dbb magazin 5/2023

sen. „Aktuell kommen wir noch gut hin“, heißt es an der Wahnbachtalsperre. Aber der Klimawandel und seine Wirkung? Ist im Spiel. „Wasserstress“ nennen sie das. Vor allem der Norden und Osten Deutschlands haben darunter zu leiden. 2022 waren die Umgebung des thüringischen Sömmerda und auch der Harz bundesweit die trockensten Landschaften. 600 Kilometer östlich der alten Bundeshauptstadt liegt die neue. Im eigentlich seenreichen Gebiet um Berlin ist der Grundwasserspiegel seit 2010 um einen Meter gesunken. „Unsere Landschaft ist knochentrocken“, warnt Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne). Nichts sei mehr im Lot. Brandenburger Obstbauern bangen um die Ernten ihrer Äpfel, die künstlich bewässert werden müssen. Bewältigt werden muss hier auch die Ansiedlung von Elon Musks E-Auto-Werk Tesla. Es hat den Durst einer Kleinstadt. Der Wasserverband WSE in der Region Strausberg-Elster tritt deswegen auf die Bremse und greift strikt durch. Die Ansiedlung von Gewerbebetrieben soll künftig von deren Wasserbedarf abhängig gemacht werden. Auch Familien werden Eingriffe des Staates spüren. Für Neukundenhaushalte, meist Zugezogene, wird der Verbrauch begrenzt. Sie dürfen nur noch 37 Kubikmeter pro Person und Jahr konsumieren. Der kanadische Wasserexperte Jay Familgietti hat weltweite Wasserverluste verglichen und eine Bilanz gezogen. „Satellitendaten zeigen, dass Deutschland in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren hat. Das ist unvorstellbar viel.“ Das Rechercheportal „Correctiv“ sammelte Daten über den Grundwasserstand in Deutschland. „An knapp der Hälfte der ausgewerteten Orte ist das Grundwasser in den Dürrejahren zwischen 2018 und 2021 auf den tiefsten Stand seit 1990 gefallen“, stellte er fest. Konflikte sind vorprogrammiert Unterhalb des Radarschirms der großen Berliner Politik, die das brisante Thema eher niedrig fährt und im Entwurf der „nationalen Wasserstrategie“ durchgreifende Maßnahmen erst ab 2030 anvisiert, tobt deshalb längst ein Verteilungskampf. Großstädte und Metropolen gegen die Landstriche ringsum, die meist die Wasserlieferanten der Ballungsräume sind. Immer öfter bemühen beide Seiten Gerichte, wie im niedersächsischen Lüneburg, wo Verwaltungsrichter den Hamburger Senat ausbremsten, der mehr Trinkwasser aus der Nordheide verlangte. In Hessen geht die Bevölkerung auf die Straße: Die Mainmetropole Frankfurt, die nur ein Viertel ihres Wasserverbrauchs selbst fördert, schockte mit der Prognose einer Bedarfssteigerung zwischen 2018 und 2030 von 54 Millionen auf 62 Millionen Kubikmeter. Den gewaltigen Mehrbedarf will sie unter anderem im Vogelsbergkreis tanken. Dessen Bürger bauten an Ortsrändern prompt Protesttafeln auf: „Weniger Grundwasser nach Rhein-Main!“ Ein besonders explosiver Wasserkonflikt köchelt in Bayern. Es gehe umMengen, aber auch um Geld und für manche um die Existenz, wie es Michael Pöhnlein sagt, der Bürgermeister in Markt Nordhalben ist. Nicht nur, dass zunehmend Konzerne wie Aldi, Red Bull oder Krombacher bundesweit möglichst preiswerte Grundwasserreservoirs anzapfen möchten, ummehr Mineralwasser oder andere Getränke zu produzieren. In drei Bundesländern, neben Thüringen und Hessen eben auch in Bayern, kostet die Entnahme von Wasser aus dem Boden gar nichts. Erhebt eine große Ländermehrheit den „Wassercent“, wenn auch in sehr unterschiedlicher Höhe, gehen die wasserfördernden Kommunen im Süden leer aus. Das wollen dort 16 der betroffenen Gemeinden nicht mehr mitmachen. CSU-Ministerpräsident Markus Söder hat seit Ende Februar einen Brandbrief einer „Interessengemeinschaft wasserliefernder Kommunen in Bayern“ (IWK) auf dem Tisch. Initiiert hat sie der Bürgermeister Pöhnlein. Romantisch wie ein Fjord schlängelt sich die Talsperre Mauthaus durch den Frankenwald und Nordhalbens Gemeindegebiet. Der Stausee liefert das Rohwasser für 400000 Menschen. Pöhnlein ist über die fehlende Bezahlung für die Nutzung in seinem Gebiet aufgebracht: „Die Trinkwassersperre Mauthaus ist in Oberfranken der größte Lieferant. Jetzt sind sogar Lieferungen nach Thüringen im Gespräch. Die Stadt Erlangen konnte für 20000 Menschen einen neuen Stadtteil bauen, weil sie das Wasser von uns bekommen.“ So viel Ausbeutung, wie sie es wohl verstehen, wollen die Gemeinden nicht mehr dulden: „Wir wollen an dieser Wertschöpfungskette beteiligt werden.“ Gemeinden wie Markt Nordhalben, Dürrwangen, Farchant, Schwangau oder die Stadt Miesbach am Alpenrand, die die Landeshauptstadt München mitversorgen muss, betonen im Schreiben an den Regierungschef: „Wir stehen Dirk Radermacher in seinem Reich: Durch mächtige Rohrleitungen fließt getrennt Talsperren- und Grundwasser. Staumauer unter Kontrolle: Dieser Gang führt in die tiefen Betriebsteile der Wahnbachtalsperre. 14 FOKUS dbb magazin | Mai 2023

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