INTERVIEW Dr. Marcus Optendrenk, Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen Wer bestellt, muss auch bezahlen Kontinuierliche Krisen sorgen seit 2021 für einen erhöhten Finanzierungsbedarf. Dabei bestehen alte Aufgaben wie der Sanierungsstau bei öffentlichen Infrastrukturen, der Kostendruck im Gesundheitswesen oder die Herausforderungen der Energiewende weiterhin. Kann das alles überhaupt noch ohne die Aufnahme zusätzlicher Schulden finanziert werden? Mit der Doppelkrise von Pandemie und russischem Angriffskrieg auf die Ukraine haben die letzten Jahre uns auch in den öffentlichen Haushalten einiges abverlangt. Bei Energiepreisen, Inflation und den Herausforderungen im Kontext der Flüchtlingsversorgung spüren wir ihre Folgen weiterhin deutlich. Mit dem CoronaRettungsschirm und dem Sondervermögen Krisenbewältigung haben wir die richtigen Antworten auf diese Krisen gefunden. Wir haben schnell und entschieden reagiert und die Bürgerinnen und Bürger wie auch die Unternehmen im Land nach Kräften unterstützt. Zusätzlich zu den Herausforderungen gehört aber auch, dass der Bund mit seinen auch zulasten der Länder durchgesetzten Maßnahmenpaketen dauerhafte jährliche Kosten von mehr als vier Milliarden Euro allein in Nordrhein-Westfalen verursacht. Hiervon entfallen rund 3,5 Milliarden Euro auf Steuermindereinnahmen durch Inflationsausgleichs- und Tarifanpassungsgesetz sowie weitere direkte Ausgaben von rund 700 Millionen Euro zum Beispiel durch die Erhöhung des Wohngeldes und der Landesanteil des Deutschlandtickets. Trotzdem ist es nun umso wichtiger, zur haushaltspolitischen Normalität im Rahmen der Schuldenbremse zurückzukehren. Das ist eine große Herausforderung. Aber: Die Zeit der Minuszinsen ist vorbei. Geld kostet wieder Geld. Nur eine nachhaltige Finanzpolitik sichert die zukünftige Handlungsfähigkeit des Staates und führt zu Generationengerechtigkeit. Und die liegt uns besonders am Herzen. Wie kann sichergestellt werden, dass jetzt beschlossene Ausgaben zukünftige Generationen nicht über Gebühr belasten? Eine verantwortungsvolle Haushalts- und Finanzpolitik braucht für alle Ausgaben eine solide Gegenfinanzierung. Denn unsere Haushalts- und Finanzpolitik ist dem nachhaltigen Umgang mit unseren finanziellen Ressourcen verpflichtet und ermöglicht Zukunftsinvestitionen. So stellen wir bereits jetzt die Weichen für künftige Generationen. Die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen durch Anleihen mit extrem langer Laufzeit ist nur ein Beispiel für eine vorausschauende Planung und generationengerechte Haushaltspolitik. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Niedrigzinsphase genutzt, um sich mit unseren „Methusalem-Anleihen“ die günstigen Zins- beziehungsweise Refinanzierungskonditionen über extrem lange Zeiträume von bis zu 100 Jahren zu sichern. Das hat sich damals kaum jemand sonst getraut. Heute wünschen sich viele, dass sie es auch so gemacht hätten. Klar ist aber auch, dass solche Möglichkeiten in Zeiten enger werdender Haushaltsspielräume und weiter steigender Zinsen schwieriger werden. In der Haushaltsaufstellung wird es daher vor allem darum gehen, sich dieser Realität zu stellen und bestimmte Projekte über eine strikte Ausgabendisziplin entschlossen zu priorisieren. Wir brauchen also aktuell mehr denn je einen langen Atem und einen klaren Kompass. Die Kommunen in Deutschland ächzen unter den Pflichtaufgaben, die sie auferlegt bekommen. Gerade für die finanzschwachen Städte und Gemeinden bleibt dadurch kaum noch Handlungsspielraum. Wie könnte aus Ihrer Perspektive eine Lösung für das Problem aussehen? Wir brauchen eine angemessene und aufgabengerechte Kostenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Als Land unterstützen wir die Kommunen mit dem Kommunalschutzpaket oder sorgen zum Beispiel über das Gemeindefinanzierungsgesetz für eine solide, transparente und planbare Finanzierung. Gemeinsam mit dem Bund haben wir auch während der Coronapandemie im Jahr 2020 Gewerbesteuerausfälle in Höhe von mehr als 2,7 Milliarden Euro kompensiert. Auch für eine solidarische Übernahme der kommunalen Altschulden – je hälftig durch Land und Bund – setzen Kommunalministerin Ina Scharrenbach und ich uns in Berlin weiter ein. © Ralph Sondermann 14 FOKUS dbb magazin | Juni 2023
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