dbb magazin 7-8/2023

anlage versehen. Waschbecken und Toilette sind behindertengerecht. Wände und Böden sind nicht gefliest, sondern mit einem speziellen Kunststoff ausgekleidet, der, obwohl nur mit Wasser gereinigt, verhindern soll, dass sich multiresistente Keime ansiedeln. Das ist auch für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen interessant. Clou ist eine Hebeeinrichtung, die in den Ecken des Bades mithilfe eines auf drei Punkten ruhenden Ständerwerks montiert ist und die den Patienten vom Rollstuhl in die Dusche hebt. Eine Installation an der Decke oder einer der Wände ist nicht notwendig. Ein in die Wand integrierter Ganzkörpertrockner – ein 1,80 Meter langer vertikaler Schlitz, der wie ein riesiger Fön klingt – bildet das i-Tüpfelchen des Raumes. Im dritten Bad wird demonstriert, wie das Standardbad der benachbarten Neubaublocks kostengünstig umgebaut werden kann. Inklusive einfaltbarer Badezimmertür und Infrarotsturzsensor. Auch an den Zimmerdecken hängen Lampen mit Sturzsensoren, deren Software gelernt hat, zwischen einemWäschehaufen, dem zusammengerollt schlafenden Hund und dessen gestürztem Frauchen zu unterscheiden. Mit EKGMessgeräten in der Größe eines i-Phones und dem dazugehörigen Tablet können Patienten und Patientinnen auch in ärztlich unterversorgten ländlichen Gegenden (tele)medizinisch betreut werden. Virtual-Reality-Brillen nehmen mit auf virtuelle Wald- oder Strandspaziergänge. Insbesondere Demenzpatienten können sich so entspannen. In der Küche sind Besteck und Küchenutensilien für diejenigen ausgestellt, die Schwierigkeiten beim Greifen haben. Spüle und Herd sind unterfahrbar, Spülmaschine und Herd in Höhen montiert, die aus sitzender Position bedient werden können. Regalböden in Oberschränken können mithilfe von Zugsystemen nach unten gezogen werden, ohne einen Polterabend zu veranstalten. An der Balkontür werden gleich mehrere Vorschläge gemacht, wie die einzige Schwelle der Wohnung überwunden werden kann. Auf der Terrasse des Hauses werden Varianten von unterfahrbaren Hochbeeten gezeigt und Gartenbänke, auf denen der mobile Teil des Paares und die Person im Rollstuhl Seite an Seite sitzen und die Aussicht genießen können. Produktneutrale Beratung Interessierte können die Räume am besten nach vorheriger Terminvereinbarung besichtigen. Die Wohnung ist ausdrücklich keine Verkaufsausstellung und Besucher werden zu ihren individuellen Problemen unabhängig und produktneutral beraten. Zwischen 60 und 70 Prozent der Produkte, so schätzt Gräff, zahlen die Pflegekassen. Gezeigt werden aber auch Prototypen, die noch gar nicht auf demMarkt erhältlich sind. An neue Ideen kommt der Verein durch klassische Messebesuche oder weil seine Mitglieder, zum Teil selbst Hilfsmittelhersteller, darauf aufmerksammachen. Gräff und seine Mitstreiter nehmen keinesfalls jeden Vorschlag in die Ausstellung mit auf: „Was wir zeigen, muss extrem bedienungssimpel sein“, beschreibt er ein zentrales Kriterium. Gräff kritisiert, dass es kaum neue einfache Hilfsmittel gibt, und blickt bedauernd nach Japan: „Da gibt es viel mehr Erfinder solcher Sachen. Das ist so eine Tüftler-Kultur!“ In Deutschland hingegen seien die Standards für die Marktzulassung von Hilfsmitteln und Assistenzsystemen „teils unerfüllbar hoch“. Gräff wünscht sich zudemmehr Tempo bei der Vergabe von Hilfsmittelnummern. Das sei die Voraussetzung dafür, dass die Kosten für Hilfs- oder Pflegehilfsmittel von Kranken- beziehungsweise von Pflegekassen übernommen und die Betroffenen auch finanziell entlastet würden. Den laufenden Betrieb finanziert der Verein durch Spenden und durch die Beiträge seiner Mitglieder. Im Vorstand des Vereins sitzen neben Geschäftsführer Gräff und der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic auch Professor Doktor Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin, sowie – als Vorsitzender – der Physiologe Professor Doktor Günter Stock. Die Vereinsmitglieder kommen aus dem Stadtteil, der Wissenschaft und der Industrie. Sachverstand, handwerkliche Erfahrung, Wissen um die Bedürfnisse und Kenntnis regionaler, aber auch rechtlicher Bedingungen können so gebündelt wirken. Aktuell soll die Ausstellung um Varianten für barrierefreie Büroarbeitsplätze erweitert werden, „inklusive höhenverstellbarem Konferenztisch und Aktenschränken“. In Zukunft ist der Blumberger Damm 2 k auch für die Behindertenvertrauensleute der Gewerkschaften ein interessantes Ziel für Fortbildungen und Beratungsrunden mit betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Christian Gräff möchte sich künftig über seine Arbeit im Berliner Abgeordnetenhaus und im Verein hinaus noch stärker als bisher im Bereich barrierefreies Bauen engagieren. Da der Bedarf an Wohungen in nächster Zukunft wohl nicht sinken wird, ergibt sich für Christian Gräff ein auf Jahre hin nicht auzuschöpfendes Betätigungsfeld in einem Bezirk, in dem 2022 17,5 Prozent aller Berliner Neubauwohnungen errichtet worden sind. ada Smart Living & Health Center e. V.: smart-living-health.de Serviceportal des Bundesministeriums für Senioren: t1p.de/barrierefreies-wohnen Webtipp Die Küche zeigt zum Teil verblüffend einfache Möglichkeiten, Wohnumfelder behindertengerecht zu machen. 26 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2023

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