dbb magazin Demokratie | Gesellschaft im Stresstest Interview | Stephan Weil, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz Reportage | Maßregelvollzug: Klinik mit begrenzter Freiheit 9 | 2023 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst
STARTER Demokratie ist kein Selbstläufer Demokratie ist kein statisches Konzept. Sie funktioniert nur als dynamischer Prozess, der wiederum zwingend die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger voraussetzt. In einer Zeit, in der sich Informationen immer schneller ungefiltert verbreiten und in der politische Diskurse öfter von Spaltung als von Konsens geprägt sind, gerät die Demokratie in Gefahr, wenn sich eine Mehrheit mühsamen, aber notwendigen Debatten verweigert. Gesellschaftliche Verantwortung, kritisches Denken und informierte Meinungsbildung stehen hoch im Kurs, wenn es darum geht, populistische Sprechblasen zu entlarven und der drohenden Spaltung der Gesellschaft entgegenzutreten. Jede und jeder kann dazu beitragen, sei es durch Engagement im privaten Umfeld, in zivilgesellschaftlichen Organisationen oder in politischen Parteien. Die Demokratie floriert, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen artikulieren, auf Missstände hinweisen und Veränderungen im Sinne des Gemeinwohls vorantreiben. Die in dieser Ausgabe des dbb magazins vorgestellten Sichtweisen, Analysen und Anregungen sind Beispiele dafür, wie demokratische Prozesse dynamisch gestaltet werden können, damit unsere Gesellschaft die Stresstests und handfesten Krisen übersteht, die sie gerade durchläuft. br 10 4 TOPTHEMA Demokratie 24 AKTUELL UMFRAGE dbb Bürgerbefragung 2023: Vertrauen sinkt, Gewaltbereitschaft steigt 4 NACHRICHTEN Einkommensrunde 2023: Regionalkonferenzen bündeln Forderungen 6 Personalmangel und Leistungsfähigkeit des Staates: „Es wird noch viel öfter rumpeln“ 8 FOKUS INTERVIEW Stephan Weil, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz: Wir erleben gerade einen sehr aktiven Staat 10 BLICKPUNKT Wahlrecht für Jugendliche: Welches Wahlalter ist angemessen? 12 ANALYSE Protestkultur: Kein neuer Radikalisierungstrend nach Corona 15 Medienvertrauen in Deutschland: Stabil, aber nicht unerschütterlich 16 BRENNPUNKT Demokratieforschung: Warnsignale müssen ernst genommen werden 20 NACHGEFRAGT Prof. Dr. Claus Leggewie, Justus-Liebig- Universität Gießen: Die globale Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Autokratie findet jetzt statt 22 REPORTAGE Alltag im Maßregelvollzug: Klinik mit begrenzter Freiheit 24 INTERN EUROPA Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin: Zu viel Regulierung hemmt Innovationen 30 SENIOREN dbb Bundesseniorenkongress: Senioren sind gesellschaftspolitische Player 32 FRAUEN Gleichstellung: Starke Politik braucht starke Frauen 34 dbb Podcast „DienstTag“: „Durch den Klimaschutz ändert sich mein Selbstbild als Försterin“ 41 Impressum 42 KOMPAKT Gewerkschaften 44 Alex Vámos/Unsplash.com 12 AKTUELL 3 dbb magazin | September 2023
UMFRAGE dbb Bürgerbefragung 2023 Vertrauen sinkt, Gewaltbereitschaft steigt Nur noch 27 Prozent der Bürgerinnen und Bürger glauben, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Sie sehen ihn vor allem mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Bildungspolitik sowie der Klima- und Umweltpolitik überfordert. Gleichzeitig nimmt die Gewaltbereitschaft gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu. Das sind die zentralen Ergebnisse der 17. dbb Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst. Die vom Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des dbb durchgeführte Studie hat darüber hinaus ergeben, dass alle abgefragten staatlichen Dienstleistungen und Institutionen im Jahr 2023 schlechtere PerformanceNoten bekommen haben als im Vorjahr. „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit ihres Staates ist damit auf einen neuen Tiefpunkt gesunken“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach die Ergebnisse am 15. August 2023 in Berlin. „Das ist alarmierend und besorgniserregend.“ Gesellschaft will mehr Service Die wichtigsten Aufgaben des Staates sind aus Sicht der Befragten die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit, die Verbesserung der Infrastruktur sowie der Klimaschutz. Im Westen sehen die Menschen Klimaschutz, Migrationsfragen und die Unterstützung der Ukraine als wichtigste Staatsaufgaben, im Osten eher die Entlastung der Bevölkerung von Inflationsfolgen, der soziale Ausgleich und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. Was konkrete Maßnahmen betrifft, um die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten oder zu verbessern, wünscht sich die große Mehrheit vor allem eine schnellere und bessere Terminvergabe für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger (71 Prozent), eine konsequente Digitalisierung aller Aufgaben des öffentlichen Dienstes (69 Prozent) sowie die Verbesserung von Beratung und Service (66 Prozent). 43 Prozent halten dafür auch eine ausreichend gute und leistungsgerechte Bezahlung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, 41 Prozent eine Ausweitung der Öffnungszeiten der Behörden und 37 Prozent eine Verjüngung des öffentlichen Dienstes für erforderlich. Der Stresslevel steigt „Besonders bedenklich ist die sich immer stärker abzeichnende Spaltung der Gesellschaft“, erläuterte Silberbach. „Die Gräben zwischen Ost und West, Arm und Reich werden je nach Bildungsabschluss tiefer und der gesellschaftliche Stresslevel steigt.“ Inzwischen konstatieren 80 Prozent der Befragten eine generelle Verrohung der Gesellschaft. 26 Prozent sind dabei selbst Zeuge von Übergriffen auf öffentlich Bedienstete geworden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (54 Prozent) sind selbst beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden. „Das ist ein vollkommen inakzeptabler Wert! Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zahlen die Zeche für den generellen Ansehensverlust des Staates, nicht nur bei Polizei und Rettungsdiensten, sondern auch in Schulen, Jobcentern und Bürgerämtern.“ Verrohung und Gewaltbereitschaft seien inzwischen ein riesiges Problem für den öffentlichen Dienst und die ganze Gesellschaft. „Schauen Sie sich nur an, was im Internet, in Fußballstadien oder im Straßenverkehr los ist.“ „Gewinner“ und „Verlierer“: Ansehen einzelner Berufsgruppen – Veränderungen von 2007 zu 2023 Angaben in Prozentpunkten dbb Chef Ulrich Silberbach und Manfred Güllner (forsa, links) stellten die Ergebnisse der Bürgerbefragung 2023 in Berlin vor. © Marco Urban 4 AKTUELL dbb magazin | September 2023
Im ZDF-Morgenmagazin vom 15. August 2023 unterstrich Silberbach diese Positionen im Vorfeld der Pressekonferenz zur Bürgerbefragung: „Wir stellen fest, dass sich das gesellschaftliche Klima nicht zum Positiven entwickelt. Das spiegelt sich im Verhalten mancher Menschen wider.“ Dabei sei eine Mischung aus verschiedenen Faktoren auffällig: „Da ist einerseits Respektverlust. Wir haben es mit Menschen zu tun, die sich offensichtlich einen Spaß daraus machen, Rettungskräfte anzugreifen oder in einen Hinterhalt zu locken. Anderseits stellen wir im politischen Diskurs fest, dass bestimmte Hemmschwellen gefallen sind.“ Gewalt werde eingesetzt, um dem Staat zu zeigen: „Ich mache nicht, was du von mir willst.“ Die Lösung könne jedoch nicht die Abschottung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes „mit Sicherheitsglas und Schleusen“ sein, denn das gehe zulasten der Bürgernähe. Notwendig sei ein neuer politischer Diskurs, der „klare Kante“ gegen diese Verstöße zeige, sowie ausreichend Personal bei Sicherheit und Justiz, „um denjenigen, die unser System mit Füßen treten, Herr zu werden“. Mehr politische Unterstützung gefordert Was sagen die Beschäftigten selbst? Die Einschätzung, welche Maßnahmen besonders erforderlich sind, unterscheiden sich zwischen Ost und West teilweise deutlich. Gleiches gilt für die beiden Beschäftigtengruppen innerhalb des öffentlichen Dienstes. So sehen Beamte häufiger als Tarifbeschäftigte eine Dringlichkeit in der konsequenten Digitalisierung aller Aufgaben sowie in einer guten und leistungsgerechten Bezahlung. Für die Tarifbeschäftigten hat die schnellere und bessere Terminvergabe, die Verbesserung von Beratung und Service sowie eine Verjüngung des öffentlichen Dienstes höhere Priorität. Bezüglich ihrer Gewalterfahrung geben mit 54 Prozent mehr als die Hälfte der im öffentlichen Dienst Beschäftigten an, selbst schon einmal bei ihrer Tätigkeit behindert, beschimpft oder tätlich angegriffen worden zu sein. Beamte sind davon deutlich häufiger betroffen als Tarifbeschäftigte. Im Vergleich zu 2019 ist der Anteil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, die selbst Opfer eines solchen Vorfalls waren, um sechs Prozent gestiegen. Auf der Pressekonferenz zur Studie im dbb forum berlin rief Silberbach die Politiker in Bund, Ländern und Gemeinden dazu auf, sich vor ihre Beschäftigten zu stellen und sie moralisch, materiell und organisatorisch angemessen zu unterstützen: „Lasst uns endlich unsere Arbeit machen. Was die Bürgerinnen und Bürger – und übrigens auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst – wollen, ist ganz einfach: Der Staat soll seine Aufgaben erfüllen und für die Menschen da sein.“ Sie wollten keinen anderen Staat, sondern einen effizienten. Auch da seien die Ergebnisse der Bürgerbefragung eindeutig. „Statt die Mittel für die Digitalisierung zu kürzen und ständig immer neue, immer kompliziertere Gesetze zu verabschieden, sollte die Bundesregierung das Gegenteil tun: mehr Digitalisierung, mehr Bürokratieabbau und mehr Serviceleistungen im öffentlichen Dienst umsetzen.“ ■ Die dbb Bürgerbefragung 2023 steht zum kostenlosen Download bereit: t1p.de/ buergerberfagung2023. dbb Bürgerbefragung 2023 dbb Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst 2023 Foto: Colourbox.de Einschätzungen, Erfahrungen und Erwartungen der Bürger 11 dbb Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst 2023 3 Bewertung verschiedener Einrichtungen der öffentlichen Hand Den Befragten wurden verschiedene öffentliche Einrichtungen genannt mit der Bitte, die Arbeit dieser Einrichtungen anhand von Schulnoten von 1 bis 6 zu bewerten. Weiterhin schneiden die Straßenreinigung bzw. Müllabfuhr sowie die Bibliotheken (jeweils 2,0), gefolgt von den Museen (2,1) am besten ab. Landes- bzw. Bundesministerien (3,6 bzw. 3,8) sowie Arbeits- und Sozialämter (3,5 bzw. 3,4) werden im Vergleich zu den anderen Behörden schlechter bewertet. Die Bewertung der Arbeit der verschiedenen Behörden fällt alles in allem ähnlich aus wie im vergangenen Jahr. Im Vergleich zum Jahr 2020 werden insbesondere Landes- und Bundesministerien (- 0,5 bzw. – 0,6) sowie Krankenhäuser und Finanzämter (jeweils – 0,4), aber auch viele andere Behörden (Straßenreinigung und Müllabfuhr, Kindergärten, Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung, Schulen – jeweils – 0,3) schlechter bewertet. Bewertung einzelner Behörden Es vergeben die Schulnote (Mittelwert) Veränderung: 2020 2021 2022 2023 2023 – 2022 2023 - 2020 Straßenreinigung, Müllabfuhr 1,7 1,8 1,9 2,0 - 0,1 - 0,3 Bibliotheken 1,9 1,9 2,0 2,0 0 - 0,1 Museen 2,0 1,9 2,1 2,1 0 - 0,1 Kindergärten 2,2 2,2 2,4 2,5 - 0,1 - 0,3 Hallenbäder, Freibäder 2,4 2,4 2,5 2,5 0 - 0,1 Fachhochschulen, Universitäten 2,3 2,4 2,5 2,5 0 - 0,2 Polizei, Kriminalpolizei 2,3 2,4 2,5 2,5 0 - 0,2 Krankenhäuser 2,4 2,5 2,7 2,8 - 0,1 - 0,4 Sozialversicherung 2,7 2,8 2,9 2,9 0 - 0,2 Gerichte 2,8 2,8 3,0 3,0 0 - 0,2 Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung 2,8 2,9 3,1 3,1 0 - 0,3 Finanzämter 2,8 2,9 3,1 3,2 - 0,1 - 0,4 Schulen 2,9 3,0 3,1 3,2 - 0,1 - 0,3 Sozialämter 3,2 3,2 3,4 3,4 0 - 0,2 Arbeitsämter 3,3 3,4 3,6 3,5 + 0,1 - 0,2 Landesministerien 3,1 3,4 3,5 3,6 - 0,1 - 0,5 Bundesministerien 3,2 3,6 3,7 3,8 - 0,1 - 0,6 35 dbb Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst 2023 8.4 Von Übergriffen betroffene öffentlich Bedienstete Über die Hälfte der selbst im öffentlichen Dienst Beschäftigten (54 %) geben an, selbst schon einmal bei ihrer Tätigkeit behindert, beschimpft oder tätlich angegriffen worden zu sein. Beamte geben deutlichhäufiger als Tarifbeschäftigte an, schon einmal eine derartige übergriffige Tat erlebt zu haben. Im Vergleich zu 2019 ist der Anteil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, die selbst Opfer eines solchen Vorfalls waren, tendenziell etwas angestiegen (+ 6 Prozentpunkte). Von Übergriffen betroffene öffentlich Bedienstete Es wurden selbst schon einmal bei ihrer Tätigkeit behindert, beschimpft oder tätlich angegriffen % Öffentlich Bedienstete insgesamt 2019 48 2023 54 Beamte 67 Tarifbeschäftigte 48 Männer 51 Frauen 56 Basis: Beschäftigte des öffentlichen Dienstes Vergleich mit 2019 aufgrund geringer Fallzahlen nur in Tendenzen möglich 21 dbb Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst 2023 Die Einschätzung, welche Maßnahmen besonders erforderlich sind, unterscheiden sich zwischen Ost und West teilweise deutlich. Gleiches gilt für die beiden Beschäftigtengruppen innerhalb des öffentlichen Dienstes. So sehen Beamte häufiger als Tarifbeschäftigte eine Dringlichkeit in der konsequenten Digitalisierung aller Aufgaben und auch in der ausreichend guten und leistungsgerechten Bezahlung. Für die Tarifbeschäftigten hat die schnellere und bessere Terminvergabe, die Verbesserung von Beratung und Service und eine Verjüngung des öffentlichen Dienstes hingegen höhere Priorität. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes I Folgende Maßnahmen sind besonders erforderlich, um die Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes aufrecht zu erhalten bzw. zu verbessern: insgesamt: Ost West Öffentlich Beschäftigte: 2022 2023 insgesamt Beamte Tarifbeschäftigte % % % % % % % Eine schnellere und bessere Terminvergabe 68 71 77 70 65 61 66 Eine konsequente Digitalisierung aller Aufgaben des Öffentlichen Dienstes 71 69 64 70 70 78 66 Verbesserung von Beratung und Service 64 66 75 65 57 51 59 Eine ausreichend gute und leistungsgerechte Bezahlung der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes 42 43 35 44 66 70 64 Eine Ausweitung der Öffnungszeiten der Behörden 43 41 44 41 32 30 33 Die Verjüngung des Öffentlichen Dienstes 41 37 39 37 45 40 47 Prozentsumme größer 100, da Mehrfachnennungen möglich AKTUELL 5 dbb magazin | September 2023
NACHRICHTEN Einkommensrunde 2023 für die Beschäftigten der Länder Regionalkonferenzen bündeln Forderungen Am 26. Oktober 2023 beginnen die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Auch wenn die Einkommensrunde nicht einfach werden dürfte, sucht der dbb bis Anfang Dezember den Abschluss am Verhandlungstisch. Im Vorfeld der Tarifrunde sollen sechs Regionalkonferenzen mit Beschäftigten aller Berufsgruppen ausloten, wo der Handlungsdruck für die Kolleginnen und Kollegen besonders groß ist. Wir müssen davon ausgehen, dass unsere Argumente allein nicht zu einem guten Abschluss führen werden“, erklärt dbb Tarifchef Volker Geyer. „Deshalb brauchen wir ein hohes Maß an Kommunikation, Planung und verbindlichen Absprachen. Das hat die jüngste Einkommensrunde mit Bund und Kommunen in diesem Frühjahr bewiesen, und die Rahmenbedingungen werden in diesem Herbst sicher keine anderen sein. Der größte Unterschied zwischen den beiden Runden liegt organisatorisch darin, dass es mit der TdL keine Schlichtungsvereinbarung gibt.“ Es gebe eine hohe Erwartungshaltung der Kolleginnen und Kollegen, die sich am erzielten Abschluss für die Beschäftigten von Bund und Kommunen orientiere. „Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diese Erwartungshaltung, unsere Forderung, die wir am 11. Oktober 2023 in Berlin beschließen werden, und unsere Durchsetzungsfähigkeit in Einklang zu bringen. Diese drei Aspekte müssen mehr denn je zueinander passen“, betont Geyer. Dazu gehöre es auch, die Forderungen argumentativ zu untermauern: „Allerdings haben wir die besten Argumente schon seit Jahren auf unserer Seite. Und jedes Jahr, das die öffentlichen Arbeitgeber verstreichen lassen, ohne sich ernsthaft um den Fachkräfte- und Personalmangel zu kümmern, verstärkt unsere Argumentation noch.“ Der Personalmangel ist offensichtlich und der Konkurrenzdruck durch die Privatwirtschaft für jedermann greifbar: „Zu große Schulklassen, zu wenig Personal selbst auf Intensivstationen und Überstunden ohne Ende bei der Polizei sind keine Erzählung fantasievoller Gewerkschafter. Sie sind nüchterne Realität in Deutschland. Trotzdem gilt: Sachargumente sind gut, aber sie werden nur gehört, wenn wir – die Arbeitnehmenden aus dem Länderbereich sowie die Beamtinnen und Beamten der Länder und Kommunen – sie lautstark und nachdrücklich vertreten.“ Deshalb hat der dbb bundesweit sechs Regionalkonferenzen organisiert, um den Zusammenhalt von Beschäftigten und Gewerkschaftern aus den Fachgewerkschaften und Landesbünden des dbb zu unterstreichen und konstruktive Gespräche im Vorfeld der Einkommensrunde zu führen. Dabei sollen keine „Vorgaben aus Berlin“ gemacht werden: „Das hat viel mit Zuhören, Planen und mit konkreten Absprachen zu tun. In diesem Sinne verstehen wir die Regionalkonferenzen als Ort der Diskussion. Am Ende des Prozesses soll niemand isoliert in seiner Erwartungshaltung bleiben. Stattdessen werden wir den Input zum 11. Oktober zu einer Forderung bündeln und diese anschließend – gegebenenfalls auch mit Demos und Streiks – durchsetzen.“ Flankierend dazu werde am 25. September 2023 die obligatorische dbb Streikleiterkonferenz stattfinden, die „das Handwerkszeug zum Plan“ vermittelt. ■ 5. September 2023 in Düsseldorf 6. September 2023 in Leipzig 12. September 2023 in Stuttgart 14. September 2023 in Nürnberg 20. September 2023 in Hamburg 21. September 2023 in Mainz Die dbb Regionalkonferenzen finden statt Model Foto: Colourbox.de 6 AKTUELL dbb magazin | September 2023
Personalmangel und Leistungsfähigkeit des Staates „Es wird noch viel öfter rumpeln“ Dem öffentlichen Dienst fehlt auf allen Ebenen Personal. Die Bevölkerung werde das in den kommenden Jahren noch stärker zu spüren bekommen, warnt dbb Chef Ulrich Silberbach. In den kommenden zehn Jahren werden über 1,3 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes altersbedingt ausscheiden. „Wenn sie überhaupt so lange durchhalten, denn bereits heute fehlen etwa 360 000 Leute – das macht die Arbeit für die vorhandenen Kolleginnen und Kollegen natürlich umso stressiger“, erklärte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 8. August 2023 gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. „Es wird noch viel mehr, öfter und lauter rumpeln als jetzt.“ Wenn Digitalisierung und Bürokratieabbau keine Fortschritte machten, werde der Personalmangel Bearbeitungsfristen verlängern, Betreuungsschlüssel verschlechtern und die staatliche Leistungsfähigkeit insgesamt signifikant schwächen. Der Staat muss besser bezahlen Die sinkende Leistungsfähigkeit der Daseinsfürsorge führe in der Bevölkerung zu Frust, der immer wieder auch in Aggressivität und Gewalt gegenüber den Beschäftigten umschlage: „Die Gesellschaft verroht, das Misstrauen gegen den Staat wächst. Leidtragende sind natürlich auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, nicht nur bei Polizei und Rettungsdiensten, sondern auch in Schulen, Jobcentern und Bürgerämtern.“ Um mehr Menschen für die Arbeit beim Staat zu gewinnen, will der dbb Chef die Bedingungen dort verbessern. Der öffentliche Dienst müsse besser bezahlen. Gerade in Zeiten steigender Inflation bräuchten die Leute mehr Geld in der Tasche. „Eine Möglichkeit wäre, Zuschläge und Zulagen wieder steuerfrei zu stellen. Außerdem können wir flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle anbieten, den Einsatz für das Gemeinwohl hervorheben und auch mit der relativen Sicherheit des Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst werben. Das sind keine schlechten Argumente.“ Fatales Sparen an Digitalisierung dbb und dbb jugend kritisieren in diesem Zusammenhang auch den Plan der Bundesregierung, die Ausgaben für die Digitalisierung zu kürzen. Das Klein-Klein um Zuständigkeiten habe bereits das Onlinezugangsgesetz (OZG) verzögert. Eigentlich sollten Bund, Länder und Gemeinden ihre Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 digital anbieten. „Dieses Ziel wurde bekanntermaßen krachend verfehlt“, sagte Silberbach am 7. August 2023 in Berlin. „Und in dieser Gemengelage will die Bundesregierung nun die Ausgaben für die Digitalisierung kürzen. Diese Einsparungen müssen verhindert werden, sonst brauchen wir beim OZG noch einen dritten Anlauf. Das wäre fatal.“ Nicht zuletzt hätten Kürzungen direkte Auswirkungen auf die Attraktivität der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst und würden den Fachkräftemangel weiter verschärfen. „Wenn wir hier nicht mit der Zeit gehen und die Digitalisierung weiter verschlafen, nehmen uns junge Leute als modernen Arbeitgeber nicht mehr ernst.“ Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend, sieht in den Sparplänen der Bundesregierung einen Offenbarungseid: „Offenbar will die Regierung an Faxgeräten und Zettelwirtschaft festhalten“, kritisierte er. „Damit überzeugt man keine potenziellen Nachwuchskräfte.“ Umso wichtiger sei es, dass die Jugend ihre Stimme einbringe. Gelegenheit dazu soll es auf dem Ideencampus der dbb jugend am 19. Oktober 2023 in Berlin geben. Dieses Jahr lautet der Fokus: „Generation Krise – staatklar für die Zukunft?“ Fandrejewski: „Über junge Menschen, ihre Ziele und Visionen wird gerne geredet. Auf dem Ideencampus spricht die Generation der Zukunft selbst.“ ■ Jürgen Köster Der dbb trauert um Jürgen Köster. Der ehemalige Landesvorsitzende des dbb bremen ist am 17. August 2023 im Alter von 69 Jahren überraschend verstorben. Jürgen Köster war langjähriges Mitglied der komba gewerkschaft und stellvertretender Vorsitzender der komba gewerkschaft bremen. Seit November 2015 war er Landesvorsitzender des dbb bremen, den er bis 2022 erfolgreich und engagiert führte. Jürgen Köster war ein überzeugter Gewerkschafter mit Leib und Seele, der sich mit seiner Fachkompetenz auch im dbb Bundesvorstand und in der damals noch sogenannten dbb Grundsatzkommission für Wirtschafts- und Steuerpolitik verdient gemacht hat. In den Gremien des dbb wurde Jürgen Köster für sein Engagement, seine Kollegialität und die stets freundliche Art sehr geschätzt. Der dbb wird Jürgen Köster ein ehrendes Andenken bewahren. Nachruf © privat © Arlington Research/Unsplash.com 8 AKTUELL dbb magazin | September 2023
Beamtinnen und Beamte des Bundes Disziplinarrecht droht komplizierter zu werden Statt Disziplinarverfahren gegen Beamtinnen und Beamte zu beschleunigen, drohen sie durch eine geplante Reform noch länger und umständlicher zu werden, warnt der dbb. Derzeit besteht der Prozess aus dem behördlichen Disziplinarverfahren und einem bis zu drei Stufen langen gerichtlichen Instanzenzug. Jetzt soll ein behördliches Widerspruchsverfahren hinzukommen. „Das eigentliche Ziel des Entwurfs ist es, verfassungsfeindliche Beamtinnen und Beamte schneller aus dem Dienst zu entfernen, was so nicht gelingen kann. Insofern haben wir es hier leider mit einer Verschlimmbesserung zu tun“, kritisierte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Heiko Teggatz bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag am 12. Juni 2023. Für die geplante drastische Änderung des Rechts gebe es keinen nachvollziehbaren Grund. Teggatz: „Die Folge des neuen Entwurfs wird kein schnelleres Ausmustern verfassungsfeindlicher Beamtinnen und Beamten sein, sondern mehr Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Beschäftigten. Und das, obwohl es sich bei den anvisierten faulen Äpfeln um sehr seltene Einzelfälle handelt.“ So habe es 2021 nur 373 Disziplinarmaßnahmen gegeben, die 0,2 Prozent der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten betrafen. Disziplinarklagen gab es im gleichen Zeitraum in 25 Fällen, was 0,01 Prozent der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten entspricht. „Selbstverständlich müssen wir mit allen Mitteln gegen Verfassungsfeindlichkeit vorgehen. Diese Gesetzesänderung damit zu begründen, ist jedoch fernab der Realität.“ Teggatz schlug vor, eine zentrale Stelle einzuführen, die die Ermittlungen bei entsprechenden Verfahren durchführt, wie es zum Beispiel in Bayern üblich ist. „Der dbb fordert, die Position des Bundesdisziplinaranwalts wieder einzuführen. Dort können Fachleute die Ermittlungsverfahren sachkundig und effektiv bearbeiten. Sie haben das Wissen, wie ein solches Verfahren zügig und rechtsstaatlich durchgeführt werden kann.“ Außerdem fordert der dbb ein bundeseinheitlich geregeltes Disziplinarrecht. ■ Model Foto: MIND AND I/Colourbox.de
INTERVIEW Stephan Weil, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Ministerpräsident von Niedersachsen Wir erleben gerade einen sehr aktiven Staat © Anne Hufnagel Eine wehrhafte Demokratie braucht das Engagement der gesamten Gesellschaft. Selbst wenn die Politik ihre Vorhaben gut erklärt, setzt das voraus, dass die Menschen auch zuhören. Wie aber erreicht Politik diejenigen, die gar nicht mehr zuhören wollen? Durch gute Politik. Durch Politik, die das Leben der Menschen konkret verbessert und die Themen erfolgreich bearbeitet, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Durch Politik, die eine klare Orientierung bietet und Vertrauen schafft. Wenn Bürgerinnen und Bürger dagegen den Eindruck haben, dass Politik vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, dann wenden sie sich ab. Das konnte man leider zuletzt bei der Debatte um das Heizungsgesetz beobachten. In einer Demokratie darf und muss über den richtigen Weg auch gestritten werden – innerhalb einer Regierung sollte dies aber außerhalb der Öffentlichkeit geschehen und anschließend eine gemeinsame gute Lösung präsentiert werden. Wobei sich auch die Opposition nicht mit Ruhm bekleckert hat. Politik muss nahbar und verlässlich sein. Gelingt das, so meine Erfahrung in Niedersachsen, kann man die überwiegende Mehrheit der Menschen auch erreichen. Viele Bürgerinnen und Bürger zweifeln mittlerweile an der Handlungsfähigkeit des Staates, nicht zuletzt aufgrund ungelöster Probleme bei Bildung, Infrastruktur und beim Gesundheitssystem. Bekommt die elementare Daseinsfürsorge noch genug politische Aufmerksamkeit? Die Aufgaben des Staates sind gewachsen und werden auch künftig nicht weniger werden. Das liegt daran, dass zeitgleich große Veränderungen bewältigt werden müssen. Ich warne aber vor einem Zerrbild. Mit der Parole vom „Staatsversagen“ betreibt vor allem Rechtsaußen Kampagnen. Das Gegenteil stimmt: Wir erleben gerade einen sehr aktiven Staat – und das ist genau die richtige Herangehensweise in Zeiten des Umbruchs. Viele große Themen werden angepackt: Krankenhausreform, Fachkräftezuwanderung, Energiewende – um nur einige Beispiele zu nennen. Alle politischen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – stellen sich den großen Herausforderungen. Zu viel politische Aufmerksamkeit hingegen führt zu Überregulierung. Nicht erst durch neue Umweltgesetze ist die Regelungsdichte in Deutschland gestiegen, denn jede Legislaturperiode bringt bis zu 600 neue Gesetze hervor. Verlangt der Staat mittlerweile zu viel von Verwaltung, Wirtschaft und Bevölkerung? Gerade bei den Themen Klima und Umwelt gibt es eine große Einsicht in der Gesellschaft, mehr tun zu müssen als früher. Aber völlig außer Frage steht, dass wir in vielen Bereichen sehr viel schneller und unkomplizierter werden müssen. Verfahren müssen einfacher werden und zudem bürgernäher, was heutzutage in vielen Fällen auch digitaler heißt. Die Ampelkoalition hat sich Ende März auf das Planungsbeschleunigungsgesetz geeinigt, das vor allem große Infrastrukturvorhaben beschleunigen soll. Was bedeutet das für die Mitspracherechte der Bundesländer und für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger? 10 FOKUS dbb magazin | September 2023
Völlig außer Frage steht, dass wir in vielen Bereichen sehr viel schneller und unkomplizierter werden müssen. Mitspracherechte werden grundsätzlich gewährleistet bleiben, trotzdem sollen Infrastrukturprojekte schneller und einfacher vorankommen. Ein zentraler Aspekt des Planungsbeschleunigungsgesetzes ist beispielsweise die Möglichkeit, eine marode Brücke ohne Planfeststellungsverfahren erneuern zu können, auch wenn sie schon an künftige Verkehrsbedürfnisse angepasst wird. Andernfalls müssten viele Ersatzbauwerke zunächst ein langjähriges Planungsverfahren durchlaufen. Bis dahin könnte es vielerorts passieren, dass die Tragfähigkeit nicht mehr gegeben ist und die Brücke vorab gesperrt werden muss. Das würde zu enormen Belastungen des Individual- und Wirtschaftsverkehrs führen und es wäre auch eine Qual für die Anwohnerinnen und Anwohner der Ausweichstrecken. Dies gilt es dringend zu vermeiden. Aus Sicht der Gewerkschaften ist – schon um Abwerbungen zu verhindern – das Tarifergebnis mit Bund und Kommunen die Benchmark für die Verhandlungen mit den Ländern im Herbst. Sehen Sie das auch so? Zunächst einmal: Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes leisten – unabhängig von der Ebene, auf der sie arbeiten – gute Arbeit. Sie haben gerade in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, wie wichtig ein funktionierender öffentlicher Dienst für unser Gemeinwesen ist. Die Preissteigerungen, vor allem im Energiebereich, treffen natürlich auch das Personal der Länder und das wird sicher auch im Tarifabschluss zum Ausdruck kommen. Aber warten wir erst einmal die Verhandlungen ab. Ich gehe davon aus, dass auch die von Ihnen angesprochene potenzielle Abwerbeproblematik sowie auch der Fachkräftemangel insgesamt von den Tarifpartnern mitbedacht werden. Wie Sie wissen, gibt es aber auch durchaus strukturelle Unterschiede zwischen Bund und Kommunen auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite. So ist der Personalkostenanteil im Haushalt bei den Ländern bekanntlich am größten. Zudem unterscheiden sich auch die Personalkörper. Da zum Beispiel die Lehrkräfte in der Regel bei den Ländern beschäftigt sind, ist der Anteil des Personals mit Hochschulabschluss bei den Ländern tendenziell höher als bei Bund und Kommunen. Dies wirkt sich in der Regel durch höhere Bezahlung aus. Von daher waren auch in der Vergangenheit immer mal wieder Abweichungen notwendig. Wo wir am Ende landen, bleibt dann aus guten Gründen den Tarifverhandlungen überlassen. Welche Bedeutung messen Sie dem angekündigten Demokratiepaket der Europäischen Kommission bei, das die freiheitlich-demokratische Ordnung in der EU mit konkreten Maßnahmen verteidigen soll? Eine starke, handlungsfähige und demokratische Europäische Union ist entscheidend für den Erhalt von Frieden, Freiheit und Wohlstand. Die in Europa geteilten demokratischen Werte gehören zum Kern der europäischen Gemeinschaft, sie müssen unbedingt geschützt werden. Nach den Erfahrungen bei verschiedenen Wahlen weltweit gilt es nun, auch den Schutz der kommenden Europawahlen am 9. Juni 2024 in den Blick zu nehmen. Wir müssen uns sowohl vor äußerer Einflussnahme schützen als auch von innen heraus die demokratische Widerstandsfähigkeit stärken. Insgesamt nehmen antidemokratische Bestrebungen im In- und Ausland zu. Dazu gehören Fake News, die Finanzierung antidemokratischer Organisationen und wirtschaftliche Einflussnahmen. Es ist daher zu hoffen, dass die Kommission bald ein ausgewogenes Paket zur Verteidigung und Stärkung der Demokratie vorlegt. Dieses sollte zielgerichtet illegitime Aktivitäten zu unterbinden versuchen und darüber hinaus Engagement und Beteiligung an öffentlichen politischen Entscheidungsprozessen fördern. Unsere Demokratie lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern. Zudem – und da komme ich zum Anfang zurück – braucht eine wehrhafte Demokratie das Engagement der gesamten Gesellschaft. Insofern sind alle gefordert, sich insbesondere den wachsenden rechtsextremen Bestrebungen entgegenzustellen. ■
BLICKPUNKT Wahlrecht für Jugendliche Welches Wahlalter ist angemessen? © Markus Spiske/Unsplash.com © Malcolm Lightbody/Unsplash.com Mit 16 den Bundestag wählen? Mit 14? Oder weiterhin ab 18? Die Debatte ums Wahlalter ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Es gibt auch Stimmen, die ganz auf eine Altersgrenze verzichten wollen. Ein Wahlrecht ab Geburt – mit dieser Forderung hat der Deutsche Familienverband (DFV) bereits zur Bundestagswahl 2017 eine Kampagne gestartet und für Aufmerksamkeit gesorgt. Zu den Unterstützern zählen prominente Gesichter, unter anderem Wolfgang Thierse, der ehemalige Bundestagspräsident. Doch ohne Altersbeschränkung wählen – der eine oder andere mag da skeptisch sein. „Die Altersgrenze von 18 Jahren ist künstlich gesetzt“, sagt Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbands, auf Anfrage des dbb magazins. Er verweist darauf, dass in der jungen Bundesrepublik eine Altersgrenze von 21 galt – das Wahlrecht ab 18 Jahren ist das Ergebnis einer Grundgesetzänderung im Jahr 1970. Hinzu komme, dass junge Menschen in manchen Bundesländern bereits ab 16 Jahren das Landesparlament wählen dürfen. „Kurzum, es gibt kein Naturgesetz, das eine Altersgrenze setzt.“ In der Debatte ist jedoch von vielen möglichen Altersgrenzen die Rede. Da gibt es die einen, die ein Wahlrecht ab 14 fordern, weil junge Menschen ab dann straf- und religionsmündig sind, heißt es. Andere, die ein Wahlalter ab 16 befürworten, argumentieren: Mit 16 zahlen viele Jugendliche, die mit einer Ausbildung ins Berufsleben starten, Steuern. Es sei nur fair, wenn sie über die Verwendung der Steuergelder mitentscheiden dürften. Und dann gibt es wiederum diejenigen, die nicht am Wahlalter ab 18 rütteln wollen. Ihre Begründung: Das Wahlrecht müsse mit der Volljährigkeit einhergehen. Einerseits wählen, andererseits Verträge von Mama und Papa unterzeichnen lassen, das passe schlichtweg nicht zusammen. Abgesehen davon sei es nicht sinnvoll, das aktive und passive Wahlrecht 12 FOKUS dbb magazin | September 2023
voneinander zu trennen. Es scheint, als hätten die Befürworter und Gegner einer Absenkung des Wahlalters immer überzeugende Argumente auf ihrer Seite. 14 Millionen Ausgeschlossene Doch zurück zum Wahlrecht ab Geburt. Denn auch hier fallen Argumente, um ein grenzenloses Wahlalter zu rechtfertigen: „Ohne das Wahlrecht ab Geburt werden über 14 Millionen Bürgerinnen und Bürger von Bundestagswahlen ausgeschlossen“, unterstreicht DFV-Bundesgeschäftsführer Heimann. Für die Demokratie bedeute das ein erhebliches Repräsentationsdefizit – dabei steht im Grundgesetz (Art. 20), dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. „Zum Volk gehören auch Kinder und Jugendliche.“ Zentral für den Deutschen Familienverband ist, dass Kinder und Jugendliche am längsten von den Entscheidungen der Politik betroffen sind. Weil sie kein Stimmrecht haben, bleibe die Vertretung der Interessen junger Menschen allein vom guten Willen abhängig. Heimann: „Mit einem Wahlrecht ab Geburt müsste sich die Politik intensiv mit den berechtigten Interessen von Minderjährigen und ihren Familien auseinandersetzen.“ Aber sollen nun Zweijährige in der Wahlkabine ihr Kreuzchen setzen? „Natürlich kann ein Baby nicht wählen gehen“, sagt Heimann. Das Wahlrecht ab Geburt beinhalte, dass Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder stellvertretend zu ihrem Wohle wahrnehmen, bis die Kinder selbst die Wahlmündigkeit erreichen. Dass die Stimmen junger Menschen zu wenig Gewicht haben, dazu hat sich inzwischen sogar der Bundespräsident geäußert: „Wir stehen vor einer gewaltigen demografischen Verschiebung, bei der der Stimmanteil der Älteren erheblich wächst“, sagte FrankWalter Steinmeier im vergangenen Mai im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „In einer solchen Situation halte ich es nicht nur für notwendig, sondern für geboten, darüber nachzudenken, ob wir das Gewicht der Jüngeren durch eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch bei Bundestagswahlen ausgleichen.“ Die Dominanz der Älteren Tatsächlich ist es so, dass ältere Menschen einen immer höheren Anteil der Wahlberechtigten stellen: 1983, als Helmut Kohl für die CDU als Kanzlerkandidat antrat, stellten die über 59-Jährigen laut Statistischem Bundesamt einen Anteil von 27,8 Prozent. Als Angela Merkel 2005 Gerhard Schröder im Kanzleramt ablöste, waren es 32,4 Prozent – und zuletzt, als Olaf Scholz 2021 die Kanzlerschaft übernahm, waren 38,8 Prozent der Wahlberechtigten 60 oder älter. Nun könnte man fragen: Wo ist das Problem? Demokratie beruht schließlich auf Mehrheiten. Und wenn die ältere Generation die Mehrheit stellt, dann müssen Wahlergebnisse eben auch ihre Interessen stärker widerspiegeln. Oder? So simpel ist es dann noch nicht. Jemand, der sich in Sachen Demokratie- und Wahlforschung auskennt, ist Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er verweist darauf, dass das deutsche Wahlrecht laut Grundgesetz gleich und allgemein ist. Heißt: Demokratische Mehrheiten basieren auch darauf, dass im Idealfall möglichst viele Menschen mit demselben Stimmgewicht an der Mehrheitsentscheidung teilhaben. „Natürlich beruht Demokratie auf Mehrheitsentscheidungen“, resümiert der Wissenschaftler. „Aber das steht nicht im Widerspruch zur Diskussion über Wahlaltersgrenzen, weil sie eben auch die Aspekte von Gleichheit und Allgemeinheit berührt.“ Demokratie entscheidet Um das Wahlalter abzusenken, müssten laut Grundgesetz jeweils mindestens zwei Drittel der Abgeordneten in Bundestag und Bundesrat zustimmen. „Letztlich ist das, nüchtern betrachtet, eine Frage von Mehrheiten“, sagt Faas. In sechs Bundesländern, darunter Baden-Württemberg, Brandenburg und Bremen, dürfen junge © Claudio Schwarz/Unsplash.com „Mit einem Wahlrecht ab Geburt müsste sich die Politik intensiv mit den berechtigten Interessen von Minderjährigen und ihren Familien auseinandersetzen.“ Sebastian Heimann © Bianca Ackermann/Unsplash.com FOKUS 13 dbb magazin | September 2023
Menschen ab 16 Jahren an Landtagswahlen teilnehmen. In Österreich können 16-Jährige auch auf Bundesebene an den Nationalratswahlen teilnehmen – und das bereits seit 2007. Bemerkenswert ist, dass damit nicht unbedingt eine höhere Wahlbeteiligung einhergeht: In Deutschland war sie bei der vergangenen Bundestagswahl etwas höher als bei der österreichischen Nationalratswahl. Faas: „Im Vergleich ist die Wahlbeteiligungsquote bei jungen Menschen niedriger. Insofern steigt zwar die absolute Zahl der abgegebenen Stimmen, die Wahlbeteiligungsquote hingegen geht zurück.“ Allerdings geht aus Studien hervor, dass die Wahlbeteiligung bei den 16- und 17-Jährigen höher ist als in der Gruppe der 18- bis 20-Jährigen, erklärt der Professor. „Unterm Strich ist es also schon so, dass eine Herabsetzung des Wahlalters den Stimmen junger Menschen etwas mehr Gewicht verleiht.“ Aber was wählen die jungen Menschen? Ist an der Befürchtung, dass sie eher zu extremistischen Parteien neigen, etwas dran, wie es manche Gegner einer Herabsetzung des Wahlalters behaupten? „Nein, das lässt sich empirisch nicht belegen“, sagt Thorsten Faas. Gewiss sei es so, dass junge Menschen in ihrem Wahlverhalten noch nicht gefestigt sind. Aber zu den Parteien an den Rändern des politischen Spektrums würden eher Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren neigen, die auf dem Arbeitsmarkt mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Wie sich die Debatte ums Wahlalter entwickeln wird, bleibt abzuwarten. In Baden-Württemberg jedenfalls dürfte sie in der laufenden Legislaturperiode eine neue Qualität erreichen: Laut Koalitionsvertrag will die grün-schwarze Landesregierung bei Kommunalwahlen das passive Wahlalter auf 16 Jahre absenken. Wenn es dazu kommt, könnten in Deutschland erstmals Minderjährige in kommunalen Gremien sitzen und Entscheidungen treffen. Auch auf Bundesebene könnte sich noch etwas tun – denn im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht folgende Absichtserklärung: „Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.“ Im November 2022 hat der Bundestag bereits das Wahlrecht ab 16 Jahren für die Europawahl beschlossen. cdi „Viele 16-Jährige interessieren sich leidenschaftlich für Politik. Wir als dbb jugend befürworten, dass sie künftig auch bei Bundestagswahlen ihre Stimme abgeben dürfen. Denn zum einen müssen junge Menschen am längsten mit den politischen Entscheidungen von heute leben. Da ist es nur fair, wenn sie auch mitbestimmen dürfen. Und zum anderen – das sage ich aus tiefster persönlicher Überzeugung – stärkt das Wahlalter ab 16 die Identifikation mit unserer Demokratie. Sie ist am wertvollsten, wenn möglichst viele Menschen teilhaben.“ Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend „Eine Herabsetzung des Wahlalters verleiht den Stimmen junger Menschen etwas mehr Gewicht.“ Thorsten Faas © Vanessa Wunsch © Markus Spiske/Unsplash.com 14 FOKUS dbb magazin | September 2023
Protestkultur Kein neuer Radikalisierungstrend nach Corona Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise, Klimawandel und die Folgen der Pandemie – trotz sich überlagernder Krisen war 2022 kein Jahr konfrontativer Proteste. Das geht aus dem Protest-Monitoring des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hervor. Die Radikalisierungstendenz der vergangenen beiden Coronajahre setzte sich 2022 demnach nicht fort. Obwohl Teile der Klimabewegung, allen voran „Die Letzte Generation“, im Herbst häufig auf Protestformen wie Straßenblockaden und Flughafenbesetzungen zurückgriffen, lag das Niveau konfrontativer und gewaltförmiger Proteste deutlich unter dem der pandemischen Vorjahre. Auch die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten mobilisierten 2022 weniger als erwartet. Im Vergleich zu den Pandemiejahren fanden 2022 weniger, da- für größere Protestereignisse mit hohen Teilnehmerzahlen statt. Der „heiße“ Herbst blieb mit Blick auf die erwarteten Proteste zur Energiekrise aus. Weniger als zehn Prozent der insgesamt erfassten Protestereignisse sind der Mobilisierung zu Energie- und Lebenshaltungskosten zuzuordnen. Zwar konnte sich mehr als jede und jeder vierte Befragte vorstellen, an einer Demonstration gegen die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten teilzunehmen. Ergebnisse eines Umfrageexperiments zeigen aber, dass die Teilnahmebereitschaft an solchen Protesten deutlich sinkt, wenn sie von politischen Parteien mitorganisiert werden. Dies gilt insbesondere für Demonstrationsaufrufe, die von der AfD unterstützt werden. Den Parteien Die Linke und der AfD fehlte es 2022 an Mobilisierungskraft. Die Schwäche der mobilisierenden Akteure ist neben den Entlastungspakten der Bundesregierung und der Überlagerung mit anderen Protestthemen ein zentraler Faktor für das Ausbleiben einer starken Protestwelle. Generell zeigten etwa zwei Drittel der Befragten viel Verständnis für die Proteste gegen steigende Energiepreise – vor allem im Vergleich zu den Coronaprotesten, für die nur etwa jede und jeder Vierte Verständnis aufbrachte. Die Proteste sprechen insbesondere Wählerinnen und Wähler der AfD an, am wenigsten die Wählerinnen und Wähler von Bündnis 90/Die Grünen. Die Menschen, die Proteste befürworten, unterstützen zwar ökonomisch eher linke Forderungen, wie etwa die Einführung eines Gaspreisdeckels, vertreten aber gleichzeitig kulturell konservative und rechte Positionen, zum Beispiel die Begrenzung der Aufnahme Geflüchteter. Bestimmende Themen waren im vergangenen Jahr der Umwelt- und Klimaschutz sowie die Solidarität mit der Ukraine und den Protesten im Iran. Nach zwei Jahren Pandemie kehrte der Protest auf die Straße zurück. WZB-Forschende sprechen daher auch von einer Normalisierung des Protestgeschehens. Es kam wieder vermehrt zu Massendemonstrationen bei gleichzeitigem Rückgang radikaler Protestformen. ■ Model Foto: Colourbox.de Diese Ergebnisse basieren auf der systematischen Analyse von Protestereignissen in 2022. Darüber hinaus haben die WZB-Forschenden im Dezember 2022 rund 2 800 Menschen in Deutschland repräsentativ zu ihrem Protestverhalten und ihren politischen Einstellungen befragt. Das WZB-Protest-Monitoring ist Teil des durch das BMBF und BMI geförderten Spitzenforschungsclusters Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung (MOTRA). Die Studie ANALYSE FOKUS 15 dbb magazin | September 2023
Medienvertrauen in Deutschland Stabil, aber nicht unerschütterlich In den vergangenen Jahren wurde vermehrt darüber diskutiert, ob und in welchem Ausmaß das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in mediale Berichterstattungen abgenommen hat. Begriffe wie „Lügenpresse“, grassierende Falschinformationen und die von vielen Beobachtern festgestellte gesellschaftliche Polarisierung verleiten zu dem Schluss, dass das Vertrauen in die etablierten Medien gesunken sein müsse. Aber lässt sich dies auch empirisch feststellen? Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat die Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen in Deutschland in ihrer Schriftenreihe veröffentlicht. Dazu wurden über mehrere Jahre hinweg Daten erhoben und ausgewertet. Ihre Ergebnisse und Schlüsse zeichnen erstmals ein systematisches, auf repräsentativen Meinungsumfragen basierendes Stimmungsbild zur Einstellung der deutschen Bevölkerung zum Mediensystem und zur Berichterstattung für die Jahre 2015 bis 2020. Das Buch legt auch die Grundlagen der medialen Vertrauensforschung dar und ordnet die Befunde ein, die auch in über 60 Grafiken und Tabellen aufbereitet werden. Keine flächendeckende Erosion So lässt sich über den behandelten Zeitraum hinweg feststellen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Medien stabil geblieben und im ersten Jahr der Coronapandemie sogar noch mal deutlich angestiegen ist. Eine Haupterkenntnis der repräsentativen Langzeitbefragung: Am Ende des Jahres 2020 stimmten 56 Prozent der Befragten der Aussage „Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen –, kann man den Medien vertrauen“ zu. Am meisten Vertrauen genossen dabei öffentlich-rechtliche Medien und Lokalzeitungen. Nachrichten auf Social-MediaPlattformen erhielten hingegen die niedrigsten Vertrauenswerte. Eine flächendeckende Erosion des Medienvertrauens zeigt sich in Deutschland keineswegs, dennoch geben einige Befunde auch Anlass zur genaueren Beobachtung. So spiegelt sich die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung über die Jahre hinweg auch in der Verfestigung der Kluft zwischen denjenigen, die den Medien grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen, und denjenigen mit medienzynischen Einstellungen, die den Medien in jeglicher Hinsicht misstrauen. Es zeigte sich auch, dass Menschen, die ein hohes Vertrauen in andere Institutionen des demokratischen Rechtsstaats haben, eindeutig auch zu einem höheren Medienvertrauen tendieren. Soziodemografische Merkmale spielten hingegen eine untergeordnete Rolle für das Medienvertrauen. Als viel wichtiger stellten sich politisch-weltanschauliche Einstellungsmuster, etwa die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen, heraus. Medienbildung bleibt wichtig Die Autorinnen und Autoren leiten aus den Forschungsergebnissen Vorschläge ab, wie das Medienvertrauen künftig gestärkt beziehungsweise zurückgewonnen werden kann. Dazu gehören Transparenz und Selbstkritik, aber auch die Stärkung und Förderung von Medienvielfalt und Medienbildung. Die langfristig angelegte Studie zum Medienvertrauen basiert auf mehr als einem Jahrzehnt kommunikationswissenschaftlicher Vertrauensforschung am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im Mittelpunkt stehen repräsentative Befragungen, die die Entwicklungen, Ursachen und Folgen des Vertrauens erheben. Die Durchführung der Studie wird seit 2022 von der bpb unterstützt. ■ Der 204 Seiten starke Band von den Autorinnen und Autoren Nikolaus Jackob, Tanjev Schultz, Ilka Jakobs, Oliver Quiring, Christian Schemer, Marc Ziegele und Christina Viehmann ist für eine Bereitstellungspauschale von 4,50 Euro exklusiv bei der bpb erhältlich: www.bpb.de/520602 © Roman Kraft/Unsplash.com 16 FOKUS dbb magazin | September 2023
ONLINE Künstliche Intelligenz ChatGPT Demokratin aus Überzeugung Ob der Siegeszug der künstlichen Intelligenz in einer ihrer Nebenwirkungen Fluch oder Segen für die Demokratie sein kann, wird derzeit kontrovers diskutiert. Im Praxistest schlägt sich die KI jedenfalls nicht schlecht als Anwältin der Demokratie. Lesen Sie die ungefilterte Antwort auf die Frage: Wie kriegt man eine Demokratie am besten kaputt? ChatGPT: Als KI-Modell kann ich keine Unterstützung oder Anleitung für schädliche oder illegale Aktivitäten bieten, einschließlich der Zerstörung von Demokratien oder anderer Formen der Regierung. Demokratie ist eine wichtige Grundlage für eine freie und gerechte Gesellschaft. Wenn Sie Bedenken oder Unzufriedenheit mit dem Funktionieren Ihrer Demokratie haben, ist es besser, friedliche und legale Wege zu nutzen, um positive Veränderungen herbeizuführen. Hier sind einige konstruktive Möglichkeiten: Wahlbeteiligung: Nehmen Sie an den demokratischen Prozessen teil, indem Sie wählen gehen und sich aktiv an politischen Diskussionen beteiligen. Bildung: Informieren Sie sich über politische Themen und die Funktionsweise von Demokratien, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Bürgerbeteiligung: Engagieren Sie sich in Bürgerinitiativen, Bürgerforen oder lokalen Gemeinschaftsprojekten, um Ihre Stimme und Meinung zu äußern. Dialog und Diskussion: Diskutieren Sie Ihre Ansichten mit anderen, um verschiedene Perspektiven zu verstehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Friedliche Proteste: Wenn Sie mit bestimmten politischen Entscheidungen oder Maßnahmen nicht einverstanden sind, haben Sie das Recht, friedlich zu protestieren. Politische Partizipation: Betrachten Sie die Möglichkeit, sich in politischen Parteien oder Organisationen zu engagieren, um aktiv Veränderungen herbeizuführen. Medienkompetenz: Seien Sie kritisch gegenüber den Informationen, die Sie erhalten, und überprüfen Sie die Fakten, um Fehlinformationen zu vermeiden. Stärkung der Institutionen: Unterstützen Sie unabhängige Institutionen, die die Demokratie schützen und die Rechtsstaatlichkeit fördern. Respektvolle Debatte: Fördern Sie eine Kultur des respektvollen Austauschs von Meinungen und Ideen, auch wenn sie unterschiedlich sind. Demokratische Werte leben: Leben Sie die Werte der Demokratie, wie Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, in Ihrem eigenen Leben. Wenn Sie unzufrieden sind, ist es wichtig, dass Sie sich auf friedliche und demokratische Weise für Veränderungen einsetzen. Gewalt oder die Zerstörung von Demokratien sind keine akzeptablen Wege, um Probleme zu lösen oder politischen Wandel herbeizuführen. © Unsplash.com
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