als Arbeitnehmende innerhalb von Unternehmen und Behörden zu stärken. Immer wieder habe es erneuter Nachbesserungen bedurft, um der Tendenz der Arbeitgeber, Schwerbehinderte frühzeitig aus dem Unternehmen auszugliedern und zwangszuverrenten, etwas entgegensetzen zu können. Insbesondere die Institution des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, die dafür sorgen sollte, für die betroffene Person passende Tätigkeiten in Betrieb oder Dienststelle zu finden, habe lange Zeit nur im Einvernehmen mit dem Personalrat handeln können und kein verbindliches Mitbestimmungsrecht gehabt. Erst im Jahr 2021 sei die Teilhabe der Schwerbehinderten dadurch gestärkt worden, dass diesen beim BEM das Recht auf Hinzuziehung einer Vertrauensperson eigener Wahl zugestanden worden sei. Ein Ärgernis ist es aus Düwells Sicht, dass die Beschäftigungsquote von Schwerbehinderten seit Jahren sinke und derzeit im privaten Sektor bei 3,9 und im öffentlichen Dienst bei 5,6 Prozent liege. Das jüngst von der Ampelkoalition vorgelegte Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes fördere Düwell zufolge Inklusionsverweigerer, weil es die Bußgeldvorschrift für Betriebe, die die Vorgaben zur Beschäftigungsquote nicht erfüllten, aufhöbe. „Das legalisierte Freikaufen ist ein Skandal!“, machte der Arbeitsrichter deutlich und forderte, das Jobcarving, also die gezielte, individuelle Anpassung von Arbeitsplätzen an die Fähigkeiten und Bedürfnisse eines Schwerbehinderten, verpflichtend in das Gesetz aufzunehmen. Eine aktuelle „Zwischenbilanz“ zogen die behindertenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Bundestagsfraktionen bei ihrer Podiumsdiskussion. Im Fokus ihres Lagebilds stand der aktuelle Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts. dbb Vize Heiko Teggatz beschloss den ersten Veranstaltungstag mit einem starken Appell: „Wir als dbb mit all unserer Vielfältigkeit über alle Beschäftigtengruppen hinweg, egal ob innere und äußere Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Finanzen, Infrastruktur oder Verwaltung – wir sind es, die sich verständigen und gemeinsam gegenüber Politik und Medien für unsere Rechte einstehen und kämpfen müssen. Vielfalt ist unsere Stärke, nur gemeinsam können wir die dicken Bretter wie Barrierefreiheit und Arbeitsmarktinklusion bohren.“ Fachlich in die Tiefe der Gesetzgebung ging es am zweiten Tagungstag. Mit dem „Problemkind Heilungsbewährung“ stieg Marianne Schörning, Fachanwältin für Sozialrecht, tief in die Materie der Schwerbehinderungsfeststellung ein. Die Heilungsbewährung spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der Bemessung des Grades der Behinderung (GdB) und beschreibt einen Zeitraum nach der Behandlung von Krankheiten, in dem abgewartet werden muss, ob ein Rückfall eintritt – etwa im Fall von Transplantationen innerer Organe und vor allem nach bösartigen Tumorerkrankungen. Stephan Rittweger, der seit 2010 Vorsitzender Richter am Bayerischen Landessozialgericht ist, stellte in seinem Vortrag aktuelle Urteile aus dem Behinderten- und Sozialrecht vor. Dabei ging er insbesondere auf den unterschiedlichen Behinderungsbegriff in der nationalen und der europäischen Rechtsprechung ein. Erdmuthe Meyer zu Bexten ist seit 2018 Beauftragte der Hessischen Landesregierung für barrierefreie IT und leitet seit 2021 das Landeskompetenzzentrums für barrierefreie IT Hessen (LBIT). Sie unterstrich, dass Barrierefreiheit in der Digitalisierung alle Menschen angeht: „Barrierefreie IT bedeutet nichts anderes als die uneingeschränkte Zugänglichkeit zur IT für alle Menschen unabhängig von ihren Einschränkungen”. Ein positives Fazit zum Abschluss der Tagung zog Frank Richter, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Inklusion und Teilhabe des dbb. Anlass zur Freude sei es, dass sich im vergangenen Jahr in Sachen Inklusion und Teilhabe insbesondere politisch einiges getan habe. Richter griff die Interpretation der Abkürzung „dbb“ von Jürgen Dusel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, auf, die dieser am Tag zuvor geprägt hatte: „,dbb – die Barrieren-Brecher‘. Genau so sollten und werden wir uns auch künftig verstehen“, bekräftigte Richter. Mehr: t1p.de/foruminklusion ada, ef, iba, ows, nak Stephan Rittweger Frank Richter Prof. Erdmuthe Meyer zu Bexten 28 FOKUS dbb magazin | Mai 2023
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==