dbb magazin 5/2023

auch im persönlichen Katastrophenfall, beispielsweise wenn man akut erkranke. Zunächst benötige man schon Vorräte an Essen und Trinken, die ungekühlt länger haltbar seien, Medikamente für einige Tage. Das größte Problem ist für Broemme das Zersparen der kritischen Infrastruktur insgesamt. So seien mit dem Aussetzen der allgemeinen Wehrpflicht alle Kreiswehrersatzämter abgewickelt worden, was eine rasche Wiedereinführung der Wehrpflicht eigentlich unmöglich mache: Wie solle man im akuten Verteidigungsfall, der seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine keine abwegige Vorstellung mehr sei, rasch rekrutieren? „Die meisten Rauchmelder werden nie Rauch melden und trotzdem hat man sie.“ Da ist es wieder, das Vorsorge-Paradox. „Es stimmt, man kann sich nicht auf alles vorbereiten, weil man nicht weiß, was alles passieren könnte.“ Und: „Die Situation, in der wir leben, ist nicht selbstverständlich!“ Da sei auch er eines Besseren belehrt worden: „Da dreht irgendein Staatsoberhaupt durch und beginnt einen Krieg. Ja, auch das ist möglich. Ich hatte es nicht geglaubt.“ Es gäbe auch gute Beispiele für Resilienz, für Vorsorge. Wenn Lieferketten zusammenbrächen, müssten beispielsweise Krankenhäuser die eigene Belegschaft unabhängig von ausbleibenden Lieferungen mit Essen verpflegen können. Diese eine Mahlzeit sei in einem Katastrophenfall ein guter Grund für das Personal, zur Arbeit zu erscheinen. „Alter Spruch beim THW: ‚Ohne Mampf kein Kampf.‘“ Die Vivantes Kliniken hätten nun einen Vorrat von lange haltbaren Lebensmitteln aufgebaut, die nicht für die Patientenverpflegung gedacht seien. Verantwortungsdiffusion und Zielunschärfe Eine ebenso große Gefahr für das Gemeinwesen liege in unklaren Zuständigkeiten. „Verantwortungsdiffusion“ nennt Broemme das. „Je unklarer geregelt ist, wer die Verantwortung trägt, desto größer auch der Verschleiß von eigentlich gut ausgebildeten Menschen, und desto schneller verfällt die Motivation der Beschäftigten zu handeln.“ Beim Aufbau nach der Überschwemmung des Ahrtales redeten auch Denkmal- und Naturschützer mit. Die Gefahr bestehe, dass, wenn auf alle Ansprüche eingegangen würde, Fehler erneut begangen werden und sich die Katastrophe wiederholt. Brücken könnten nicht denkmalgerecht wiederaufgebaut werden und Zeltplätze nicht in Überflutungsgebieten des Flusses wiedereröffnet werden, weil die Camper weiter oben im Hang die Vögel störten. Wie die dicht aufeinanderfolgenden Krisen seit 2015 gezeigt hätten, seien lokale Krisensituationen noch recht gut beherrschbar. An größeren „Lagen“ zeigten sich sehr schnell die Grenzen des Zivil- und Katastrophenschutzes. Direkt auf den Zwölf-Punkte-Plan zu dessen Neuausrichtung und Modernisierung angesprochen, den Broemme im Rahmen seiner Tätigkeit für das ZOES mit erarbeitet hat, entgegnet er: „Es gibt Situationen, in denen es wirklich schwierig ist, gute Entscheidungen zu treffen. Der springende Punkt ist die Methode der Entscheidungsfindung. Besser als überstürzt eine falsche Entscheidung zu treffen ist es, möglichst schnell im Team zu entscheiden.“ Dazu müssten Teammitglieder auch Lösungsvorschläge liefern, nachdem sie sich einen Überblick über „die Lage“ verschafft hätten. Ziel sei, dass „die Entscheidung möglichst gut wird“, das ist Broemme wichtig. Aktuell treibt er eine Initiative für einen Studiengang Katastrophenschutz an der Verwaltungsakademie des Landes Berlin voran. „Berlin ist da das erste Bundesland, das so ein Angebot schafft.“ Die Zielgruppe sei die allgemeine Verwaltung, die in Krisensituationen ebenfalls fähig sein müsse, gute Entscheidungen zu treffen. „Da ist der Schulungsbedarf unendlich groß.“ Zentral aber ist für Broemme das „Basisthema Energie“. Da bedürfe es zuallererst der Klärung, was eigentlich erreicht werden solle. „Wenn das Oberziel ist, dass wir den Energiebedarf immer hundertprozentig decken wollen, dann scheiden – technisch gesehen – bestimmte Lösungen fast automatisch aus, oder sie werden sehr teuer. Wir müssten dann in der Lage sein, das gesamte Die Situation, in der wir leben, ist nicht selbstverständlich! In Ahrweiler haben auf Höhe des Ahrtors AHRIDA-Fähren des THW ihren Betrieb aufgenommen. FOKUS 19 dbb magazin | Mai 2023

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