Fahrlässigkeit hängt vom Einzelfall ab Der Kläger, ein Polizeioberkommissar im Dienst des Landes NRW, sollte dem Dienstherrn 2200 Euro Regress zahlen, weil er im Hof der Polizeiwache ein Dienstfahrzeug beim Rückwärtsfahren beschädigt hatte. Der Dienstherr hatte auf eine grob fahrlässige Verletzung der dem Kläger als Führer des Fahrzeugs obliegenden Sorgfaltspflichten verwiesen. Insbesondere dürfe sich der Fahrzeugführer, auch bei einem neuen Dienstwagen, nicht auf die ordnungsgemäße Funktion der technischen Einparkhilfen verlassen. Der Kläger hatte darauf hingewiesen, während des gesamten Rangiervorgangs in den Innenspiegel geschaut und dabei die gestreifte Mülltonne im Blick gehabt zu haben. Das automatische visuelle und akustische Rückfahrwarnsystem habe jedoch nicht reagiert. Der Dienstherr erließ einen Rückforderungsbescheid, gegen den der Kläger über den gewerkschaftlichen Rechtsschutz des dbb Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhob. Zur Begründung trug er vor, allenfalls leicht fahrlässig gehandelt zu haben. Ein für ihn nicht sichtbarer Vorsprung amMülltonnendeckel habe sich unmittelbar unter der Heckscheibe in den Kofferraumdeckel gedrückt, sodass Spannung auf das Glas entstand, wodurch die Heckscheibe zersprungen sei. Er selbst sei bei dem gesamten Vorgang weniger als Schrittgeschwindigkeit gefahren. Beim Streit um die Verletzung der Sorgfaltspflicht kam das zuständige Verwaltungsgericht zu der Einschätzung, der Kläger habe mit dem Unfall zwar die ihm objektiv obliegende Pflicht zum sorgsamen und pfleglichen Umgang mit ihm von seinem Dienstherrn anvertrauten Sachgütern verletzt. Diese objektive Pflichtverletzung habe der Kläger jedoch nicht schuldhaft im Sinne des § 48 Satz 1 BeamtStG begangen. Das für einen Schadensersatzanspruch notwendige Verschulden in Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit konnte das Verwaltungsgericht nicht feststellen. Dem Kläger seien der Parkplatz und die im rückwärtigen Bereich aufgestellten Mülltonnen seit Langem bekannt gewesen, sodass er nicht verpflichtet gewesen sei, sich vor dem Einparkvorgang besonders sorgfältig mit der Örtlichkeit vertraut zu machen. Auch sei der Parkplatz hinreichend ausgeleuchtet gewesen und die betreffende Parklücke zudem nicht extrem unübersichtlich oder eng. Nachdem auch keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger mit unangemessener Geschwindigkeit gefahren sei, und sich auch das Verzichten auf eine Einweisung durch eine Beifahrerin zwar als pflichtwidrig, aber nicht als außerordentlich schwere Sorgfaltspflichtverletzung darstellte, gab das Verwaltungsgericht dem Kläger recht und hob den Regressbescheid auf (VG Köln, Urteil vom 4. August 2022, 19 K 5339/20). Festzuhalten bleibt, dass auch angesichts der in der Verwaltungsgerichtsbarkeit durchgängig anerkannten Definition einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schadensverursachung stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. ■ FALL DES MONATS Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5599. Internet: www.dbb.de. E-Mail: magazin@dbb.de. Leitende Redakteurin: Christine Bonath (cri). Redaktion: Jan Brenner (br). Mitarbeit: Steffen Beck (sb), Michael Eufinger (ef), Britta Ibald (iba), Dahlia Owusu (ows) und Birgit Strahlendorff (bas). Redaktionsschluss am 10. jeden Monats. Namensbeiträge stellen in jedem Falle nur die Meinung des Verfassers dar. Titelbild: Maksim Shmeljov/Colourbox.de Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift für Beamte, Angestellte und Arbeiter erscheint zehnmal im Jahr. 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Im „Fall des Monats“ gewährt das dbb magazin Einblick in deren Arbeit. dbb Dienstleistungszentren SERVICE 41 dbb magazin | Oktober 2022
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