dbb magazin 6/2023

STUDIE Verwaltungsdigitalisierung Deutschland fällt weiter zurück Der Report Nr. 20 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom 30. März 2023 attestiert der Bundesrepublik im europäischen Vergleich beim E-Government lediglich einen Platz im unteren Mittelfeld. So komme Deutschland im Umsetzungsstand für digitale öffentliche Dienste der EU 2022 nur auf Rang 18 der 27 EU-Mitgliedsländer. Im Vergleich zum Vorjahr sei Deutschland sogar von Platz 17 um einen Platz zurückgefallen, wie der Digital Economy and Society Index (DESI) der EU-Kommission von 2022 ausweise. Führend in dem Ranking seien nordische Staaten wie Estland und Finnland, aber auch die Niederlande und Spanien schnitten sehr gut ab. Selbst bei den im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) tatsächlich umgesetzten Dienstleistungen sei es lediglich bei Stückwerk geblieben: „Politik und Verwaltungen konzentrieren sich auf die Erstellung von Online-Masken für die Nutzenden, vernachlässigen jedoch die durchgehende Frontdeskto-backoffice-Digitalisierung“, heißt es in dem Bericht. Zwar sollen für die weitere Umsetzung des OZG Schwerpunkte definiert werden, auf die disziplinierende Wirkung einer neuen Fristsetzung und auf bundeseinheitliche Ansätze werde jedoch verzichtet. „Ohne eine deutschlandweit einheitliche umfassende Digitalisierung auch der verwaltungsinternen Abläufe sind aber die Vorteile digitaler Lösungen nicht zu heben; Prozesse bleiben an bisherigen papierorientierten Verwaltungsvorgängen ausgerichtet und erhöhen teilweise die Personalintensität, statt die digitalen Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung zu nutzen. Dabei besteht keine Gefahr, dass eine produktivitätssteigernde Digitalisierung zu einem personellen Kahlschlag in den deutschen Amtsstuben führt – vielmehr ist ohne Ausnutzung der Potenziale zum Beispiel von automatisierten KI-basierten Cloudlösungen der demografisch bedingte Personalmangel durch fehlenden Nachwuchs an Verwaltungskräften nicht zu bewältigen. Es droht ein weiterer Rückgang der Qualität und Geschwindigkeit öffentlicher Verwaltungsdienste“, schreibt IW Senior Economist Dr. Klaus-Heiner Röhl. Sein Fazit: „Ziel klar verfehlt.“ Das Vorhaben, mit dem OZG von 2017 bis 2022 das E-Government in Deutschland weitgehend umzusetzen und Deutschland damit von einem hinteren Platz in Europa bei der staatlichen Digitalisierung in den vorderen Bereich zu befördern, müsse sogar als vollständig gescheitert bezeichnet werden: Mit 105 bundesweiten Leistungen seien nur 18 Prozent des Ziels von 575 Online-Angeboten flächendeckend erreicht worden. Verantwortlich dafür sei auch eine schlechte strategische Konzeption. „Nach Verabschiedung des OZG-Gesetzes im Jahr 2017 fehlte eine klare Umsetzungsstrategie mit ,Meilensteinen‘ für Bund, Länder und Kommunen, wie sie im Projektmanagement die Regel sein sollte. Erst im Laufe der Zeit wurde die ,Einer für Alle‘-Strategie aufgesetzt, derzufolge bestimmte Bundesländer und Kommunen definierte OZGLeistungen erstentwickeln, damit diese dann von allen Ländern und Kommunen übernommen werden können. Es gibt zudem weiterhin kein rechtliches Instrument, mit dem die Kommunen zu einer zügigen Übernahme erstentwickelter Leistungen verpflichtet werden können“, so Röhl. Oft sei der Elan, auf kommunaler Ebene E-Government-Angebote umzusetzen, gering, da die anderweitig entwickelten Digitalangebote nicht auf bereits bestehende Lösungen in den Verwaltungen übertragen werden könnten. Der Fehlschlag in der OZG-Umsetzung habe auch konzeptionelle Gründe. Überwiegend hätten Bund, Länder und Kommunen versucht, historisch gewachsene analoge Behördenvorgänge mit OnlineMasken für Nutzerinnen und Nutzer zu versehen, statt die Digitalisierung für eine grundlegende Neukonzeption der Verwaltungsvorgänge in der digitalenWelt zu nutzen. Plattformlösungen, die weitgehend automatisierte Abläufe und „intelligente“ Verfahren beinhalten, würden ein E-Government aus einemGuss mit Vereinfachungen und Einsparungen auch in den Verwaltungen erlauben. Hierfür müssten bundeseinheitliche Lösungen entwickelt werden, wovor man aus föderaljuristischen Gründen offenbar zurückschrecke. Für Röhl scheint auch ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung insofern notwendig, als dass die Kommunen zur Nutzung bundeseinheitlicher Digitallösungen verpflichtet werden müssten. ■ Model Foto: Teodor Lazarev/Colourbox.de 12 AKTUELL dbb magazin | Juni 2023

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