Ulrich Silberbach: Krisenbewältigung funktioniert nur mit starkem öffentlichen Dienst dbb Chef Ulrich Silberbach forderte in seiner Grundsatzrede auf dem Gewerkschaftstag eine Kehrtwende in der Finanz- und Personalausstattung des öffentlichen Dienstes. Ins Unsichere sind wir gerade alle gemeinsam unterwegs. Kostenexplosion, Coronakrise, Krieg und Klimawandel: Das Land, ja die ganze Welt, hat mit vielen parallelen Krisen zu kämpfen. Gleichzeitig hält nur noch ein Drittel der Bevölkerung den Staat für handlungsfähig, das hat unsere dbb Bürgerbefragung im Herbst gezeigt. Das ist gefährlich. Am langen Ende für die Demokratie selbst“, sagte der dbb Bundesvorsitzende am 29. November 2022. Das erste Jahr der Ampelkoalition sei für die Beschäftigten enttäuschend gewesen, weil in wichtigen Bereichen wie Bezahlung, Digitalisierung oder Fachkräftegewinnung keine nennenswerten Fortschritte erzielt worden seien. „Diese Probleme im öffentlichen Dienst sind nicht vom Himmel gefallen, sie beschäftigen uns schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Aber in Krisenzeiten rächen sie sich doppelt und dreifach. Deutschland hat aktuell nur eine Schönwetterdaseinsfürsorge. Wir brauchen eine Kehrtwende in der Finanz- und Personalausstattung des öffentlichen Dienstes.“ Am Beispiel des Kampfes gegen den Klimawandel und der Bewältigung seiner Folgen machte Silberbach die Probleme des öffentlichen Dienstes deutlich. Auch hier nahm er die Regierungen von Bund und Ländern in die Pflicht, der Staat müsse eine Vorbildfunktion einnehmen: „Nur ein Beispiel: Immer schärfer werden die Energiesparvorgaben für Wirtschaft und Bevölkerung. Politik will dem Häuslebauer die Photovoltaikanlage auf dem Dach und das E-Auto in der Garage vorschreiben und reguliert in manchen Ländern sogar die Gestaltung der Vorgärten. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Das kann man alles diskutieren, vieles mag auch sinnvoll sein. Aber von Parteien, die wahlweise die Eigenverantwortung oder den Umweltschutz hochhalten, möchten die Bürgerinnen und Bürger dann doch auch erfahren: Was macht eigentlich der Staat? Warum sitzt unsere Polizei in zugigen Revieren? Und warum pfeift unseren Kindern jetzt gerade in diesemMoment der kalte Novemberwind durch kaputte Schulfenster um die Ohren? Wenn Politik es ernst meint mit dem Klimaschutz, dann gehört jedes öffentliche Gebäude saniert. Eine Photovoltaikanlage aufs Dach. Und die Fahrzeugflotte jeder Behörde klimaneutral modernisiert. Sie wollen weniger Verkehrsemission? Dann schieben sie sich bei der Organisation eines attraktiven und bezahlbaren ÖPNV nicht immer gegenseitig die Verantwortung zu. Das ist unerträglich und grenzt schon an Arbeitsverweigerung. Und lassen Sie doch endlich die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, wo immer es möglich und von ihnen gewünscht ist, im Homeoffice arbeiten. So und nicht anders geht Vorbildfunktion.“ Es stehe außer Frage, betonte der Kanzler, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei der Gestaltung der Zukunftsaufgaben auf die richtigen Rahmendbedingungen und politische Unterstützung angewiesen seien. „Beides will ich Ihnen heute zusagen“, versprach Scholz und sicherte sowohl mit Blick auf die amtsangemessene Alimentation und leistungsgerechte Bezahlung als auch in Sachen Digitalisierung der Verwaltung Verbesserungen zu: „Leistung und Anstrengung müssen sich lohnen, das gilt insbesondere für die, die ihre Arbeitskraft in den Dienst der Allgemeinheit stellen.“ Der Kanzler forderte eine „Selbstverpflichtung der Politik: Gesetzgebung und Verwaltung dürften nicht auseinanderfallen, „wir hören auf diejenigen, die die Regelungen nachher umsetzen müssen“. Der Regierungschef bekannte sich zudem klar für eine Attraktivierung des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber. Man habe zwar mittlerweile zusätzliche Stellen geschaffen, um dem Personalmangel entgegenzuwirken, „aber diese Stellen müssen jetzt auch mit guten Köpfen besetzt werden können“, sagte Scholz. Dies gelänge nur mit einer wettbewerbsfähigen Bezahlung und attraktiven Arbeitsbedingungen wie modernen digitalen Abläufen, Homeoffice, Qualifizierungs- und Aufstiegsperspektiven. Scholz appellierte im Zusammenhang mit der Nachwuchsgewinnung an Klimaaktivistinnen und -aktivisten: „Wer sich für den Klimaschutz einsetzen will, muss sich dafür nicht auf Start- und Landebahnen von Flughäfen festkleben, sondern kann im öffentlichen Dienst viel mehr voranbringen.“ ■ „Leistung und Anstrengung müssen sich lohnen, das gilt insbesondere für die, die ihre Arbeitskraft in den Dienst der Allgemeinheit stellen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz © Marco Urban FOKUS 17 dbb magazin | Dezember 2022
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