FRAUEN Gleichstellung Starke Politik braucht starke Frauen 50,7 Prozent der deutschen Bevölkerung sind weiblich. Dennoch beträgt der Frauenanteil im Bundestag nur 34,7 Prozent. Wie kommt diese Diskrepanz zustande? Und wie können Parteien die politische Teilhabe für Frauen attraktiver gestalten? Für Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, ist dieser Zustand nicht tragbar: „Es kann nicht sein, dass Frauen immer noch weniger Möglichkeiten als ihre männlichen Parteikollegen haben, den Bund, die Länder oder die Kommunen mitzugestalten.“ Von der Nominierung bis zur tatsächlichen Ausübung eines politischen Mandates seien die Rahmenbedingung für Frauen und alle, die Care-Arbeit leisteten, extrem schwierig. Die festgefahrene, männlich geprägte politische Kultur erschwere die politische Partizipation von Frauen. „Wir brauchen von allen Parteien Maßnahmen, die die politische Arbeit für Frauen attraktiver gestalten.“ Politischer Start im Hinterzimmer der Dorfkneipe Die Studie „Parteikulturen und die politische Teilhabe von Frauen. Eine empirische Untersuchung mit Handlungsempfehlungen an die Parteien“ der Europäischen Akademie fur Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF) aus dem Jahr 2022 hat Politikerinnen und Politiker aller politischen Ebenen zu genau diesen Themen befragt. Demnach gehen Frauen vor allem deshalb in die Politik, weil sie etwas bewegen oder verändern möchten. Oft gibt es ein bestimmtes Thema, für das sie sich engagieren wollen. Ähnlich häufig wird als Auslöser angegeben, dass sie in einem politisch interessierten Elternhaus aufgewachsen sind. Doch der Einstieg in die Politik ist nicht immer einfach. Die in der männerdominierten Politikwelt beliebten Kneipenabende, bei denen die Beteiligten bis spät in die Nacht diskutieren, sind für viele Frauen befremdlich oder aufgrund der Familie nicht machbar. Problematisch ist, dass bei diesen informellen Treffen gerne interne Absprachen und personelle Entscheidungen getroffen werden. Wer weder Einladung noch Zeit hat, verpasst diesen Prozess. Um dem entgegenzuwirken, haben viele Parteien eine Willkommenskultur etabliert. Sie hilft Frauen, sich leichter zu vernetzen und sich schneller in dem neuen Mikrokosmos zurechtzufinden. Bei den Grünen gibt es beispielsweise Treffen für Neumitglieder sowie Tandems mit Altmitgliedern. Mit Erfolg: Bei der Bewertung der Willkommensmaßnahmen ihrer Partei schneiden die Grünen am besten ab. Fehlende Netzwerke und damit fehlende Anknüpfungspunkte dagegen sind die häufigsten Gründe für einen schnellen Austritt. Ein besonders frustrierender Aspekt ist Alltagssexismus: „Beiträge von Frauen werden überhört oder lächerlich gemacht, es wird sich über ihre Stimme mokiert, man unterbricht sie oder lässt sie nicht zu Wort kommen oder macht unsachliche Bemerkungen zum Äußeren oder zur Figur“, heißt es in der Studie. Für viele Frauen schlagen diese Aktionen enorm auf die Motivation und sind ein häufiger Ausstiegsgrund. „Es muss unser Anspruch als Gesellschaft sein, dass Frauen an allen demokratischen Prozessen gleichberechtigt beteiligt sind“, sagt Ricarda Lang, Parteivorsitzende und Frauenpolitische Sprecherin der Grünen. „Frauen sollen sich nicht zwischen der Zeit mit der Familie und einer Sitzung im Kommunalparlament entscheiden müssen. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beispielsweise durch mehr Angebote zur Kinderbetreuung und den Einsatz für eine gerechtere Verteilung von Sorgearbeit, würde es mehr Frauen ermöglichen, sich für politische Arbeit zu entscheiden.“ Familienfreundlichkeit und Parität Jacqueline Krüger, Bundesvorsitzende der liberalen Frauen, der Frauenvereinigung der FDP, benennt entscheidende Parameter, wie Parteien politisch Engagierte gewinnen können. Dazu gehören Wertschätzung, Diskussionen auf Augenhöhe und dass Interessierte ihre Vorstellungen wiederfinden und einbringen können. „Zusätzlich muss die jeweilige Lebenswirklichkeit auch in den einzelnen Lebensphasen der Menschen bei den Mitwirkungsmöglichkeiten berücksichtigt werden: Es ist eben ein Unterschied, ob man sich als Mensch zu Beginn seines Berufslebens, als Mutter oder Vater, als pflegende Person, in der Phase der Familiengründung oder am Ende seines Berufslebens engagiert.“ Frauenanteile im Bundestag nach Parteien Frauenanteile in Parteimitgliedschaften 34 INTERN dbb magazin | September 2023
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