dbb magazin 11/2022

nung im ambulanten Bereich, finanzielle Unterstützungsmaßnahmen für Anschaffungen technischer Ausrüstung bis hin zu den Ansprüchen der Pflegebedürftigen auf Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen“. Pflegemodell der Zukunft: „stambulant“ Kaspar Pfister, Gründer und Geschäftsführer der BeneVit-Gruppe, stellte mit seinemWohngruppenkonzept ein Modell für die Zukunft der Pflege vor. Schon heute seien Pflegebedürftige, Angehörige und Fachkräfte mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die sich durch den demografischen Wandel noch verstärken würden, betonte er. „Es braucht jetzt eine grundlegende Reform, um die Altenpflege zukunftssicher zu machen“, forderte Pfister. In seiner Wohngruppe leben bis zu 14 Pflegebedürftige in einer Wohngemeinschaft zusammen. Anders als in der üblichen stationären Pflege werden die Bewohnerinnen und Bewohner dazu ermutigt, aktiv und selbstbestimmt den Alltag mitzugestalten. Die Normalität des Alltags und das Führen des Haushalts sollen als therapeutische Maßnahmen dabei helfen, die Lebens- sowie Ergebnisqualität und somit den Zustand der Pflegebedürftigen zu verbessern. Pfister bezeichnet sein Modell als „stambulant“ – eine Fusion aus stationärer und ambulanter Pflege. So gelte beispielsweise auf der einen Seite das ambulante Leistungsrecht, auf der anderen Seite erfolge die Qualitätssicherung mit einer 24-Stunden-Fachkraft und der baulichen Infrastruktur stationär. Pflegeausbildung bringt neues Berufsverständnis Einen Einblick in die generalistische Pflegeausbildung gab die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, Annemarie Fajardo. Seit 1. Januar 2020 gilt das entsprechende Gesetz, das die vorherige Dreiteilung in Alten-, Kinder- und Allgemeine Krankenpflege aufhebt. Seither gibt es eine gemeinsame, mindestens zweijährige Grundausbildung, der eine Spezialisierung auf die genannten Bereiche folgen kann, aber nicht muss. Damit einher gingen ein Paradigmenwechsel und ein neues Berufsverständnis, da die pflegerische Tätigkeit nunmehr unabhängig(er) von bestimmten Szenarien („Settings“) wie beispielsweise Heim, Krankenhaus, Kurzzeitpflege oder Tagespflege ist. Zu den positiven Aspekten dieser Ausbildungsreform zählte die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates insbesondere den Wegfall des Schulgeldes sowie die Einführung einer „angemessenen Ausbildungsvergütung“. Zudem werde die generalistische Ausbildung in der gesamten Europäischen Union anerkannt und bedeute insgesamt eine Annäherung an internationale Pflegeberufstandards. Gerade in der Abgrenzung zu ärztlichen Tätigkeiten seien Pflegeberufe international nämlich deutlich verantwortungsvoller und entsprechend angesehen. Wert legte Fajardo auf die Feststellung, dass die weitere Akademisierung von Pflegeberufen, etwa durch das mögliche Pflegestudiummit Bachelorabschluss, nicht zu einer „Wegqualifizierung“ aus der Praxis führe. Sorge bereitet Fajardo die weitere Entwicklung des Berufsfeldes, weil es immer noch keine Selbstverwaltung der Pflegekräfte gebe. Auch der Deutsche Pflegerat vertrete weiterhin nur etwa fünf Prozent der Beschäftigten. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, Möglichkeiten für eine organisierte fachliche Vertretung zu schaffen. Pflege braucht integrativen Diskurs Den Stand der Digitalisierung in der Pflege und deren soziokulturellen Kontext umriss Prof. Dr. phil. Manfred Hülsken-Giesler, Direktor des Instituts für Gesundheitsforschung und Bildung an der Universität Osnabrück. Dabei sei es besonders wichtig, „nicht zuerst über Digitalisierung zu reden, sondern über Pflege, und die technologischen Möglichkeiten als Anlass zu betrachten, Pflege und deren Kontext gesellschaftlich ins Gespräch zu bringen“. Die konzeptionellen Probleme der aktuellen Pflegelandschaft sah der Wissenschaftler „irgendwo zwischen der Alltagshilfe und der professionellen Dienstleistung“, wobei die Diskussion stets zwischen den Lebenswelten der Menschen sowie der Organisation und der Finanzierung von Pflege mit all ihren Gesetzen und sozialen Aspekten changiere. Obwohl in der Pflege „in den vergangenen 30 Jahren eine Sau nach der anderen durchs Dorf gejagt worden ist, hat es trotz der hohen Diffusität der politischen Debatte durchaus positive Entwicklungen gegeben“, stellte Hülsken-Giesler fest und machte drei aktuelle Trends in der Pflege aus: Professionalisierung und Ausdifferenzierung der Pflegeberufe, wobei es an Infrastrukturen mangele, die finanziert werden müssten. Etablierung von Sorgegemeinschaften und Hilfe-Mix-Strukturen, denen es bisher an neuen Modellen mangele. Digitalisierung der Berufs- und Alltagswelten, was nur in Kombination mit den beiden anderen Trends funktioniere. Im Ganzen betrachtet fehlten Diskurse, die in der Lage sind, diese drei Innovationen zu integrieren. Als mögliche künftige Technologien und Infrastrukturen nannte Hülsken-Giesler Prozessautomation, Telemedizin, technische Assistenzsysteme und Apps sowie „Big Data“ und Robotik. An all diese Technologien müssten theoretische und praktische Bewertungsmaßstäbe angelegt werden, um deren gesellschaftliche Akzeptanz ebenso zu evaluieren wie ihre Wirtschaftlichkeit. Zum Beispiel dienten derzeit mehr als 80 Prozent aller in der Pflege einsetzbaren Technologien der Steuerung und Verwaltung von Pflege. „Das ist eine deutliche Schlagseite, denn in der praktischen Pflegearbeit selbst gibt es bisher kaum Technologie.“ Eckpunkte zukunftssicherer Pflege diskutiert In einer abschließenden Gesprächsrunde tarierten dbb SeniorenChef Horst Günther Klitzing, Brigitte Bührlen, Vorsitzende von 34 INTERN dbb magazin | November 2022

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