dbb magazin 3/2023

Fachkräftemangel Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr Der öffentliche Dienst leidet unter einemmassiven Fachkräftemangel, besonders im IT-Bereich. Bereits heute fehlen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene rund 39 000 Fachkräfte in Informatik- und IT-Berufen. In den kommenden Jahren wird sich die Situation zuspitzen: Hochgerechnet auf die Personallücke im Jahr 2030 fehlen dem öffentlichen Dienst dann rund 140 000 IT-Fachkräfte. Insgesamt wird die Lücke an Vollzeitfachkräften im öffentlichen Dienst bei 840 000 liegen. Das geht aus aktuellen Zahlen hervor, die die weltweit tätige Unternehmensberatung McKinsey & Company Ende Januar 2023 in ihrer Studie „Action, bitte! Wie der öffentliche Sektor den Mangel an digitalen Fachkräften meistern kann“ veröffentlicht hat. Demnach sind aktuell etwa 360000 Stellen nicht besetzt. Der Hauptgrund für den sich verschärfenden Engpass ist, dass bis 2030 über 1,5 Millionen Personen aus Altersgründen aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Das entspricht rund einemDrittel der rund fünf Millionen Beschäftigten. „Der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst verschärft sich. Dass vor allem in den digitalen Berufen Personal fehlt, ist insbesondere mit Blick auf die so wichtige Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung eine große Herausforderung“, sagt Björn Münstermann, Senior Partner und Leiter der Beratung des Öffentlichen Sektors bei McKinsey sowie einer der Autoren der Studie. „Indem sie Neueinstellungen beschleunigen, Weiterbildungsangebote ausbauen und flexiblere Arbeitsmodelle ermöglichen, können Arbeitgeber im öffentlichen Dienst aber viel tun, um digitale Fachkräfte zu gewinnen, zu entwickeln sowie zu binden, und so die Personallücke verringern.“ Schneller einstellen und Digitalkompetenz aufbauen Ein wichtiges Instrument, um die Lücke an digitalen Fachkräften zu verkleinern, seien Neueinstellungen von Absolventinnen und Absolventen, Berufserfahrenen oder Quereinsteigern. Die spezialisierten IT-Studiengänge brächten aber jährlich nur rund 26000 Absolventen hervor. Aktuell arbeiteten lediglich drei Prozent der sozialversicherungspflichtigen IT-Fachkräfte im öffentlichen Sektor. Bleibe es bei dieser Quote, würde der öffentliche Sektor pro Jahr gerade einmal rund 800 Personen gewinnen. Erschwerend komme hinzu, dass auch in der Privatwirtschaft der Bedarf an Fähigkeiten im Bereich Datenanalyse, künstlicher Intelligenz, Softwareentwicklung, IT-Architektur oder Cloud-Diensten steige. Gleichzeitig geht dem öffentlichen Sektor den Ergebnissen der Studie zufolge auch digitale Kompetenz verloren. Denn unter den Mitarbeitenden, die bis 2030 die Altersgrenze erreichen und ausscheiden, sind auch zahlreiche Digital-Fachkräfte. Damit rückt die Beschleunigung der Einstellungsverfahren sowie die Weiterbildung der Mitarbeitenden in den Fokus. „Der öffentliche Dienst nimmt insbesondere in unsicheren Zeiten für viele Menschen an Attraktivität als Arbeitgeber zu. Auch seine wichtige Bedeutung wird angesichts der vielen gesellschaftlichen Herausforderungen besonders deutlich wahrgenommen. Davon kann der öffentliche Dienst bei Neueinstellungen profitieren“, sagt Julia Klier, Partnerin bei McKinsey und Co-Autorin der Studie. „Zugleich müssen sich die Weiterbildungsangebote sowohl für Führungskräfte als auch Mitarbeitende stärker auf digitale Fähigkeiten wie Innovationskompetenz, digitale Kollaboration, agiles Arbeiten oder Data Analytics fokussieren.“ Best-Practice-Austausch forcieren Einzelne Behörden haben der Studie zufolge bereits Best Practices etabliert, um Digital-Fachkräfte zu gewinnen, zu entwickeln und langfristig an sich zu binden. „Es gibt einige Best Practices wie ressortübergreifende Innovations- und Flexi-Teams, die vielversprechend sind, ummehr IT-Talente anzuziehen. Um den Fachkräftemangel wirklich zu beheben, muss sich aber auch das Thema strategische Personalplanung im öffentlichen Sektor stärker etablieren“, sagt Julian Kirchherr, Partner bei McKinsey und ebenfalls Co-Autor der Studie. „Wenn der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst in Deutschland nicht entschieden angegangen wird, wird Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit weiter abnehmen. Ein starker öffentlicher Sektor ist ein echter Standortvorteil im internationalen Wettbewerb.“ dbb Chef Ulrich Silberbach zeigte sich angesichts dieser Prophezeiungen frustriert. „Vor diesem dramatischen Fachkräftemangel, nicht nur im IT-Bereich, warnen wir nun bereits seit einer Ewigkeit“, sagte Silberbach dem „Handelsblatt“, das die Studie zuerst vorgestellt hatte, am 25. Januar 2023. Die bisher getroffenen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes reichten nicht aus. Es brauche dringend bessere Einkommen und attraktivere Arbeitsbedingungen etwa bei „Selbstverständlichkeiten wie mobilem Arbeiten und moderner Hardware“. Darüber hinaus seien flexiblere Arbeitsmodelle notwendig, um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Silberbach warnt: „Wenn junge IT-Fachkräfte mitbekommen, wie Digitalisierungsprojekte des Staates immer wieder wegen Kompetenzgerangels und verkrusteter Strukturen scheitern, werden sie sich nicht für den öffentlichen Dienst entscheiden.“ ■ Foto: alwie99d/Colourbox.de FOKUS 15 dbb magazin | März 2023

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