dbb magazin 4/2023

Suche komplett ausgeklammert. Diese Personengruppe ist in einem überdurchschnittlichen Ausmaß arbeitslos und es entstehen volkswirtschaftliche Kosten. Daraus ergibt sich also ein doppelter Schaden für die Wirtschaft.“ Blockaden in den Köpfen lösen Viele dächten, Inklusion beträfe sie nicht, weil keine Person mit Behinderung in ihrem Umfeld oder Unternehmen sei. Dies entpuppe sich bei näherem Hinsehen als ein weitverbreiteter Irrglaube. Studien hätten gezeigt, dass zwei Prozent der Belegschaft in jedem Großunternehmen jedes Jahr eine Behinderung erwerben, so Demblin über die Situation. „Gerade Personen mit offensichtlicher Behinderung werden von Unternehmen und Personalverantwortlichen von vornherein als weniger leistungsfähig eingestuft. Arbeitgeber gehen davon aus, dass höhere Krankenstände zu erwarten sind. Sie haben Angst vor allen möglichen gesetzlichen Regelungen und sind generell unsicher, wie sie richtig mit ebenjenen Personen sprechen und umgehen sollen“, sagt Demblin über die Unternehmen, die er nicht nur in Österreich, von wo aus myAbility operiert, sondern auch in Deutschland und der Schweiz zu Inklusionsfragen berät. Gründe, warum Unternehmen die Einstellung Behinderter vermieden, gibt es viele. Monster.de listet einige auf. So sei mitunter der bürokratische Aufwand hinderlich: In manchen Landkreisen redeten bis zu acht Ämter mit, wenn ein Unternehmen eine behinderte Person einstellen wolle. Die größten Hürden befänden sich aber in den Köpfen der Personalverantwortlichen. Es herrsche auch im 21. Jahrhundert eine immense Unsicherheit im Umgang mit behinderten Menschen: darüber, wie mit einer behinderten Angestellten zu sprechen sei, wie man mit einem Kollegen umgehen solle, der Assistenz benötigte, oder auch wie die eigenen Kunden auf den Kollegen oder die Kollegin reagieren könnten. Hinzu komme, dass viele Arbeitgeber schlicht glauben, dass behinderte Beschäftigte weniger belastbar und leistungsfähig seien. Doch nicht nur in Österreich, auch in Deutschland gibt es Aktivisten, die diese Situation ändern, Mythen und Ängste abbauen wollen. So das in den Stadtstaaten Berlin und Bremen aktive Projekt Inklupreneur, das Unternehmen auf ihremWeg zu einer inklusiven Arbeitskultur unterstützt und so hilft, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Neben einem Talentpool für Menschen mit Behinderung in der Bewerbungsphase bietet das Projekt auch Beratung und Hilfestellung für potenzielle Arbeitgeber. Durch die Vernetzung mit bereits inklusiv agierenden Unternehmen sollen „Neulinge“ in einen regen Erfahrungsaustausch eingebunden werden. Inklupreneur berät und hilft beim Aufbau einer inklusiven Unternehmenskultur und erarbeitet gemeinsammit dem Unternehmen ein passendes Inklusionskonzept. Für die Initiatoren geht es darum, den Unternehmen Wege zu zeigen, wie sie einen Mehrwert für den Betrieb und alle darin Beschäftigten schaffen sowie darüber hinaus mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen können, dass Inklusion einfach möglich sei. Zentral dafür ist die „Jobcarving“ genannte Betrachtung der Stellenprofile. Können Aufgaben, die immer wieder liegen bleiben und weder akademische Qualifikation noch andere Vorkenntnisse benötigen, nicht umgeschichtet und vielleicht Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten übertragen werden? Fachpersonal kann so mehr Raum für die Kerntätigkeiten gewinnen und vielleicht sogar Überstunden vermeiden. Bei dieser Umstrukturierung weg von Zuständigkeiten hin zu Tätigkeiten werden die Unternehmen von Jobcoaches und Mentorinnen unterstützt, die mitunter eigene Erfahrungen als Schwerbehinderte in der Arbeitswelt in die Beratung einbringen können. Hemmungen abbauen, Türen öffnen Ziel ist es letztlich, Hemmungen abzubauen und neue Türen zu öffnen. Inklusion bedeutet dabei nicht, einen Schutzraum für Behinderte zu schaffen, sondern ihnen einen Freiraum zu eröffnen, getreu dem – wohl zu Unrecht Albert Einstein zugeschriebenen – Motto: „Jeder ist begabt! Aber wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“ Die Leistung ist für die Unternehmen nicht nur kostenlos, Inklupreneur wird als Modellvorhaben seit dem Start im April 2021 über staatliche Mittel gefördert. Letztendlich sparen die Firmen Geld: Unternehmen mit über 20 Beschäftigten müssten Ausgleichszahlungen leisten, wenn sie keine Behinderten einstellen. Allein das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin (LAGeSo) sammelte dadurch im Jahr 2021 knapp 50 Millionen Euro ein. Ob Start-ups oder Großunternehmen: Viel zu oft zahlen Firmen lieber, als sich mit Inklusionsamt, Agentur für Arbeit, Dienststellen für Arbeitssicherheit, Versicherungen und den Integrationsfachdiensten auseinanderzusetzen. Und die IHKs, bei denen es Inklusionsberatungen gebe, sprächen nicht die gleiche Sprache wie die Gründer, erklärt Nils Dreyer, Leiter der gemeinnützigen Organisation Hilfswerft, die mit dem Projekt Inklupreneur Menschen mit Behinderung bei Start-ups in Arbeit bringen will, im Jahr 2022 in einem Interview mit demMagazin Gründerszene. Der Fokus des Projektes Inklupreneur liegt jedoch nicht auf den Defiziten: „Wir wollen gemeinsam für eine neue, offene Arbeitskultur einstehen. Inklusion nicht nur belobigen, sondern wirklich verstehen und umsetzten“, heißt es auf ihrer Website. Wie das tatsächlich gelingen kann, schildern Betroffene in ihren „Erfolgsgeschichten“ auf dem Inklupreneur-Blog: inklupreneur.de/blog/. ada „Jeder ist begabt! Aber wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.” Model Foto: Colourbox.de FOKUS 19 dbb magazin | April 2023

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