NACHRICHTEN Fachkräftegipfel der Bundesregierung Der Staat hat seine Hausaufgaben nicht gemacht Im Vorfeld des „Fachkräftegipfels“ der Bundesregierung hatten ver.di und der dbb darauf hingewiesen, dass Bund, Länder und Kommunen selbst erheblichen Nachholbedarf haben. Es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass die Bundesregierung das Problem des Fachkräftemangels strategisch angehen wolle, erklärten der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 6. September 2022. So müsse etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Gesetzgeber weiter verbessert werden, beispielsweise durch die Einführung von Familienpflegezeit und -geld. Entscheidend seien aber ebenso massive Investitionen in die Stärkung des öffentlichen Dienstes. Ein Schlüssel zur Stärkung der Fachkräftebasis, so die Gewerkschafter, sei etwa die Bildung. In den Kitas, Schulen – insbesondere den Berufsschulen – und Universitäten sei der Fachkräftemangel aber ebenfalls längst bittere Realität. Der Staat müsse daher vor der eigenen Tür kehren: Neben zusätzlichen Stellen würden bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst gebraucht. Dabei geht es nicht nur um die Bezahlung, sondern beispielsweise auch um Ausstattung und Weiterbildungsmöglichkeiten. Von der notwendigen, aber bisher verschlafenen Verwaltungsdigitalisierung ganz zu schweigen. „Wir brauchen eine ‚Verantwortungsgemeinschaft‘ von Bund, Ländern und Sozialpartnern, um ein bundesweit attraktives Aus- und Weiterbildungssystem zugunsten von Kitas und Schulen zu schaffen. Mehr noch: Im Gesundheits- und Altenpflegebereich lässt sich der Fachkräftemangel nur mit einer bedarfsgerechten Personalausstattung und einer flächendeckenden Tarifbindung beheben. Und wir brauchen ein Gesamtkonzept für eine duale Ausbildung von Heilberufen“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Ulrich Silberbach betonte: „Wie in so vielen Bereichen haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Es ist lange bekannt, dass uns im öffentlichen Dienst schon heute über 360000 Beschäftigte fehlen. Und der demografische Wandel macht natürlich auch vor der Verwaltung nicht halt: In den kommenden zehn Jahren gehen allein 1,3 Millionen Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand, die ersetzt werden müssen. Bund, Länder und Kommunen gehen diese Probleme aber immer noch zu zögerlich an. Um dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen, hat der Staat also in der Gesetzgebung und in der eigenen Personalpolitik seine Hausaufgaben nicht gemacht.“ ■ Ein starker Rechtsstaat braucht eine starke Justiz Schwindendes Vertrauen in den Rechtsstaat und die Handlungsfähigkeit des Staates hat der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb, Friedhelm Schäfer, auf dem Amtsanwaltstag des Deutschen Amtsanwaltsvereins (DAAV) am 16. September 2022 in Düsseldorf bemängelt. Der Justiz komme als dritter Gewalt im Staat nicht nur eine besondere verfassungsrechtliche Rolle zu, sondern auch eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion. Wenn aber der aktuellen dbb Bürgerbefragung zur Folge zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr an die Handlungsfähigkeit des Staates glaubten, sei das ein besorgniserregender Trend, der die Politik wachrütteln müsse. „Dennoch genießt die Justiz in Deutschland grundsätzlich hohes Ansehen, und unser Rechtssystem gilt in vielen Ländern als vorbildlich“, sagte Schäfer und unterstrich, dass ein starker Rechtsstaat eine starke Justiz brauche. Um diese hohe Qualität aufrechtzuerhalten, bedürfe es eines Dreiklanges aus mehr Personal, einer besseren technischen Ausstattung und eines effizienten Verfahrensrechts. „Darüber hinaus braucht es angesichts erheblicher Personalprobleme und vor allem auch großer Digitalisierungsaufgaben neben Aufgabenkritik und Nachwuchsgewinnung ein umfängliches Investitionspaket für die gesamte Justiz“, umriss Schäfer die Forderungen des dbb. „Dadurch muss vor allem für eine flächendeckende Umsetzung von digitalen Vorhaben in allen Bereichen der Justiz sowie für eine einheitliche Umsetzung der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs gesorgt werden.“ Bislang sei die Bundesregierung die Umsetzung des versprochenen Rechtsstaatspaktes 2.0 schuldig geblieben. „Eine funktionsfähige Rechtspflege ist und bleibt Dreh- und Angelpunkt unseres Rechtsstaates. Darauf sollen unsere Bürgerinnen und Bürger auch weiter vertrauen können.“ Amtsanwälte Model Foto: Colourbox.de 4 AKTUELL dbb magazin | Oktober 2022
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