dbb magazin 10/2023

EUROPA Der öffentliche Dienst in Österreich Zwischen Personalnot und Transformation Der öffentliche Dienst spielt eine entscheidende Rolle für das reibungslosen Funktionieren der staatlichen Institutionen und der Gesellschaft. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Wohlstand hängen maßgeblich von qualitativ hochwertigen Verwaltungsdiensten auf allen Ebenen ab. Um das auch künftig gewährleisten zu können, muss die Politik jetzt Weichenstellungen vornehmen. Die turbulenten Zeiten seit Beginn der Coronapandemie haben verdeutlicht, wie unverzichtbar der öffentliche Dienst ist, der von vielen gut ausgebildeten, höchst motivierten und engagierten Kolleginnen und Kollegen getragen wird. Der öffentliche Dienst gewährleistet einen unparteiischen, objektiven und rechtsstaatlichen Normenvollzug, was an sich von unschätzbarem Wert ist. Trotz der erheblichen Herausforderungen der vergangenen Jahre haben unsere Kolleginnen und Kollegen in allen Bereichen ihr Bestes gegeben und dafür gesorgt, dass alle staatlichen Institutionen funktionieren. Der Personalmangel in allen Bereichen, die ständig wachsende und komplexer werdende Gesetzgebung, die digitale Transformation und finanzielle Engpässe beeinträchtigen jedoch die Arbeitsbedingungen. Nur dank des großen Engagements aller im öffentlichen Dienst Beschäftigten konnte das hohe Qualitätsniveau aufrechterhalten werden. Um den Personalmangel zu mildern, sind dringend Maßnahmen erforderlich, die den öffentlichen Dienst attraktiver gestalten. Moderne Arbeitsbedingungen, ein professionelles Arbeitsumfeld, zeitgemäße technische Ausstattung und angemessene Bezahlung sind dazu unerlässlich. Der Wettbewerb um talentierte Fachkräfte hat bereits begonnen, und der öffentliche Dienst muss auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig sein. In den nächsten zehn Jahren werden in Österreich rund 50 Prozent der Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand treten. Diese massive Pensionierungswelle ist auf eine fehlgeleitete Personalpolitik in den vergangenen Jahrzehnten zurückzuführen. Daher ist jetzt dringend eine Personalgewinnungskampagne mit entsprechenden Anreizen erforderlich, denn die Pensionierungswelle wird auch zu einem erheblichen Verlust an Erfahrungswissen in der öffentlichen Verwaltung führen. Es ist wichtig, Wissensmanagement im öffentlichen Dienst zu etablieren und zu fördern – sowohl digital als auch analog –, um einen geordneten Wissenstransfer sicherzustellen. Die zunehmend prekäre Personalsituation und der enorme Druck durch steigende Arbeitsbelastung beeinträchtigen die Attraktivität des öffentlichen Dienstes und machen es immer schwieriger, auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Im europäischen Vergleich nimmt Österreich eine führende Rolle bei digitalen Verwaltungsdiensten ein. Laut dem „Digital Economy and Society Index 2022“ (DESI-Index) der EU erzielen wir hervorragende Ergebnisse im Bereich „digitale öffentliche Dienste“. Dies ist das Verdienst aller Kolleginnen und Kollegen, die die Digitalisierung als Chance begreifen. Denn Digitalisierung erfordert Gestaltung, Pflege und Weiterentwicklung von Programmen und Systemen. Organisations- und Arbeitsablaufstrukturen spielen dabei eine zentrale Rolle. Die digitale Transformation kann nur erfolgreich sein, wenn sie von innen und außen akzeptiert wird. Daher ist die Beteiligung aller Kolleginnen und Kollegen, der Personalvertretungen und der Gewerkschaften bereits in der Planungsphase entscheidend für den Erfolg. Eine moderne technische Ausstattung ist ebenfalls notwendig für einen erfolgreichen Weg. Künstliche Intelligenz wird auch in der öffentlichen Verwaltung tiefgreifende Veränderungen auslösen. Aber auch hier gilt: Menschen gestalten die Systeme. Die erforderlichen Einschränkungen, Datenschutzstandards und Funktionalitäten müssen sicherstellen, dass alle davon profitieren, während unsere Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig spürbare Entlastung erfahren. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das allen zugutekommt, und funktionierende staatliche Strukturen in allen Bereichen sind eng miteinander verbunden. Die politische Verantwortung besteht darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, die qualitativ hochwertige und professionelle Arbeit für unsere Kolleginnen und Kollegen ermöglichen. Dazu gehört auch die Bereitstellung ausreichender personeller und materieller Ressourcen. Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, gleiche und faire Bedingungen für alle Teilnehmer am Wirtschaftsleben, ein gutes Bildungssystem, ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, gut ausgebaute soziale Sicherungssysteme und sozialer Ausgleich sind keine Selbstverständlichkeiten. Investitionen in die öffentliche Verwaltung sind letztendlich sinnvolle und notwendige Investitionen in die Zukunft. Ein Staat, der Infrastruktur, öffentliche Verwaltung und Sicherheitsstrukturen vernachlässigt, verspielt Zukunftschancen und begibt sich auf gefährliche Pfade. Unsere Forderungen an die Politik umfassen Lösungsvorschläge für diese wichtigen Bereiche. Die politische Ebene ist sich sehr wohl bewusst, dass unsere Kolleginnen und Kollegen bereit sind, gemeinsam für ihre Interessen einzustehen. Das ist unsere Stärke! Norbert Schnedl, Vizepräsident der Europäischen Union Unabhängiger Gewerkschaften (CESI) und Präsident der Europäischen Föderation der Öffentlich Bediensteten (EUROFEDOP) Foto: Colourbox.de INTERN 29 dbb magazin | Oktober 2023

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