dbb magazin 7-8/2023

heit“ müsse gewährleistet bleiben, betont Dr. Johannes Kühl. Der Jurist ist der Verwaltungsleiter des Justizvollzugskrankenhauses. Das JVK versorgt gemeinsammit den Arztgeschäftsstellen in den sieben Justizvollzugsanstalten die etwa 3500 Inhaftierten des Landes Berlin. Neben ärztlichem und Krankenpflegepersonal arbeiten hier Physiotherapeuten und medizinische Technologinnen, wie die MTAs von einst heute genannt werden. Belegung bei 60 Prozent Das Krankenhaus verfügt über einen eigenen Alarmkreis, weil hier Patienten und Patientinnen sowohl aus dem offenen als auch aus dem geschlossenen Vollzug, Jugendliche, Untersuchungshäftlinge, aber auch Sicherungsverwahrte behandelt werden. All diese Gruppen müssen innerhalb des Krankenhauses nach unterschiedlichen Vorgaben des Strafvollzugsrechts behandelt werden. „Es ist ein Kunstwerk, eine solche Belegung zu steuern“, unterstreicht Dr. Marc Lehmann, Ärztlicher Direktor des JVK. Von den derzeit belegbaren 82 Betten sind durchschnittlich 60 Prozent belegt. Sowohl Lehmann als auch Sabine Ivančev, Pflegedirektorin des Berliner Justizvollzuges, ist es wichtig zu betonen, dass die Pflege im Vollzug einen ganzheitlichen Ansatz verfolge und auf Resozialisierung abziele. Vollzugsmedizin, sagt Lehmann, müsse notwendig, hinreichend und zweckmäßig sein und dem Äquivalenzprinzip folgen. Das bedeutet, dass ein Patient, dessen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) während der Haftzeit ruht, nach denselben medizinischen Qualitätsstandards behandelt wird, wie ein Kassenpatient draußen. Die Kosten trägt das Bundesland. Das System der medizinischen Versorgung sei justiziabel, unterstreicht Lehmann, der dieses Sonderkrankenhaus des Landes Berlin gemeinsammit Verwaltungsleiter Kühl und Pflegedirektorin Ivančev leitet. Er sagt: „Wahrscheinlich sind wir das am häufigsten überprüfte Krankenhaus im ganzen Land Berlin.“ Die zentrale Herausforderung bei der Behandlung von Gefangenen sieht Lehmann in der höheren Krankheitslast, die diese mitbrächten. Über drei Prozent von ihnen seien über 60 Jahre alt, viele um – statistisch gesehen – 17 Jahre vorgealtert. Mangel an sozialen Bindungen, Drogenabhängigkeit und Schulden kämen als Probleme hinzu. Es gebe Hepatitis- und HIV-Patienten. Das JVK würde mit Standardscreenings aktiv nach Tuberkuloseerkrankungen suchen – und leider immer wieder fündig. Viele Patienten kämen zudem im Rahmen von Ersatzfreiheitsstrafen für nicht bezahlte Geldstrafen direkt von der Straße und nur für wenige Wochen in Haft. Häufig würden sie zum ersten Mal seit Jahren medizinisch versorgt. Sehr viele der Patienten und Patientinnen sind suchtkrank, viele substanzabhängig. Sie erhalten dann in der Haft unter Umständen eine Opiatsubstitutionstherapie. Dass das keine Hafterleichterung bedeutet, versteht, wer sich klarmacht, dass viele der Verbrechen, für die Menschen ins Gefängnis kommen, im Zusammenhang mit einer Sucht begangen worden sind. Die Suchttherapie sollte als Beitrag zur Resozialisierung verstanden werden. Personal händeringend gesucht Ivančev und Lehmann werben für den „funktionierenden Krankenhausbetrieb unter Vollzugsbedingungen“ gemeinsam um dringend benötigtes pflegerisches und ärztliches Personal. Die Gehälter seien „nicht konkurrenzfähig“ und Personal können sie nicht mit Fangprämien von anderen Häusern abwerben. Sabine Ivančev ärgert sich sichtlich über die angesichts des medizinischen Fachkräftemangels durchaus gängige Praxis „draußen“. Die Aufstiegschancen seien bescheiden, und „der Beamtenstatus reißt es nicht raus“, wie Ivančev sagt. Auch ein „geiles Gleitzeitsystem“ hat Lehmann im Schichtdienstbetrieb des Krankenhauses nicht anzubieten. Doch den multiplen Problemlagen der Patienten würde ein „interdisziplinäres Fallmanagement“ gegenPfleger Steffen Gerber am Notfallwagen. Auch der Besuchsraum ist mit Bildern der Häftlinge geschmückt. Dr. Johannes Kühl, Verwaltungsleiter des JVK, Steffen Gerber, Krankenpfleger und Justizvollzugsbeamter, und Dr. Marc Lehmann, Ärztlicher Direktor des JVK (von links). 16 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2023

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