dbb magazin 5/2023

Wie die Bundeswehr ist auch der Zivil- und Katastrophenschutz nach dem Ende des Kalten Krieges im Rahmen der Wiedervereinigung kleingespart worden, weil es schien, dass der Bedarfsfall nicht mehr gegeben sei. Wer sich mit der Daseinsvorsorge beschäftigt, kommt an ihm aber nicht vorbei. Und nicht an Albrecht Broemme, dem Vorstandsvorsitzenden des Zukunftsforums öffentliche Sicherheit (ZOES). Die einander überlagernden Krisen der vergangenen vier Jahre haben gezeigt, dass diese Einsparungen Raubbau an der Substanz des Gemeinwesens waren, deren Rekonstruktion nun viel Geld, Energie und Zeit kosten wird. Alfred Broemme, der langjährige Berliner Landesbranddirektor und Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), kann dazu eine prägnante Anekdote erzählen: Die Schweiz sei als neutrales, kleines Land stets um Autarkie bemüht gewesen und habe für den Katastrophenfall über Jahrzehnte hinweg unter anderem Desinfektionsmittel bevorratet, dessen Aktualisierung jährlich stolze drei Millionen Franken verschlungen habe. Aus Kostengründen sei dieser Vorrat irgendwann aufgegeben worden. Dann kam Corona. Die unvermeidliche, überstürzte Neubeschaffung habe die Eidgenossenschaft 2020 etwa 300 Millionen Franken gekostet. Der Vorrat hätte also noch 100 Jahre weiterbetrieben werden können, ohne Zusatzkosten zu verursachen. Wer vorsorgt, investiert sehr viel Energie, Material, Zeit und vor allem Geld, muss aber den Beweis dafür, dass dieser Aufwand notwendig ist, systematisch schuldig bleiben. Wo sorgfältig vorgesorgt wird, passiert eben auch weniger, im Extremfall einfach: nichts. Das Phänomen, das Massenimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen ebenso betrifft wie die Ausrüstung von Feuerwehren und Armeeverbänden oder die staatlichen Erdgasvorräte, hat einen Namen: Vorsorge-Paradox. Daseinsvorsorge ist Selbstsorge Fragt man Broemme danach, was Daseinsvorsorge im Kern sei, wiegt sich der fast zwei Meter große Mann, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, bedächtig hin und her und sagt: „Daseinsvorsorge ist, wenn man erst einmal völlig unchristlich sagt: ‚Ich kümmere mich ummich selbst und ummeine Familie.‘ Dass, wenn sich jeder um sich selbst kümmert, niemand vergessen ist, das ist ein blöder Spruch, aber das einzige System auf der Welt, das problemlos funktioniert. Wenn ich sage, jeder solle sich um sich selbst kümmern, dann betrifft das für mich auch die Nachbarschaft. Aber dieses Netzwerk funktioniert natürlich nur, wenn nicht jeder sagt: ,Der andere wird das schon machen.‘“ Zum Beispiel empfiehlt Broemme die Anschaffung eines Kurbelradios. Da diese Anschaffung etwa 80 Euro kostet, findet er nicht, dass das in jeder Wohnung vorhanden sein müsse. Wichtig sei ihm, dass man den Nachbarn erzähle, wenn eines vorhanden sei. Wichtig sei, dass jeder auch für sich selbst darüber nachdenkt: „Was brauche ich für mich?“, und zwar nicht nur im allgemeinen, sondern Zivil- und Katastrophenschutz Das Vorsorge-Paradox Tief Bernd. Unwetterkatastrophe in Südwestdeutschland 2021: In einemWald in Bad Münstereifel räumen Einsatzkräfte des THW Unrat aus einem Bachlauf. © THW (3) 18 FOKUS dbb magazin | Mai 2023

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