oder beamtenrechtlich geahndet werden.“ Gerade in Hinblick auf sexualisierte Gewalt müssten Führungskräfte sofort einschreiten, unterstrich Walter. „Jeder Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung ist sexualisierte Gewalt. In diesem Punkt kann es keine Grauzonen mehr geben! Lassen Sie uns gemeinsam eine Nulltoleranzpolitik vertreten und im Alltag leben!“ Jenner: Die Betroffenen definieren die Verletzung der Würde Dr. Sabine Jenner, dezentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte an der Charité Berlin und Co-Autorin der Studie „Prävention sexueller Belästigung“, hob hervor, dass für Grenzverletzungen die Perspektive der Betroffenen der entscheidende Maßstab sei: „Die Verletzung der Würde wird durch die Betroffenen definiert, nicht durch die Verursachenden.“ Grenzverletzungen seien zudem auch immer Machtdemonstrationen zwischen zwei Personen – ein Grund, warum unter anderem etwa junge Menschen besonders gefährdet seien. Insgesamt gehe es in Fällen von Mobbing oder Belästigung auch heute noch immer zu oft um die Verursacherperspektive. Betroffene bräuchten mehr Unterstützung im Umgang mit solchen Situationen, weil etwa Vermeidungsstrategien oft zu einer Verschärfung der Situation führten. „Das seelische Leid ist enorm und kann sogar zu Dauererkrankungen führen. Wir können es uns in der Charité schon mit Blick auf den Fachkräftemangel nicht mehr leisten, Leute auf diese Art zu verlieren.“ Maurer: psychische und gesundheitliche Schäden durch Mobbing Sandra Maurer, Rechtsanwältin und Co-Autorin des Buchs „Mobbing und sexuelle Belästigung im öffentlichen Dienst“, konzentrierte sich in ihrem Impulsvortrag vor allem auf die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen von Langzeitmobbing: „Die Betroffenen werden immer misstrauischer. Sie glauben, ständig auf der Hut und in Verteidigungshaltung sein zu müssen. Der daraus resultierende Stress hat Auswirkungen auf die Arbeit, auf die Leistungsfähigkeit, auf das Miteinander im Job und auf die psychische Gesundheit.“ In der Konsequenz verursache Mobbing damit nicht nur psychische und gesundheitliche, sondern durch Leistungsabfall, Erkrankung und Fehlzeiten auch immense volkswirtschaftliche Schäden. Die Prävention gegen Mobbing am Arbeitsplatz müsse dabei bereits in Kita und Schule beginnen: „Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Arbeitnehmer von morgen. Wertschätzung und Respekt – oder eben das Gegenteil – lernt man zuerst und am nachhaltigsten in Kita und Schule.“ Studien belegten, dass statistisch in jeder Klasse ein bis zwei Kinder selbst Mobbingopfer werden. Maurer: „Also herrscht schon in unseren Schulen nicht das sichere Umfeld, das wir als Gesellschaft für die Schaffung eines angstfreien Arbeits- und Lebensumfelds jedoch unbedingt brauchen.“ Ataman: Betroffene brauchen Anlaufstellen Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, berichtete über interne Anlaufstellen bei Mobbing und sexueller Belästigung: „Ein Problem ist: Beschäftigte wissen oft nicht, dass es in ihrer Arbeitsstelle eine Anlaufstelle gibt, weil oft gar nicht darüber informiert wird. Und selbst wenn es eine gibt, trauen sich Betroffene häufig nicht, auf diese zuzugehen, aus Angst vor negativen Konsequenzen für sich selbst.“ Arbeitgeber müssten dafür sorgen, dass sich Beschäftigte am Arbeitsplatz wohlfühlten: „Wenn der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nachkommt, hat er versagt.“ Ataman schlug fünf Maßnahmen vor, wie Übergriffen vorgebeugt und dokumentierte Fälle nachverfolgt werden können: „Klare Prozesse bei Belästigungsfällen schaffen, auf diese Prozesse und die Anlaufstelle aufmerksammachen, verpflichtende Fortbildungen zur Sensibilisierung und Aufklärung abhalten, regelmäßige anonyme Befragungen bei den Beschäftigten durchführen und Verhaltensgrundsätze festlegen.“ Die Bundesbeauftragte plädierte zudem dafür, die Anzeigefrist von zwei auf zwölf Monate zu erhöhen. „In unserer Erfahrung sind zwei Monate zu wenig für die Betroffenen, um sich dafür zu entscheiden, juristische Schritte einzuleiten und diese auch vorzubereiten. Darüber hinaus brauchen wir eine Beweislasterleichterung, da es oft erschwert ist, eine Belästigung vor Gericht nachzuweisen“, so Ataman. Fishbowl-Debatte: mehr auf Mobbing und Anlaufstellen aufmerksammachen „Sexuelle Belästigung, Gewalt und Mobbing – Konzepte und Maßnahmen für Schutz am Arbeitsplatz“ lautete der Titel der Fishbowl-Debatte am Nachmittag. Neben dbb frauen Chefin Milanie Kreutz und Sandra Maurer diskutierten Kathrin Böhler, juristische Referentin im Beratungsreferat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, und Dr. Nina Guérin, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes Baden-Württemberg, mit dem Publikum. Milanie Kreutz stellte klar, dass von Gewalt, Mobbing oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffene Frauen Freiraum brauchen, der es ihnen überhaupt erlaubt, sich zur Gegenwehr zu 30 INTERN dbb magazin | Juli/August 2023
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