erst ein Betriebssystem hochfahren, das sich noch minutenlang aktualisieren muss.“ Wenn es aber darum gehe, beispielsweise im Lateinunterricht die verschachtelte Grammatik eines Satzes zu verdeutlichen, „ist es unglaublich hilfreich, wenn man die Satzteile auf dem Smartboard oder Tablet hin- und herschieben kann, um so die Struktur zu zeigen“. Die grundsätzliche Frage nach „Digitalisierung ja oder nein“ sei im Übrigen unterkomplex, „weil das längst entschieden ist“, sagt Habekost. Die Vielfalt der Möglichkeiten sei „unglaublich bereichernd“, aber längst nicht alles, was ginge, geht auch. „Der Mix aus analog und digital funktioniert am Besten“, ist sich Habekost sicher. Erste Stunde Mathe Wie das konkret aussehen kann, erfahren wir in der ersten Stunde: Die 7b hat Mathe bei Paul Bauer. 17 SchülerInnen sitzen mit Masken über Mund und Nase im Klassenraum. Beim schnellen Gang vom Lehrerzimmer hierher, vorbei an Sitzecken, Räumen, digitalen und papiernen Aushängetafeln, haben wir verstanden, was Wessel mit „lange Laufwege“ meinte. Im Klassenzimmer greift Paul Bauer in den oben offenen, kniehohen Rollcontainer, der neben seinem Tisch steht und aus dem an den Seiten einige Ladekabel hängen. Er teilt Tablets an die SchülerInnen aus. Am Anfang der Stunde eine Aufwärmübung: Nachdem die SchülerInnen sich in der Software angemeldet haben, wirft der Beamer die Aufgaben und später die Lösungen an die Wand. Es geht um Kopfrechenaufgaben und einfache Flächenberechnungen. Im Multiple-Choice-Verfahren wählen die SchülerInnen ihre Antworten aus, an der Wand ist mit Ende jeder Aufgabe zu sehen, wer am schnellsten die richtige Lösung angetippt hat. Am Ende gewinnt der oder die mit den meisten Punkten. Die SchülerInnen sind hellwach, konzentriert, scherzen miteinander herum, kommunizieren. Dann kommt die Hauptaufgabe des Tages: Paul Bauer verteilt Ausdrucke mit dem Umriss des Maschsees, einem künstlich angelegten See im Zentrum der Landeshauptstadt Hannover. Die SchülerInnen sollen mit Lineal, Geodreieck und Bleistift die Fläche des Sees ausrechnen. Bauer teilt die Klasse in mehrere Arbeitsgruppen. „Drückt bitte doll genug auf“, sagt Bauer. An der Wand soll man das auch lesen können. Wir sind beeindruckt: Die Arbeitsgruppe, die direkt neben uns sitzt, wechselt spontan die Sprache, eine Schülerin kommt aus der Ukraine und lernt gerade Deutsch. In fließendem Englisch unterhalten sich die drei Siebtklässlerinnen und lösen die Aufgabe. Nachdem die vorgegebenen zehn Minuten abgelaufen sind, geht Bauer herum, fotografiert die Blätter der einzelnen Gruppen und wirft die Bilder mit den Lösungsvorschlägen über den Beamer an die Wand. Möglich sind mehrere Lösungen: Eine Gruppe hat die Fläche in lange Streifen geschnitten und diese einzeln berechnet, andere haben den See in drei große und mehrere kleine Rechtecke zerlegt. „Wer möchte nach vorne kommen und seine Lösung erklären?“, fragt der Lehrer, mehrere Hände gehen nach oben. Die Lösung der Aufgabe ist analoges Handwerk, das die SchülerInnen mit Geodreieck und Bleistift seit Generationen nicht anders lernen. Die Ergebnisse werden an die Wand projiziert, kollektiv diskutiert und sind für alle transparent. Diese Art der Auswertung mit digitalen Hilfsmitteln scheint kommunikativer und lehrreicher, als wenn der Lehrer einfach einsammelt, korrigiert und die Aufgabe zurückgibt. Und dann ist die Stunde vorbei. Kleine Pause im Lehrerzimmer Das Büro des Schulleiters, Verwaltungsbüros und das Lehrerzimmer liegen hintereinander an einem Flur. Als wir an dessen Ende durch die Tür gehen, ist nicht sofort ersichtlich, was sich dahinter für ein großer Raum verbirgt. Ein knappes Dutzend große Gruppentische stehen darin, Wände mit abschließbaren Spinden und den Postfächern der Kollegiumsmitglieder, Ablagen mit Obst, Getränken, Menschen gehen ein und aus, greifen sich etwas aus ihrer Tasche oder ihrem Fach, setzen sich kurz hin. Der Raum ist so groß und der Schall so gedämpft, dass man sich hinsetzen und alleine sein kann, auch wenn noch ein Dutzend KollegInnen im Raum sind. Schulleiter Johannes Habekost gewinnt der digitalen und der analogen Welt Positives ab. ... steht er der Klasse auch mit analogen Rechentipps zur Seite. NachdemMathelehrer Paul Bauer Tablets an die SchülerInnen der 7b ausgeteilt hat ... 20 FOKUS dbb magazin | September 2022
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