dbb magazin 7-8/2023

Warten. Vor dem Tor. Hübsch ist die Stadt hier nicht, wo zwischen dem Industriegelände des Nordhafens, dem Hohenzollernkanal, dem Berliner Großmarkt und der Stadtautobahn die Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee liegt. „Gefängnisse wurden historisch immer am Stadtrand oder sogar vor den Stadttoren angelegt“, erzählt Thomas Goiny schon vor dem Eingang. Goiny arbeitet als Justizvollzugsbeamter in der JVA Tegel, ist Berliner Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschland und begleitet uns, die Reporterin und den Fotografen. Während wir noch auf den Einlass in das Justizvollzugskrankenhaus (JVK) warten, beschreibt Goiny aus seiner Sicht die Hauptprobleme im Strafvollzug: Es wer- de generell mehr Personal gebraucht, die Gebäude müssten dringend saniert und erweitert werden. Berlin habe, wie jedes Bundesland, eigene Strafvollzugsgesetze. Diese gelten im bundesdeutschen Vergleich als besonders liberal. Auf der anderen Seite gebe es hier die größte Staatsanwaltschaft des Landes mit den meisten Verfahren. Die Situation der medizinischen Betreuung der im Land Berlin Inhaftierten ist nach Goinys Meinung grundsätzlich geprägt vom gestiegenen Bedarf an altenpflegerisch ausgebildetem Personal: „Die Inhaftierten werden immer älter. Die Insassen in Gefängnissen bilden die demografische Entwicklung in Deutschland eins zu eins ab.“ In einer Welt abseits der Welt „Wir hatten gerade die zweithöchste Alarmstufe. War aber nur eine Übung“, erklärt uns die freundliche junge Beamtin, die uns später durch mehrere Sicherheitsschleusen hineinholt. Das JVK des Landes Berlin ist zwar Teil der JVA Plötzensee, innerhalb dieser aber komplett räumlich getrennt, hat einen eigenen Eingang und eine besonders hohe Sicherheitseinstufung. Das bedeutet Mauern. Hohe, mit NATO-Draht. Zäune, Türen, Tore. Jede Laterne ist mit einem Kletterschutz versehen, zwischen den Gehwegplatten wächst kein Unkraut; die Fenster sind ausnahmslos vergittert und jede Tür hat ein großes Sicherheitsschloss. Man muss das wirklich wollen, das Hier-Arbeiten. Steffen Gerber ist einer, der das will. Tattoos und Vollbart entsprechen dem Bild eines Vollzugsbeamten, das manch einer im Kopf hat, vielleicht nicht ganz. Ein Hauch von Heavy Metal scheint den Endvierziger in Justizuniform zu umwehen. Seit 1993 ist er REPORTAGE Justizvollzugskrankenhaus Berlin Haus der Schlüssel Justizvollzugskrankenhäuser sind Krankenhäuser, die Häftlinge behandeln, und Haftanstalten für Erkrankte. Der Spagat, den diese doppelte Rolle dem Personal abverlangt, gelingt im Alltag gut. Aber die Allgemeinheit draußen reagiert häufig mit komplettem Unverständnis. Das erleichtert die Arbeit drinnen nicht. Steffen Gerber ist Justizvollzugsbeamter und Krankenpfleger in Personalunion. © Jan Brenner (12) 14 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2023

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