Demografischer Wandel im öffentlichen Dienst Maßnahmen gegen den Personalmangel 360 000 Beschäftigte fehlen aktuell im öffentlichen Dienst. Den größten Bedarf haben derzeit die Kommunalverwaltungen und der Gesundheitsbereich. Bis 2030 steigt diese Lücke auf eine Million Beschäftigte bei Bund, Ländern und Kommunen. Das sind ungefähr so viele Beschäftigte, wie die Stadt Köln Einwohner hat. Wenn Zahlen sehr groß sind, wirken sie abstrakt. Dennoch spüren Bürgerinnen und Bürger die Lücke: Bürgeramtstermine müssen Monate im Voraus gebucht werden, in den Schulen fehlen Lehrende und in den Kitas Erziehende, Genehmigungsverfahren laufen schleppend und bei den Gerichten bewegt sich manchmal gar nichts. Das ist nicht nur lästig, sondern bedroht auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Investitionen stauen sich und Fortschritt, Bildung und Forschung treten auf der Stelle. Doch es gibt Möglichkeiten zum Gegensteuern. Viele Entgelte im öffentlichen Dienst sind zum Beispiel nicht mehr konkurrenzfähig. Die Rechnung „Geld zu Arbeitszeit“ geht für viele Bewerber nicht mehr auf. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum es kein Sondervermögen für den öffentlichen Dienst gibt. Aber auch bei den sogenannten „weichen Faktoren“ gibt es Nachholbedarf. Wird zum Beispiel mehr Wertschätzung gefordert, mangelt es im Umkehrschluss an der Führungskultur im öffentlichen Dienst. Dafür müssen Führungskräfte gezielt geschult werden. Quereinstiege erleichtern Der öffentliche Dienst braucht darüber hinaus mehr Quereinstiege aus der Privatwirtschaft. Dazu müssen formelle Hürden abgebaut werden, die Qualifikation für die Tätigkeit muss in den Vordergrund treten. Im Zuge der Digitalisierung muss der öffentliche Dienst eine Qualifizierungsoffensive starten, bei der die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt berücksichtigt werden. Eigenverantwortliches, flexibleres Arbeiten muss gefördert werden. Diese Emanzipation der Mitarbeiter kann nicht ohne Weiterbildung erfolgen. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sich damit Karrieremöglichkeiten verbessern und die Attraktivität des öffentlichen Dienstes steigt. Einfachste Tätigkeiten müssen so weit wie möglich automatisiert und digitalisiert werden. So wird mehr Personal für komplexe Sachverhalte und den Dienst amMenschen frei. Hier sind andere Länder in der Europäischen Union schon weiter und bieten ihren Bürgerinnen und Bürgern erweiterte Services und vereinfachten digitalen Zugang ohne persönliche Vorsprache im Amt. In Deutschland gleicht die Verwaltungsdigitalisierung dagegen einem Flickenteppich. Ohne Investitionen in den und Innovation für den öffentlichen Dienst wird Deutschland existenzielle Zukunftsaufgaben nicht adäquat bewältigen können. Mit zu wenig Personal sind ein Übermaß an Bürokratie, Vorschriften und komplexen Verfahren kontraproduktiv. Schon jetzt gibt es viele Verwaltungsvorschriften, die aufgrund von Personalmangel nicht vollzogen werden können. Das schafft Politikverdrossenheit, denn in der Konsequenz bedeutet das, dass die Politik die Ausgestaltung staatlicher Aufgaben einerseits und die Gesellschaft die Forderung an den Staat andererseits auf das notwendige, erfüllbare Maß zurückführen soll. Ziel muss daher eine neue Verantwortungsteilung zwischen Staat, Gesellschaft und Unternehmen sein. Anreizsysteme schaffen Die Zahl der Beschäftigten mit Migrationshintergrund ist im Vergleich zur Privatwirtschaft unterdurchschnittlich. Zudem ist dieser Personenkreis überdurchschnittlich häufig in befristeten Beschäftigungsverhältnissen tätig. Es fällt auf, dass konkrete Rekrutierungsvorhaben im Ausland für den öffentlichen Sektor dennoch fehlen. Der dbb macht bei diesen Themen Druck. Daher forderte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach von Bund und Ländern am 18. August 2022 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung konkrete Maßnahmen: „Zwei Dinge sind sehr wichtig: Zum einen brauchen wir endlich eine langfristige Personalplanung in der Verwaltung, die den demografischen Wandel berücksichtigt. Wir müssen schon jetzt Stellen schaffen, um zukünftige Generationen auf die anstehenden Aufgaben vorzubereiten. Zum anderen müssen wir den öffentlichen Dienst durch Anreizsysteme attraktiver machen.“ Der dbb wolle schon lange eine echte Qualifizierungsoffensive und eine leistungsgerechte Bezahlung. „Wer sich weiterbildet, soll mehr bekommen“, so Silberbach. ■ Foto: Colourbox.de AKTUELL 5 dbb magazin | Oktober 2022
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