voneinander zu trennen. Es scheint, als hätten die Befürworter und Gegner einer Absenkung des Wahlalters immer überzeugende Argumente auf ihrer Seite. 14 Millionen Ausgeschlossene Doch zurück zum Wahlrecht ab Geburt. Denn auch hier fallen Argumente, um ein grenzenloses Wahlalter zu rechtfertigen: „Ohne das Wahlrecht ab Geburt werden über 14 Millionen Bürgerinnen und Bürger von Bundestagswahlen ausgeschlossen“, unterstreicht DFV-Bundesgeschäftsführer Heimann. Für die Demokratie bedeute das ein erhebliches Repräsentationsdefizit – dabei steht im Grundgesetz (Art. 20), dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. „Zum Volk gehören auch Kinder und Jugendliche.“ Zentral für den Deutschen Familienverband ist, dass Kinder und Jugendliche am längsten von den Entscheidungen der Politik betroffen sind. Weil sie kein Stimmrecht haben, bleibe die Vertretung der Interessen junger Menschen allein vom guten Willen abhängig. Heimann: „Mit einem Wahlrecht ab Geburt müsste sich die Politik intensiv mit den berechtigten Interessen von Minderjährigen und ihren Familien auseinandersetzen.“ Aber sollen nun Zweijährige in der Wahlkabine ihr Kreuzchen setzen? „Natürlich kann ein Baby nicht wählen gehen“, sagt Heimann. Das Wahlrecht ab Geburt beinhalte, dass Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder stellvertretend zu ihrem Wohle wahrnehmen, bis die Kinder selbst die Wahlmündigkeit erreichen. Dass die Stimmen junger Menschen zu wenig Gewicht haben, dazu hat sich inzwischen sogar der Bundespräsident geäußert: „Wir stehen vor einer gewaltigen demografischen Verschiebung, bei der der Stimmanteil der Älteren erheblich wächst“, sagte FrankWalter Steinmeier im vergangenen Mai im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „In einer solchen Situation halte ich es nicht nur für notwendig, sondern für geboten, darüber nachzudenken, ob wir das Gewicht der Jüngeren durch eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch bei Bundestagswahlen ausgleichen.“ Die Dominanz der Älteren Tatsächlich ist es so, dass ältere Menschen einen immer höheren Anteil der Wahlberechtigten stellen: 1983, als Helmut Kohl für die CDU als Kanzlerkandidat antrat, stellten die über 59-Jährigen laut Statistischem Bundesamt einen Anteil von 27,8 Prozent. Als Angela Merkel 2005 Gerhard Schröder im Kanzleramt ablöste, waren es 32,4 Prozent – und zuletzt, als Olaf Scholz 2021 die Kanzlerschaft übernahm, waren 38,8 Prozent der Wahlberechtigten 60 oder älter. Nun könnte man fragen: Wo ist das Problem? Demokratie beruht schließlich auf Mehrheiten. Und wenn die ältere Generation die Mehrheit stellt, dann müssen Wahlergebnisse eben auch ihre Interessen stärker widerspiegeln. Oder? So simpel ist es dann noch nicht. Jemand, der sich in Sachen Demokratie- und Wahlforschung auskennt, ist Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er verweist darauf, dass das deutsche Wahlrecht laut Grundgesetz gleich und allgemein ist. Heißt: Demokratische Mehrheiten basieren auch darauf, dass im Idealfall möglichst viele Menschen mit demselben Stimmgewicht an der Mehrheitsentscheidung teilhaben. „Natürlich beruht Demokratie auf Mehrheitsentscheidungen“, resümiert der Wissenschaftler. „Aber das steht nicht im Widerspruch zur Diskussion über Wahlaltersgrenzen, weil sie eben auch die Aspekte von Gleichheit und Allgemeinheit berührt.“ Demokratie entscheidet Um das Wahlalter abzusenken, müssten laut Grundgesetz jeweils mindestens zwei Drittel der Abgeordneten in Bundestag und Bundesrat zustimmen. „Letztlich ist das, nüchtern betrachtet, eine Frage von Mehrheiten“, sagt Faas. In sechs Bundesländern, darunter Baden-Württemberg, Brandenburg und Bremen, dürfen junge © Claudio Schwarz/Unsplash.com „Mit einem Wahlrecht ab Geburt müsste sich die Politik intensiv mit den berechtigten Interessen von Minderjährigen und ihren Familien auseinandersetzen.“ Sebastian Heimann © Bianca Ackermann/Unsplash.com FOKUS 13 dbb magazin | September 2023
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