dbb magazin 4/2023

INTERVIEW Manne Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration in BadenWürttemberg und Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) Versorgungsstrukturen müssen sich an den Bedürfnissen der nächsten Generation orientieren Mindestens 200 000 Pflegekräfte fehlen derzeit in Kliniken und Heimen. Gleichzeitig kamen 2021 auf 27 000 Jobangebote nur 9 000 qualifizierte Bewerbungen. Für Beschäftigte und Patienten sind die Zustände kaum noch tragbar. Kann dieser Gordische Knoten überhaupt noch durchschlagen werden? Die Zahl der Pflegekräfte konnte in den vergangenen Jahren zwar erhöht werden, das reicht aber noch nicht. Ich warne allerdings davor, die Pflege ständig nur schlechtzureden. Das heißt nicht, dass die Probleme nicht klar angesprochen werden sollen. Ich bin selbst ausgebildeter Krankenpfleger und habe auch in meiner Ausbildung beim besten Willen nicht nur gute Momente erlebt. Um junge Menschen zu gewinnen, müssen wir den Beruf noch stärker in seiner Vielfalt und Attraktivität bekannt machen – und die Bezahlung muss stimmen. Erst imMärz haben wir in BadenWürttemberg beispielsweise einen Ideenwettbewerb durchgeführt und tolle, kreative Initiativen ausgezeichnet, wie wir ausgestiegene Pflegekräfte wieder in den Beruf zurückholen und Arbeitsbedingungen verbessern können. Da waren von der an den Pflegedienst angeschlossenen Kita bis hin zum Schichtplan per Algorithmus eine Menge spannende Ideen dabei. Auch das ist Pflege. Nur wer selbst von seinem Beruf begeistert ist, kann auch andere dafür gewinnen. Bund, Länder, Kommunen und die Pflegeselbstverwaltung sollten in diesem Geist noch stärker zusammenarbeiten. Die bundesweite Kampagne „Pflege kann was“ ist deshalb ebenso wichtig wie die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung. Die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen ist ebenfalls problematisch. Ältere und Menschen mit Behinderung sind besonders von langen Wegen und lückenhafter Versorgung betroffen. Können Anreizsysteme helfen, mehr Ärzte aufs Land zu locken? Auch Baden-Württemberg ist von lokalen Versorgungsengpässen betroffen. Dies gilt vor allem für Haus- und Kinderärzte. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte ist in den letzten Jahren zwar stabil geblieben, durch die Zunahme von Anstellungen – 38,5 Stunden Arbeitszeit pro Woche und Teilzeittätigkeiten – sind die Ressourcen dennoch zurückgegangen. Finanzielle Anreize können der Entwicklung ein Stück weit entgegenwirken. Im Zuge unseres Förderprogramms „Landärzte“ Eine Krankenhausreform ist dringend notwendig. © Jan Potente/Sozialministerium Baden-Württemberg 12 FOKUS dbb magazin | April 2023

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