lehrkräfte über die Sommerferien in die Arbeitslosigkeit und denkt wegen des Lehrkräftemangels zugleich über eine höhere Mindestarbeitszeit für Teilzeitlehrkräfte sowie eine Erhöhung des Klassenteilers nach; wohl wissend, dass kleinere Klassen nachweislich für alle Beteiligten besser sind. Auch im Nachbarbundesland Bayern führt der Lehrkräftemangel zu hitzigen Diskussionen über die Kürzung der Stundentafel und die Zusammenlegung von Schulklassen. Anderenorts soll, angeblich nicht dem Fachkräftemangel geschuldet, die Vier-Tage-Präsenzwoche für Schülerinnen und Schüler erprobt werden. Nachdem die Politik jahrelang die „Taktik des Aussitzens“ verfolgte, entwickelt die Kultusministerkonferenz (KMK) notgedrungen ein zunehmendes Problembewusstsein: Daraus folgt, dass die Model Foto: Colourbox.de 16 FOKUS dbb magazin | September 2022

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