EINKOMMENSPOLITIK Auf fünf Jahre gerechnet erweist sich das einmalige Inflationsgeld als Verlustgeschäft. Reinhard Bispinck Model Foto: Colourbox.de Inflationsprämien Einkommensverlust für Beschäftigte Steuerfreie Inflationsausgleichsprämien erscheinen auf den ersten Blick als willkommene Verbesserung der Einkommenssituation. Als Ersatz für lineare Einkommenssteigerungen bedeuten sie jedoch dauerhaften Einkommensverlust für Beschäftigte. Das ist das Ergebnis einer Vergleichsrechnung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Seit 26. Oktober 2022 können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Beschäftigten einen steuer- und abgabenfreien Betrag von bis zu 3000 Euro gewähren. Das sieht die sogenannte Inflationsausgleichsprämie vor, die Teil des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung vom 3. September 2022 ist. „Der Bund ist bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien“, heißt es in Punkt zehn des Beschlusses. Die Prämie kann bis Ende 2024 steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt werden. Reinhard Bispinck, ehemaliger Leiter des WSI-Tarifarchivs, hat nachgerechnet und ist, was die langfristigen Auswirkungen der Ausgleichsprämie betrifft, zu problematischen Ergebnissen gekommen. Seit Mitte 2021 seien die Verbraucherpreise sprunghaft gestiegen und hätten im Oktober 2022 eine Steigerungsrate von über zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat erreicht, schreibt er in seiner imMärz 2023 veröffentlichten Analyse „Inflationsausgleichsprämie oder Tariferhöhung“. Demnach stieg die Inflationsrate von 0,5 Prozent im Jahr 2020 über 3,1 Prozent im Jahr 2021 auf 7,9 Prozent im Jahr 2022. Für das laufende Jahr werde mit einer Steigerung zwischen gut fünf und acht Prozent gerechnet. Die Entwicklung der Tarifvergütungen sei dagegen 2021 und vor allem 2022 hinter der Preisentwicklung zurückgeblieben. „Für die Beschäftigten ist ein solches Inflationsgeld auf den ersten Blick ohne Zweifel hochattraktiv. Auch die Arbeitgeber profitieren, da sie den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen müssen. Mittlerweile wurde das Inflationsgeld in vielen Tarifabschlüssen genutzt. Zumeist werden darin die Zahlung des Inflationsgeldes in zwei Teilbeträgen und dazu auch eine dauerhafte, tabellenwirksame Tariferhöhung vereinbart“, so Bispinck. Offen bleibe die Frage, welche Risiken und Nebenwirkungen mit diesem Instrument verbunden seien. „Nicht umsonst sind die Gewerkschaften in der Regel bei der Vereinbarung von Einmalzahlungen zurückhaltend, denn sie gehen – wie der Name bereits sagt – nicht in die tariflichen Entgelttabellen ein, ihre Wirkung bleibt daher zeitlich begrenzt. Bei der Vereinbarung von Einmalzahlungen auch in der Form eines Inflationsgeldes ist natürlich davon auszugehen, dass ihre Zahlung zulasten des Volumens der dauerhaften Tariferhöhung geht.“ Die Beispielberechnung untermauert diese These: Für einen fiktiven Tarifabschluss mit einer Dauer von zwei Jahren (1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2024) werden in der Analyse zwei Alternativen durchgerechnet: In Variante eins wird im ersten Jahr (2023) zusätzlich zum vorgegebenen tariflichen Bruttojahresverdienst von 48000 Euro ein steuer- und sozialversicherungsfreies Inflationsgeld von 3000 Euro gezahlt. Im zweiten Jahr (2024) wird eine Tarifanhebung von vier Prozent gezahlt. In Variante zwei wird im ersten und zweiten Jahr jeweils eine Tarifanhebung von vier Prozent vereinbart. Ein Inflationsgeld wird nicht gezahlt. In beiden Varianten wird für die folgenden drei Jahren (2025 bis 2027) eine Anhebung der Tarifentgelte um jeweils vier Prozent unterstellt. In der Bruttoberechnung liegt der Jahresverdienst im ersten Jahr des Abschlusses mit 51000 Euro (48000 Euro plus 3000 Euro Inflationsgeld) um 1080 Euro über dem der Variante zwei mit 49920 Euro (48000 Euro plus Tarifsteigerung von vier Prozent). Im Jahr 2024 liegt dagegen der Bruttojahresverdienst der Variante eins mit 49920 Euro um 1997 Euro unter dem der Variante zwei mit 51917 Euro. 22 FOKUS dbb magazin | April 2023
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