selbstverständlicher Teil der Versorgung sein, wenn ihre Nutzung durch einen einfachen und möglichst intuitiven Zugang alltagstauglich ausgestaltet wird. Hier erwarten wir möglichst schnell neue rechtliche Vorgaben, die dies ermöglichen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Datenschutz müssten Hand in Hand für das Wohl der Patientinnen und Patienten arbeiten. Der Verband erwarte von allen Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen, dass sie die Chancen der Digitalisierung nutzen. Wichtig sei darüber hinaus, dass jede und jeder Versicherte die Möglichkeit bekomme, auf die eigenen Gesundheitsdaten zuzugreifen und diese für seine eigene Behandlung, aber auch für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung zu stellen. Auch der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) steht den Digitalisierungsbemühungen grundsätzlich positiv gegenüber und setzt auf das Smartphone als Schnittstelle für eine bessere Gesundheitsversorgung seiner Versicherten. Dazu sollen die Privatversicherten ab Mitte 2023 sogenannte digitale Identitäten erhalten können, die ihnen einen ebenso einfachen wie sicheren Zugang zu digitalen Services rund um ihre Gesundheit bieten. Dazu hat der PKV-Verband bereits 2022 Verträge mit der „IBM Deutschland GmbH“ und der Firma „Research Industrial Systems Engineering (RISE) Forschungs-, Entwicklungs- und Großprojektberatung GmbH“ abgeschlossen. Mit deren Hilfe soll es den Kunden der PKV künftig möglich sein, sich mit dem Smartphone beim Arzt online einzuchecken und auch digitale Anwendungen wie die elektronische Patientenakte oder das elektronische Rezept einfach über ihr Smartphone zu nutzen. Doch es gibt auch Kritik an den Plänen. So unterstützt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zwar nutzbringende Lösungen, lehnt aber unrealistische Konzepte ab: „Es kann Gründe dafür geben, jeden Versicherten mit einer elektronischen Patientenakte auszustatten, sofern dieser dem nicht aktiv widerspricht. Das derzeitige Vorgehen von Politik und gematik erinnert jedoch fatal an die Fehler der vergangenen Jahre bei der Digitalisierung, in denen Anwendungen teilweise unausgereift als verbindlich erklärt wurden“, kritisierten die KBV-Vorstände Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. Die ePA und das, was sie für eine noch bessere Versorgung leisten könne, sei zu wichtig, um überhastet angestoßen zu werden, „ohne Ziele, Abläufe, geschweige denn die Versorgungsrealität in den Praxen ausreichend einzuplanen und abzubilden und darüber hinaus als eine Art Zwangsbeglückung für die Versicherten“. Mit Blick auf die noch fehlenden konkreten inhaltlichen Vorgaben, die daraus abgeleiteten technischen Festlegungen und ihre datenschutzkonformen Implementierungen in den IT-Systemen sei das erklärte Ziel einer verpflichtenden Einführung ab 1. Juli 2024 „für jeden erkennbar unrealistisch“. Datenschutz verbessern Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, äußerte sich am 9. Mai 2023 auf den Verbandstagen des Berufsverbandes der Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) e. V. in Berlin und kritisierte, dass die ePA auch rund 20 Jahre nach ihrer Konzeption noch immer nicht umgesetzt sei. Das liege nicht am Datenschutz, sondern „an den vielen Akteuren im Gesundheitswesen, die sich seit 20 Jahren behindern, beharken und gegenseitig beschuldigen. Die – oft aus wirtschaftlichen Motiven – kein Interesse an Digitalisierung, digitalen Übertragungswegen und gemeinsamen Datenformaten hatten und haben.“ Es sei kein Wunder, dass kaum ein Versicherter ein Produkt nutze, das bisher kaum über die Testphase hinausgekommen sei. Auch bei der nun geplanten flächendeckenden Einführung im Jahr 2024 blieben viele Fragen offen: „Sollen zum Beispiel auch die bisher in Praxen, Kliniken und Krankenkassen vorhandenen Patientendaten in die ePA eingepflegt werden und wer soll dies tun? Sind diese Daten miteinander kompatibel und strukturiert sowie für alle Praxen, Krankenhäuser und Apotheken nutzbar und machen alle diese Institutionen mit? Können die Versicherten tatsächlich entscheiden, wer welche ihrer Daten lesen und nutzen darf, und können sie selbst überhaupt diese Daten lesen?“ Daher machten das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) bei ePA und E-Rezept nicht etwa Auflagen bei der Nutzung, sondern Vorgaben zur besseren Ausgestaltung und zur Schließung von Sicherheitslücken. „Gesundheitsdaten sind die sensibelsten Daten der Menschen, deshalb darf es hier kein ,da drücken wir mal die Augen zu‘ oder ,das können wir ja später noch nachbessern‘ geben“, so Kelber. Noch weiter geht die Kritik des Ärzteverbandes Freie Ärzteschaft, der die Aushöhlung der Schweigepflicht befürchtet, wenn künftig Krankheitsdaten automatisiert und verpflichtend aus den Praxen heraus in zentralen Datensammlungen gespeichert und möglicherweise sogar europaweit abrufbar werden und das im Falle der sogenannten „Forschungsinteressen“ sogar ohne jede Möglichkeit des betroffenen Patienten, zu widersprechen: „Die gesamte Planung zielt darauf ab, die ärztliche Schweigepflicht aufzuheben und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten gleich mit“, kritisierte Dr. Silke Lüder, stellvertretende Vorsitzende der Freien Ärzteschaft und Allgemeinärztin in Hamburg, das Vorhaben scharf. Nachbesserungen am Gesetzentwurf fordert auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz, weil Patientinnen und Patienten nicht die Kontrolle über ihre medizinischen Informationen entzogen werden dürfe. „Schweigen bedeutet nicht Zustimmung“, so Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Darüber hinaus befürchtet Brysch, dass technisch weniger versierte Menschen in ihren Rechten beschnitten werden könnten und das seien mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen. Auch der Forschung umfassende Daten anonymisiert zur Verfügung zu stellen, sei bedeutsam für die Bevölkerung. Der Gesetzgeber habe aber dafür Sorge zu tragen, dass so gewonnene Ergebnisse nicht ungefiltert veröffentlicht werden. Auch der dbb ist der Auffassung, dass Umsicht gefragt ist, wenn es um Gesundheitsdaten geht. Selbst wenn die Dateninfrastruktur zu 100 Prozent sicher vor unbefugtem Zugriff ist, bleibt das Risiko des individuellen Umgangs mit den eigenen Daten. Weitere mögliche „Nebenwirkungen“ der Digitalisierung könnten Eingriffe in die Patientenautonomie sein: Die elektronische Gesundheitskarte wird zu einem Datenspeicher par excellence, über den theoretisch Behandlungs- und Verordnungsdaten ausgewertet werden können. So wäre zum Beispiel eine Beschränkung der Arztbesuche pro Quartal leicht umsetzbar, um Kosten zu sparen. Die Möglichkeit für gesetzlich Krankenversicherte, unproblematisch eine Zweit- oder Drittmeinung einholen zu können, stünde dann zur Disposition. br FOKUS 13 dbb magazin | Juli/August 2023
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==