Sicht ist es jedoch eindeutig die falsche. Denn wenn die Erwartungshaltung – zu Recht – hoch ist, muss es auch die Aktionsbereitschaft sein. Verbreitet ist auch eine Sicht der Dinge, wonach gerade die Pandemie gezeigt habe, wie wichtig der öffentliche Dienst sei. Folglich müssten die Arbeitgebenden doch selbst ein Interesse an einem Abschluss haben, der die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sichert. Das ist leider falsch. Denn in den Verhandlungen geht es den Arbeitgebenden vor allem ums liebe Geld und wie sie möglichst wenig davon an ihre Beschäftigten weitergeben müssen. Sie interessiert nur ihr Haushalt. Und wenn wir das ändern wollen, haben wir gerade jetzt viel zu tun und müssen frühzeitig anfangen, unser gemeinsames Vorgehen zu planen. Das ist unsere Aufgabe Ganz konkret geht es dabei zum Beispiel im ersten Teil, der TVöDRunde, darum, einen Zeitraum zu gestalten, der vom 11. Oktober 2022 bis (mindestens) zum 29. März 2023 dauern wird. An diesem Tag endet die dritte der vereinbarten drei Verhandlungsrunden. Wir müssen also Forderungsdiskussion, Forderungsfindung, Demonstrationen, Streiks und Verhandlungsführung – mehr noch als bisher – als eine Aufgabe ansehen, die uns alle betrifft. Wenn wir dieser Aufgabe gerecht werden wollen, werden wir viel kommunizieren müssen. Wir sind auf einem guten Weg, gemeinsammit unserer Bundestarifkommission sowie mit den von den jeweiligen Einkommensrunden betroffenen Fachgewerkschaften unsere Aktionsbereitschaft weiter zu erhöhen. Aber: So wichtig es sein wird, unsere Vorbereitungen gut zu strukturieren, so wird es am Ende doch auch darauf ankommen, dass der einzelne Beschäftigte sich aufmacht und eine Einkommensrunde nicht für ein bloßes Ritual hält, sondern als Gelegenheit, die eigenen Interessen durchzusetzen. Kurz gesagt: Unser Ziel muss sein, Forderung und Durchsetzung einheitlicher zu gestalten. Das ist umso wichtiger, als wir in den nächsten Jahren – der dbb als Dachverband genauso wie alle seine Fachgewerkschaften – vor riesigen Herausforderungen stehen werden. Die Verteilungskämpfe werden zunehmen und es wird nicht für jedes Problem ein sogenanntes Sondervermögen als Lösung geben. Zwischen Flensburg und dem Bodensee Und es sind nicht allein die schwierigen Rahmenbedingungen, von denen ich eingangs sprach, die unsere Arbeit in den nächsten Jahren erschweren. Hinzu kommt, insbesondere im Länderbereich, die Unfähigkeit der Arbeitgebenden und ihres tarifpolitischen Dachverbandes, der TdL, angemessen auf die neue Situation zu reagieren. Das haben wir alle während der zurückliegenden Einkommensrunde gemerkt, als die TdL mit ihrer sturen Politik in Sachen Arbeitsvorgang den Eindruck erweckte, Personal vergraulen zu wollen, obwohl doch sonst allerorten der Personalmangel beklagt wird. Nicht unwahrscheinlich ist, dass die TdL die sogenannte Schuldenbremse als willkommenen Vorwand nutzen wird, um sich einer konstruktiven Tarifpolitik zu verweigern. Aktuell verliert die TdL die Mitgliedschaft der sechs Unikliniken aus Nordrhein-Westfalen. Ursächlich ist die Weigerung, einen Entlastungstarifvertrag zu verhandeln. Dieser massive Substanzverlust ist schlecht für das Prinzip des Flächentarifs. Es könnte jedoch auch ein Beitrag sein, der TdL klarzumachen, dass Aussitzen in dieser dynamischen Zeit kein geeignetes Politikmodell ist. Übrigens: Arbeitsvorgang und Schuldenbremse können auch schon bei der TVöD-Runde eine Rolle spielen. Klar wird aber: Wir brauchen jede einzelne Berufsgruppe und jedes einzelne Mitglied, um unsere Ansprüche geltend zu machen. Die Einkommensrunden 2023 finden in Potsdam statt, entschieden werden sie jedoch zwischen Flensburg und dem Bodensee. In Berlin fand dieser Tage eine konzertierte Aktion der Sozialpartner statt. Im Vorfeld hatten Arbeitgebende schon den nationalen Notstand beschworen und damit eine Einschränkung von Streikmaßnahmen verbunden. Dazu ganz klar: Tarifpolitik findet tarifautonom statt und nicht im Kanzleramt. Ich habe bewusst das große und viel zitierte Wort von der Zeitenwende vermieden, um die aktuelle Situation und unsere Aufgaben zu beschreiben. Klar muss jedoch sein, dass wir nicht vor dem Hintergrund einer Schönwetterfront verhandeln. Mir geht es deshalb in diesem Beitrag und in meiner Arbeit der nächsten Monate darum, für die gemeinsame Aufgabe zu werben. Volker Geyer In den Verhandlungen geht es den Arbeitgebenden vor allem ums liebe Geld und wie sie möglichst wenig davon an ihre Beschäftigten weitergeben müssen. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir frühzeitig anfangen, unser gemeinsames Vorgehen zu planen. Volker Geyer ist stellvertretender Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb. Der Autor © Juergen Loesel/dbb AKTUELL 15
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