de Kosten in den Sozialversicherungen. Unter dem Strich seien große Teile des Bundeshaushalts bereits gebunden, seine Krisenfestigkeit werde immer geringer. „Nach der Krise ist vor der Krise!“, bekräftigte Scheller und forderte: „Künftige Krisen können nur mit tragfähigen Staatsfinanzen gemeistert werden. Nur so kann der Bund auch in schwierigen Lagen die Kontrolle behalten und kommenden Herausforderungen begegnen.“ Um weiter das Heft des Handelns in der Hand zu halten, müssten Bundesregierung und Parlament konsequent handeln. Als Maßnahmen schlug Scheller vor, die Dynamik der Neuverschuldung zu stoppen, ein Reporting zu den steigenden Zinsausgaben einzuführen, die Belastung künftiger Generationen durch eine schnellere Tilgung der Krisenkredite zu reduzieren und eine Entlastung des Bundes in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen durchzusetzen. Darüber hinaus müsste die Entkernung des Bundeshaushalts durch die Flucht in Sondervermögen rückgängig gemacht und die vom Bundesminister der Finanzen auch für die Haushaltspolitik angekündigte „Zeitenwende“ umgesetzt werden. Dazu gehöre es, über eine Bestandsaufnahme alle Einnahmen und Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen und neu zu priorisieren. Konkret schlug der Bundesbeauftragte vor, das strukturelle Kernproblem „Versteinerung“ aufzulösen und Haushaltspolitik nicht kurzfristig zu denken, den Bundeshaushalt konsequent auf Kernaufgaben und wichtige Zukunftsfelder auszurichten und die Ausgaben von konsumtiven zu investiven mit Zukunftswirkung zu verlagern. Neue Maßnahmen dürften nicht ohne Klärung ihrer langfristigen Finanzierungsmöglichkeit beschlossen werden. Weiter brauche es langfristige Tragfähigkeitskonzepte für alle Sozialversicherungszweige. Explodierende Zinsausgaben Diese Maßnahmen seien notwendig, denn der Bund zahle für seinen enormen Schuldenberg einen hohen Preis. Die Zinswende zur Bekämpfung der Inflation ließen seine Zinsausgaben hochschnellen. Während er 2021 knapp vier Milliarden Euro Zinsen zahlte, werden es 2023 fast 40 Milliarden Euro sein – eine Verzehnfachung mit weiter steigender Tendenz. Dem habe sich der Bund ausgeliefert, zumal er sich die günstigen Konditionen der letzten Jahre nicht langfristig gesichert habe. Das schränke die verbleibenden Haushaltsspielräume jetzt massiv ein. Die in der Notlage aufgenommenen Kredite seien nicht nur zu verzinsen, sondern auch zu tilgen. Das verlange das Grundgesetz. „Die Tilgungspläne sind wenig ambitioniert“, so Scheller. „Die Tilgungen sollen 2028 beginnen und erst 2061 enden. Das ist eine weitere finanzielle Bürde für die junge Generation von heute.“ Die Stellungnahme verdeutlicht das mit einem Beispiel: Ein heute dreizehnjähriges Kind, das im Jahr 2028 mit 18 Jahren in das Berufsleben eintritt, zahlt bis zu seinem 50. Lebensjahr mit seinen Steuern die Tilgung der in drei Jahren aufgenommenen Krisenkredite plus die darauf entfallenden Zinsen. Flucht in Sondervermögen kritisiert Die vom Bund aufgenommenen Krisenkredite vertieften auch die Schuldenkluft zwischen diesem auf der einen sowie Ländern und Gemeinden auf der anderen Seite. Während der Bund Rekordschulden mache, wiesen die Länder in ihrer Gesamtheit im Jahr 2022 positive Haushalte aus und hätten ihren Schuldenstand verringern können. Im Ergebnis finanziere der Bund mit seinen neuen Schulden die Konsolidierung der Länderhaushalte. Dabei erodiere die Finanzierungsbasis des Bundeshaushalts durch dauerhaften Verzicht auf Steueranteile zugunsten von Ländern und Gemeinden. Allein von 2011 bis 2023 sei der Bundesanteil am Gesamtsteueraufkommen von 43,3 auf 39,3 Prozent gesunken. Dadurch entgingen dem Bund von 2022 bis 2026 rund 202 Milliarden Euro, die stattdessen Ländern und Gemeinden zugute kämen. „Der Bund hat seine Belastungsgrenze erreicht“, sagte Scheller. „Jetzt müssen sich die Länder solidarisch zeigen. Die Bund-Länder-Finanzbeziehungen müssen überprüft und neu geordnet werden.“ Hinzu komme, dass der Bundeshaushalt die wahre Lage der Bundesfinanzen nicht mehr abbilde. Denn ein erheblicher Teil der Krisenkredite liege in Sondervermögen, also außerhalb des Bundeshaushalts. Diese Flucht in Sondervermögen sei nicht nur intransparent, sondern umgehe die Schuldenregel des Grundgesetzes. Scheller: „Die Politik ist gefragt, gut zu haushalten; also zu priorisieren. Regierung und Parlament haben die Verantwortung, abzuwägen, Konflikte auszutragen und Entscheidungen zu treffen. Anstatt den einfachen Weg zu gehen und diese Entscheidungen über Schulden in die Zukunft zu verlagern.“ ■ ImMärz 2023 startete das regierungsinterne Aufstellungsverfahren für den Bundeshaushalt 2024 und die Finanzplanung 2025 bis 2027. Mitte März 2023 hat die Bundesregierung im Eckwertebeschluss die geplanten Einnahmen und Ausgaben für diese Zeiträume festgelegt. Als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung legte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, zu diesem Anlass eine Bestandsaufnahme zur Lage der Bundesfinanzen vor und machte Vorschläge für deren Konsolidierung. Der Bundesbeauftragte wirkt durch Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und eine entsprechende Organisation der Bundesverwaltung einschließlich ihrer Sondervermogen und Betriebe hin. Er kann dabei auf eigene Initiative beratend tatig werden. Traditionell übt der Präsident des Bundesrechnungshofes das Amt des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung aus. Über die Bestellung entscheidet die Bundesregierung. Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes © Bundesrechnungshof (2) FOKUS 17 dbb magazin | Juni 2023
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