dbb magazin 6/2023

JUGEND Nachwuchsgewinnung Ein „Glow-up“ für den Staatsdienst Werden Berufseinsteigerinnen und -einsteiger nach den wichtigsten Auswahlkriterien für ihren Beruf gefragt, fallen schnell zwei Stichworte: finanzielle Unabhängigkeit und Sicherheit. Erst dann kommen Aspekte wie Work-­ Life-Balance oder Gesundheitsmanagement. Für Arbeitgeber sind monetäre Anreize im Wettbewerb um die besten Kräfte daher oft der entscheidende Trumpf auf der Hand. Der öffentliche Dienst ist in dieser Disziplin bislang nicht wirklich wettbewerbsfähig. Auf den ersten Blick erscheint die Ausbildungsvergütung im öffentlichen Dienst vor allem im Vergleich zu handwerklichen Berufen sehr attraktiv. Ein Blick auf die Bewerbungslage zeigt jedoch, dass ein Großteil der Bewerberinnen und Bewerber nach ihrem Schulabschluss den Weg in den Dienst des Staates nicht direkt findet. Vielmehr bewerben sich immer mehr Menschen, die bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen. Einige Bundesländer haben auf den Fachkräftemangel reagiert und das Einstellungsalter entsprechend erhöht. So stellt Berlin mittlerweile Anwärterinnen und Anwärter bis zu einem Alter von 45 Jahren ein. In diesem Alter muss aber eine Wohnung bezahlt, eine Familie versorgt oder gar ein Kredit getilgt werden. Und besonders in Flächenländern ist ein Auto weiterhin unerlässlich. Das alles will finanziert sein. Und das ist mit einem Ausbildungs- oder Einstiegsgehalt einfach schwer möglich. Dennoch sind sich viele Bewerberinnen und Bewerber darüber im Klaren, dass sie die Ausbildung oder der Einstieg in den öffentlichen Dienst zunächst vor finanzielle Herausforderungen stellen wird. Vor demHintergrund der aktuell hohen Inflation überlegen sie sich sehr genau, ob sich der Schritt in den öffentlichen Dienst lohnt. Da hilft es auch nicht, dass der öffentliche Dienst in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf vergleichsweise viel zu bieten hat. Letztendlich hat damit die Höhe der (Ausbildungs-)Vergütung einen direkten Einfluss auf die Nachwuchskräftegewinnung. Die Vergütung muss so angesetzt werden, dass finanzielle Unabhängigkeit bereits im Laufe der Ausbildung erreicht werden kann. Zusätzlich dürfen Entschädigungsleistungen wie zum Beispiel Erstattungen von Reisekosten und Trennungsgelder natürlich nicht fehlen. Doch auch über die Ausbildung hinaus müssen finanzielle Unabhängigkeit und angemessene Vergütung garantiert sein, um die eigens ausgebildeten Fachkräfte dann auch wirklich zu halten. Langwierige Klagen zur amtsangemessenen Alimentation, die in einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Hessen bereits erfolgreich waren, zeigen zumindest im Besoldungsbereich, dass Zahlungen zwar pünktlich auf dem Konto eingehen, doch in Anbetracht der steigenden Lebenshaltungskosten nicht mehr ausreichend sind. Junge Beschäftigte finden sich oft in niedrigen Besoldungs- oder Entgeltgruppen wieder. Doch gerade dort sind die Auswirkungen der Inflation besonders spürbar. Bestes Beispiel dafür sind die Mieten in Großstädten wie München oder Berlin: Spätestens seit der Coronapandemie sind sie so exorbitant gestiegen, dass Beschäftigte in geringen Entgelt- oder Besoldungsgruppen häufig nicht mehr in der Lage sind, die altbekannte Ein-Drittel-Regelung einzuhalten. Gleichzeitig wird in diesem Bereich aber auch „zu viel“ verdient, um Leistungen wie Wohngeld in Anspruch nehmen zu können. Die Vergütungstabellen des öffentlichen Dienstes sind starr, schnelle Karrieren sind aufgrund rechtlicher Hürden kaummöglich, sodass Nachwuchskräfte schnell merken, dass die freie Wirtschaft andere Möglichkeiten bietet. Doch auch in der Wirtschaft schlägt der Fachkräftemangel voll ein, auch dort sind Arbeitgeber verzweifelt auf Nachwuchssuche und gestalten Einstiege entsprechend attraktiv. Befristungen und knappe Gehaltsstrukturen sind dort längst nicht mehr so verbreitet wie noch vor einigen Jahren. Hier zeigt sich, dass die Attraktivität des öffentlichen Dienstes gerade in Bezug auf die Vergütung dringend ein „Glowup“ benötigt, damit Anwerbeversuche überhaupt Erfolg versprechen. Dabei haben viele Nachwuchskräfte Spaß an der sinnstiftenden Tätigkeit im Staatsdienst. Aber fehlende Karrierechancen, starre Strukturen und die im Vergleich zur Verantwortung, die viele junge Beschäftigte in ihren Berufen tragen, geringere Höhe der Vergütung machen den öffentlichen Dienst zumeist eben nicht zur ersten oder letzten Station im Berufsleben junger Menschen. Will der Staat beim Personalmanagement also mit der freien Wirtschaft Schritt halten, muss er dringend nachbessern, was Vergütung und Flexibilität betreffen. Sandra Heisig, 1. stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend Model Foto: Motortion/Colourbox.de INTERN 33 dbb magazin | Juni 2023

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