dbb magazin 6/2023

Ein Grundmerkmal der Finanzverfassung Deutschlands ist, dass die Länder und ihre Kommunen für den Vollzug der Bundesgesetze verantwortlich sind. Das funktioniert auf Dauer aber nur, wenn die Finanzierung und Verteilung von Steuereinnahmen bei solchen neuen Gesetzen berücksichtigt und bei Bedarf auch neu geregelt werden. Der Bund hat den Kommunen seit 1982 immer mehr Soziallasten aufgebürdet. Das hat zu einem guten Teil zu der aktuellen Verschuldung vieler Kommunen beigetragen – vor allem in den vom Strukturwandel besonders gebeutelten Städten im Ruhrgebiet. Viele von ihnen konnten sich hiervon bis heute nicht befreien. Wir müssen verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt und die Kommunen bei der Unterbringung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge erneut vom Bund allein gelassen werden. Denn dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Bund, Länder und Kommunen gemeinsam anpacken müssen. Mit den aktuellen Entscheidungen ist nur ein erster kleiner Schritt getan. Für die Kommunen ist das aber noch nicht ausreichend. Länder und Kommunen brauchen Verlässlichkeit und Planbarkeit sowie eine Finanzierung der Flüchtlingskosten, die der Belastungssituation vor Ort gerecht wird. Muss das Finanzausgleichssystem der Bundesrepublik grundlegend neu gedacht werden? Unser Finanzausgleichssystem ist Ausdruck der Solidarität zwischen dem Bund und den Ländern untereinander. Das Finanzausgleichsgesetz in seiner jetzigen Fassung gilt erst seit dem Jahr 2020. Es wurde seinerzeit im Bundesrat einstimmig verabschiedet. Dieses System hat sich im Grunde bewährt und trägt dazu bei, dass Chancen und Ressourcen möglichst ausgewogen in Deutschland verteilt werden und wir alle gut und in Wohlstand zusammenleben können. Dennoch muss insbesondere bei bundespolitischen Vorhaben eine aufgabenadäquate Finanzausstattung sichergestellt werden, wenn diese zu dauerhaften Belastungen der Haushalte von Ländern und Kommunen führen. Auch hier muss gelten: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Und zwar dauerhaft und verlässlich. Der Großteil der Landeshaushalte wird bereits für zwingende Ausgaben wie zum Beispiel Personalausgaben oder die Finanzierung von übertragenen Aufgaben ausgegeben. Daher sind die Spielräume der Länder deutlich kleiner als im Bundeshaushalt. Die Financial Action Task Force der OECD hat für Deutschland zumwiederholten Male festgestellt, dass die hiesigen Behörden bislang gar nicht über die Strukturen verfügen, umwirksam gegen Steuerhinterziehung, Finanzmarktkriminalität und illegale Geldströme vorzugehen. Welche Maßnahmen braucht es, um das Recht endlich auch hier durchzusetzen und die beträchtlichen Summen, die dem Fiskus durch Betrug regelmäßig durch die Lappen gehen, sicherzustellen? Die internationalen Experten haben Nordrhein-Westfalen mit unserer ressortübergreifenden Taskforce ausdrücklich gelobt. Ich teile aber die Auffassung der OECD, dass wir bei der Bekämpfung der Finanzkriminalität noch deutlich mehr tun müssen. Wir werden uns den professionellen Finanzkriminellen mit großer Entschlossenheit entgegenstellen und unsere Steuerverwaltung an die sich stetig verändernden Rahmenbedingungen anpassen. Daher haben wir die Bekämpfung von Steuerkriminalität und Geldwäsche auch zum Leitthema der Jahresfinanzministerkonferenz 2023 im Juni in Münster gemacht. In Nordrhein-Westfalen stellen wir daher – im Länderverbund bislang einzigartig – unsere Steuerfahndung neu auf und werden hierdurch noch schlagkräftiger. Die Bekämpfung großer Fälle von Steuerkriminalität und Cybercrime sowie die Mitwirkung bei der Geldwäschebekämpfung soll künftig zentral erfolgen und koordiniert werden. Hierzu bündeln wir die besondere Expertise und die erforderlichen Kompetenzen, um landesweit schnell und effektiv gegen die „großen Fische“ vorgehen zu können und ihnen das Handwerk zu legen. Das Ganze läuft unter dem Arbeitstitel „Landesfinanzkriminalamt“. Wir verfolgen damit konsequent unseren bewährten Ermittlungsgrundsatz „Follow the Money“ weiter und werden mit der neuen Organisationsstruktur ein effektives Durchgreifen bei den Ermittlungen erheblich erleichtern. Denn es kann nicht sein, dass wir oftmals nur die kleinen Fische fangen und die großen unsere Netze umgehen. Auch für den öffentlichen Dienst werden die Rufe nach mehr Arbeitszeitflexibilität lauter. Im Land Berlin wird sogar schon über Modellprojekte für eine Vier-Tage-Woche diskutiert. Ganz abgesehen vom Fachkräftemangel in der öffentlichen Verwaltung: Sind solche Modelle überhaupt finanzierbar? Unsere Arbeitswelt ist beständigen Veränderungen unterworfen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des Werbens um die besten Köpfe ist die Optimierung und Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen in der Verwaltung ein hochaktuelles und wichtiges Thema. Daher sind wir generell einer konstruktiven Diskussion und auch flexiblen Lösungen gegenüber aufgeschlossen. Wir haben während der Pandemie gemerkt, dass manches gut funktioniert, was wir früher für illusorisch gehal- ten haben. An solchen guten Erfahrungen sollten wir festhalten. Wir müssen aber auch die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung und – ganz besonders als Finanzminister – die Finanzierbarkeit der Vorschläge im Blick behalten. Unter beiden Gesichtspunkten erscheint mir die Vier-Tage-Woche problematisch. Denn eine solche Arbeitsverdichtung würde vermutlich dazu führen, dass wir über die gesamte Landesverwaltung hinweg eine nicht unerhebliche Anzahl neuer Kolleginnen und Kollegen bräuchten, um den berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an ihre Verwaltung gerecht zu werden. Denn sie erwarten zu Recht die zuverlässige Verfügbarkeit unserer Verwaltungsdienstleistungen zumindest innerhalb der üblichen Bürozeiten – und in vielen Fällen auch darüber hinaus. Für einen solchen Stellenaufwuchs besteht derzeit kein haushalterischer Handlungsspielraum. Die ohnehin große Herausforderung der Stellenbesetzung in Zeiten des Fachkräftemangels würde in solchen Szenarien sicherlich noch einmal potenziert werden. Wir sollten daher auch auf anderen Wegen jenseits einer Arbeitszeitanpassung oder -verdichtung für eine dauerhafte Zufriedenheit bei der Arbeit sorgen. Mit vielfältigen Teilzeitmöglichkeiten, einem umfassenden und großflächigen Angebot bei der mobilen Arbeit und einer auch jetzt schon sehr großzügigen Einteilung der flexiblen Wochenarbeitszeit bestehen bereits vielfältige Angebote für eine ausgewogene Work-Life-Balance. Über weitere Verbesserungen, die die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst noch attraktiver machen, stehen wir mit dem dbb und anderen Gewerkschaften in einem konstruktiven Austausch. ■ FOKUS 15 dbb magazin | Juni 2023

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