ONLINE Mit hohen Erwartungen und Ambitionen wurde das Onlinezugangsgesetz im Jahr 2017 verabschiedet. Bis Ende 2022 sollten Bürgerinnen, Bürgern und Wirtschaft in ganz Deutschland 575 Verwaltungsdienstleistungen vollständig digital und flächendeckend zur Verfügung stehen. Die Ummeldung des Wohnsitzes, Anträge für das Elterngeld oder einen neuen Führerschein – alles sollte bequem von zu Hause aus zu erledigen sein. In die Praxis geschafft hat es davon bislang so gut wie nichts. Viel Geld wurde investiert, neue Strukturen wurden geschaffen, die 575 Verwaltungsleistungen in 14 Themenfelder aufgeteilt und agil in modernen Digitalisierungslaboren gearbeitet. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte in zwei großen Digitalisierungsprogrammen für Bund und Länder umgesetzt werden. Für ein schnelles und effizientes Vorgehen einigten sich Bund und Länder auf das sogenannte „Einer für alle“-Prinzip, kurz EfA: Ein Land oder eine Allianz aus mehreren Ländern sollte eine Verwaltungsdienstleistung zentral entwickeln und diese am Ende allen anderen Ländern und Kommunen zur Verfügung stellen. Der Grundgedanke dahinter ist, dass nicht alle Länder und Kommunen alle digitalen Verwaltungsangebote eigenständig neu entwickeln müssen. Um das OZG auch wirklich zum Erfolg zu führen, wurden 2020 sogar drei Milliarden Euro im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets für die Beschleunigung der OZG-Umsetzung durch den Bund bereitgestellt. Schönreden und schönrechnen Im Rahmen der OZG-Umsetzung zeigten sich früh erste Probleme. Fast alle Expertinnen und Experten bezweifelten bereits 2021, dass eine vollständige Digitalisierung der 575 Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 realistisch sei. Die Politik ignorierte diese Zweifel weitestgehend und propagierte eisern, dass die Zielsetzung des OLG, bis Ende 2022 alle Leistungen zu digitalisieren, nach wie vor im Plan sei. In einem Interview mit dem Tagesspiegel-Background vom September 2021 äußerte sich die damalige Digitalstaatsministerin Dorothee Bär entsprechend: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es hinbekommen, bis Ende nächsten Jahres alle Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren.“ Neben politischem Zweckoptimismus erschwerte eine sehr intransparente und beschönigte Darstellung zum Umsetzungsstand eine realistische Einschätzung der Fortschritte. Exemplarisch dafür steht die vernichtende Kritik des Bundesrechnungshofs am Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) im April 2022. Der Bundesrechnungshof warf dem BMI vor, den Stand der Umsetzung des Gesetzes mit seinen Berichten zu beschönigen, und kam zu dem Fazit, dass Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern eine valide Grundlage fehle, um die Umsetzung des OZG zielgerichtet zu steuern, zu bewerten und angemessen mit personellen Ressourcen auszustatten. Onlinezugangsgesetz Digitale Bürgerdienste in weiter Ferne Model Foto: Colourbox.de 24 FOKUS dbb magazin | April 2023
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