dbb magazin EKR 2023 TV-L | Anschluss halten Interview | Michael Kretschmer, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz-Ost 32. Europäischer Abend | Die große Transformation 11 | 2023 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst
STARTER 14 4 TOPTHEMA Einkommensrunde 2023 TV-L 28 AKTUELL EINKOMMENSPOLITIK Einkommensrunde 2023 TV-L: Die Länder sind nicht mehr konkurrenzfähig 4 Wirtschaftliche Rahmendaten: Gute Gründe für mehr Einkommen 8 Einkommensrunde öffentlicher Dienst: Den Ländern droht ruinöser Bezahlungsrückstand 10 FOKUS MEINUNG Verwaltungskultur: Das Undenkbare denken: mehr Flexibilität! 13 INTERVIEW Michael Kretschmer, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz-Ost: Die Normen und Regeln, die wir beschließen, müssen vollzugsfreundlicher werden 14 KOMMUNALPOLITIK Umweltschutz: Neue Konzepte für mehr Nachhaltigkeit 16 MITBESTIMMUNG Personalratswahlen 2024: Engagement zahlt sich aus 18 ONLINE Digitalisierung: Gute ID, wenig Nutzen 20 INTERN SENIOREN 3. dbb Bundesseniorenkongress: „Zukunft. Mit uns. Für alle.“ 24 FRAUEN Pfegende Angehörige: Den stillen Heldinnen Gehör verschaffen 27 EUROPA 32. Europäischer Abend Die große Transformation 28 JUGEND 13. dbbj-Ideencampus: Junge Generation im Krisenmodus 32 dbb Podcast „DienstTag“: „Man kann nicht hinter jede Pizza einen Kontrolleur stellen“ 35 SERVICE Impressum 41 KOMPAKT Gewerkschaften 42 24 Tarifpolitischer Weckruf Die erste Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit den Arbeitgebenden der Länder ist ergebnislos vertagt worden. Es scheint zu einer unrühmlichen Tradition der Arbeitgeberseite geworden zu sein, die erste Runde ergebnislos verstreichen zu lassen, statt sofort konstruktive Verhandlungen aufzunehmen oder gar ein Angebot zu unterbreiten. Und das, obwohl Taktieren keinen ersichtlichen Vorteil bringt: Die Forderungen der Gewerkschaften sind klar formuliert. Die Messlatten in Form anderer Tarifabschlüsse – etwa für die Beschäftigten von Bund und Kommunen, aber auch in vielen Industriesparten – sind längst gelegt. Die Verantwortlichen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bedurften keiner Glaskugel, um vorauszusagen, dass sich die Erwartungen der Landesbediensteten nicht wesentlich von denen ihrer Kolleginnen und Kollegen bei Bund und Kommunen unterscheiden würden. So wird Zeit verspielt, die für die Modernisierung des öffentlichen Dienstes und seiner Beschäftigungsbedingungen hätte genutzt werden können. Denn klar ist: Auch in den Ländern müssen Einkommenssteigerungen her. Sie dienen nicht nur dazu, die hohen Inflationsraten auszugleichen. Ebenso wichtig sind Anreize für qualifizierte Fachkräfte, die dazu führen, den öffentlichen Dienst als attraktiven und zukunftssicheren Arbeitgeber in Betracht zu ziehen. Denn ohne mehr qualifiziertes Personal wird die öffentliche Hand die wachsenden Anforderungen nicht stemmen können. Also: aufwachen, TdL! In Runde zwei muss bewiesen werden, dass nicht nur den Beschäftigten etwas am öffentlichen Dienst liegt, sondern auch den Arbeitgebenden. br Model Foto: Colourbox.de AKTUELL 3 dbb magazin | November 2023
EINKOMMENSPOLITIK Einkommensrunde 2023 TV-L Die Länder sind nicht mehr konkurrenzfähig 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro, lautet die Forderung der Gewerkschaften in der Einkommensrunde für die Beschäftigten der Länder. Wir müssen sicherstellen, dass die Länder als Arbeitgebende konkurrenzfähig bleiben“, begründete Ulrich Silberbach die Einkommensforderung des dbb am 11. Oktober 2023 in Berlin. Die Lage und die Forderung seien die gleichen wie im Frühjahr: „Die Inflation frisst die Einkommen der Beschäftigten. Das müssen wir jetzt ausgleichen.“ Wenn die Länder ihre Interessen richtig einschätzen, könne man sich rasch einigen, so der dbb Bundesvorsitzende weiter. „Die Länder sind auf dem Arbeitsmarkt oft nicht mehr konkurrenzfähig – nicht zur Privatwirtschaft und auch nicht zu Bund und Kommunen. Je nach Eingruppierung ergeben sich im Vergleich zum Bund demnächst Rückstände von weit über 10 Prodbb Verhandlungsführer Ulrich Silberbach erläuterte die Eckpunkte der Einkommensforderung gemeinsam mit dbb Tarifchef Volker Geyer (links) und dem ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke (rechts). © Marco Urban 4 AKTUELL dbb magazin | November 2023
zent. Schon mit Blick auf die demografische Lage und dem leer gefegten Arbeitsmarkt müssen sie also ein Eigeninteresse haben, den Gleichklang mit Bund und Kommunen wiederherzustellen.“ Dieser Auffassung ist auch dbb Tarifchef Volker Geyer: „Die Kolleginnen und Kollegen im Länderbereich erwarten diesen Gleichklang in der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst auch aus Gründen der Gerechtigkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit“, ergänzte der dbb Fachvorstand Tarifpolitik Volker Geyer. „Erklären Sie mal einer Krankenpflegerin im Uniklinikum, warum sie demnächst für die gleiche Arbeit bis zu 300 Euro weniger bekommt als die Kolleginnen und Kollegen im kommunalen Krankenhaus.“ Auf einen Gleichklang in der Einkommensentwicklung haben auch Beamtinnen und Beamte sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger der Länder Anspruch, machte Ulrich Silberbach deutlich: „Wie immer erwarten wir eine umgehende und systemgerechte Übertragung jeder Tarifeini- „Die Inflation frisst die Einkommen der Beschäftigten. Das müssen wir jetzt ausgleichen.“ Ulrich Silberbach Ulrich Silberbach ... ... und Volker Geyer sprachen vor der Bundestarifkommission des dbb. gung auf den Beamtenbereich. Erst dann wird diese Einkommensrunde abgeschlossen sein.“ dbb Bundestarifk ommission tagte Vor der Pressekonferenz zur Einkommensforderung hatte die dbb Bundestarifkommission (BTK) im dbb forum berlin getagt und die Forderung beschlossen. „Natürlich steht die lineare Forderung im Mittelpunkt“, fasste dbb Verhandlungsführer Ulrich Silberbach die Diskussion zusammen und unterstrich, dass die TdL endlich © Kim Laubner © Friedhelm Windmüller (3) AKTUELL 5 dbb magazin | November 2023
wieder verhandeln und gestalten solle. „Das haben sie in den vergangenen Jahren verlernt und das hat unsere Mitglieder aus dem Landesdienst so richtig sauer gemacht.“ Bereits während der schwierigen Tarifverhandlungen für die Beschäftigten von Bund und Kommunen im Frühjahr 2023 sei die Stimmung unter den Beschäftigten schlecht gewesen. Jetzt komme die massive Verärgerung über einen Arbeitgeber hinzu, der die Zeichen der Zeit nicht sehen wolle. „Der TV-L ist oftmals einfach nicht mehr konkurrenzfähig – nicht zur Privatwirtschaft und auch nicht zum TVöD oder zum MTV Autobahn“, so Silberbach, der die TdL aufforderte, „von Anfang an ergebnisorientiert zu verhandeln und die Einkommensrunde als Chance zu begreifen, verlorenen Boden bei den Beschäftigten und im Konkurrenzkampf um Personal wiedergutzumachen. Wir brauchen Aufbruch statt Stillstand!“ dbb Tarifchef Volker Geyer richtete den Fokus auf die Durchsetzung der Forderungen: „Sie sind berechtigt. Aber wenn wir am Ende Recht behalten wollen, werden wir wahrscheinlich nicht ohne Arbeitskampf auskommen. Wenn es dazu kommt, müssen wir bereit sein – gemeinsam, ausdauernd und effektiv.“ Während der Diskussion sei deutlich geworden, dass Unzufriedenheit und Aktionswille der Kolleginnen und Kollegen im Herbst 2023 ausgeprägt sind. „Aktionsbereit müssen auch unsere Landes- und Kommunalbeamten sowie die betroffenen Pensionäre sein“, mahnte Silberbach, „schließlich erwarten wir eine rasche Übernahme des Tarifabschlusses auf den Beamtenbereich – zeitgleich und systemgerecht. Es war und ist nicht hinnehmbar, dass hier viele Länderregierungen auf Zeit spielen.“ ■ „Die Beschäftigten im Länderbereich erwarten Gleichklang im öffentlichen Dienst auch aus Gründen der Gerechtigkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit.“ Volker Geyer Breite Zustimmung für die Forderung von der Bundestarifkommission des dbb. Forderungen > Die Tabellenentgelte der Beschäftigten sollen um 10,5 Prozent, mindestens aber um 500 Euro monatlich erhöht werden. > Die Entgelte der Auszubildenden, Studierenden und Praktikantinnen/ Praktikanten sollen um 200 Euro monatlich erhöht werden. > Die Laufzeit soll 12 Monate betragen. > Unbefristete Übernahme in Vollzeit der Auszubildenden und dual Studierenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung. Erwartungen Der dbb erwartet, dass die Beschäftigten der ambulanten und stationären Pflege im Vollzug (Justiz- und Maßregelvollzug) sowie den Landeskrankenhäusern die dynamische Zulage für Pflegekräfte erhalten. In den Stadtstaaten erledigen die Beschäftigten sowohl Landesaufgaben als auch kommunale Aufgaben. Auch die Lebenshaltungskosten sind in Städten wie Berlin, Bremen oder Hamburg extrem hoch und die Städte stehen bei der Gewinnung von Beschäftigten in Konkurrenz zum Umland. Der dbb erwartet daher eine monatliche Stadtstaatenzulage von 300 Euro. Der dbb konnte in der Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst 2022 für die Beschäftigten in den Kommunen eine ganze Reihe von Verbesserungen erreichen. Wir erwarten, dass die Verbesserungen aus diesem Abschluss mit den Kommunen auch auf die Beschäftigten der Länder übertragen werden. Der dbb erwartet die Tarifierung der Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten (studentischen Hilfskräfte). Der dbb erwartet die Tarifierung der bislang außertariflich gezahlten Zulage für Beschäftigte im Gesundheitsdienst in den Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg. Die Auszubildenden, Studierenden und Praktikantinnen/Praktikanten in Berlin, Bremen und Hamburg erwarten die Zahlung einer monatlichen Stadtstaatenzulage von 150 Euro. Die dbb Bundestarifkommission erwartet zudem die umgehende Erfüllung der Verhandlungszusage aus der Tarifeinigung von 2019 zu Abschnitt 3.7 Teil III der Entgeltordnung der Länder für die Beschäftigten im Straßenbetriebsdienst und Straßenbau. Der dbb erwartet die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf die Beamtinnen/Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen/Versorgungsempfänger der entsprechenden Länder und Kommunen. Die Einkommensforderung im Detail ... wird mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verhandelt. In der TdL sind, bis auf Hessen, alle Bundesländer organisiert. Der Tarifvertrag der Länder gilt somit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aller Bundesländer bis auf Hessen. Für Hessen wird ein eigenständiger Tarifvertrag verhandelt (TV-H). Unmittelbar gilt der TV-L nur für Tarifbeschäftigte, die Mitglied bei einer Mitgliedsgewerkschaft des dbb (oder ver.di) sind. Mittelbar gilt er aber üblicherweise auch für die übrigen Arbeitnehmenden, weil in den Arbeitsverträgen häufig Bezug auf den TV-L genommen wird. Auf diese Weise betrifft er rund 3,5 Millionen Beschäftigte. Zusätzlich zum TV-L werden in dieser Einkommensrunde auch die Tarifverträge für Praktikantinnen und Praktikanten, Auszubildende und dual Studierende im Landesdienst verhandelt. Die Ergebnisse dieser Tarifverhandlungen sollen jeweils auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden, sowohl beim Land als auch in den Kommunen. Das gilt ebenso für die entsprechenden Versorgungsempfängerinnen und -empfänger. Diese Übertragung ist allerdings nicht Gegenstand der Tarifverhandlungen, sondern muss von den einzelnen Landesparlamenten per Gesetz beschlossen werden. Nicht betroffen sind, neben den Beschäftigten des Landes Hessen, auch die Tarifbeschäftigten der Kommunen und des Bundes. Für Letztere gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), der dieses Jahr ebenfalls neu verhandelt wurde. Die letzten Tarifverhandlungen im Länderbereich fanden 2021 statt. Der Tarifvertrag der Länder (TV-L) 6 AKTUELL dbb magazin | November 2023
Wirtschaftliche Rahmendaten Gute Gründe für mehr Einkommen Die rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigten und 1,4 Millionen indirekt betroffenen Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst der Länder erwarten von der Einkommensrunde 2023 vor dem Hintergrund stark gestiegener Lebenshaltungskosten deutliche Einkommenszuwächse. Die Beschäftigten sind lange in Vorleistung gegangen und haben die Preissteigerungen selbst getragen. Sie haben zurückgesteckt und sich vertrösten lassen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die in der Vergangenheit implementierten Unterstützungsmaßnahmen, Rettungspakete und Einmalzahlungen keinen Ersatz für eine adäquate Tarifpolitik darstellen. Schon gar nicht dürfen sie als Argument dafür missbraucht werden, den Ländern stünde kein Geld mehr für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zur Verfügung. Die Rettungspakete und Unterstützungsmaßnahmen werden von allen Steuerzahlern finanziert und sind kein Geschenk der Politik. Steigende Preise Fakt ist, dass die Inflation einen realen Lohnzuwachs fordert, zumal die Preisentwicklung auch weiterhin auf hohem Niveau bleibt: Im August 2023 stieg der Verbraucherpreisindex um 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Nahrungsmittel kosteten sogar 9 Prozent mehr. Insbesondere beim Gemüse war eine Preissteigerung von 12,4 Prozent zu verzeichnen, die Preise beim Obst stiegen um 7,2 Prozent. Die Verbraucherpreise für Haushaltsenergie (Strom, Gas und andere Brennstoffe) legten im gleichen Zeitraum um 11,4 Prozent zu. Insgesamt sind die Verbraucherpreise bei Energie um 8,3 Prozent angestiegen. Dies ist umso bedenklicher, als der Kauf von Nahrungsmitteln und Energie zu den Grundbedürfnissen zählt. Besonders kleine und mittlere Einkommen trifft die Inflation sehr hart. Für das Gesamtjahr 2023 rechnen die großen Wirtschaftsforschungsinstitute mit einer erheblichen Preissteigerung. Die aktuelleren Prognosen liegen zwischen 6 und 6,5 Prozent. Das sind 4 bis 4,5 Prozent über dem erklärten Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent. Das spiegelt sich auch im Verbrauchervertrauen wider: Nach einer insgesamt stabilen Entwicklung im Vormonat ist die Verbraucherstimmung in Deutschland im August 2023 wieder gesunken, sowohl die Konjunktur- und Einkommenserwartung als auch die Anschaffungsneigung sind rückläufig. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) prognostiziert für das Konsumklima im September –25,5 Punkte und damit 0,9 Punkte weniger als im August dieses Jahres. Belastende Sozialbeiträge Nicht nur die steigenden Preise lassen den Monat finanziell für viele Beschäftigte immer früher enden. Auch die Sozialversicherungsbeiträge steigen stetig. Zum 1. Juli 2023 sind die Beitragssätze zur sozialen Pflegeversicherung um 0,35 Prozentpunkte gestiegen. Kinderlose zahlen darüber hinaus seit 1. Juli 2023 einen um 0,25 Prozentpunkte gestiegenen Beitragszuschlag, der nicht paritätisch finanziert ist – also auch nicht zur Hälfte von den Arbeitgebern mitfinanziert wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirbt medial bereits um Verständnis für zum Jahreswechsel steigende Beiträge in der Krankenversicherung. Auch diese Teuerung zählt, wenn es um die Einkommensforderung der Gewerkschaften von 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro, geht. Stabile Steuereinnahmen Die 163. Steuerschätzung vom April 2023 sieht die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen im Schätzzeitraum bis 2027 steigend. In der Prognose der Steuerschätzer liegen die jährlichen SteuereinFotos: Alwie99/Colourbox.de 8 AKTUELL dbb magazin | November 2023
nahmen am Ende des Planungszeitraumes im Jahr 2027 bei knapp 1,079 Billionen Euro. Zum Vergleich: Für 2023 wird mit Einnahmen in Höhe von rund 920 Milliarden Euro gerechnet. Für den Schätzzeitraum gehen die Steuerschätzer von einer jahresdurchschnittlichen Erhöhung der Steuereinnahmen von 3,8 Prozent aus. Bei den Ländern werden sich die Steuereinnahmen den Voraussagen zufolge von 384,5 Milliarden im Jahr 2022 über 380,7 Milliarden im Jahr 2023 auf 445,8 Milliarden Euro im Jahr 2027 erhöhen. Robuster Arbeitsmarkt Der Blick auf den Arbeitsmarkt in Deutschland zeigt dagegen eine relativ robuste Lage; Löhne und Gehälter steigen erstmals seit zwei Jahren wieder stärker als die Preise. Was für die Privatwirtschaft möglich ist, muss auch im öffentlichen Dienst gehen, denn Kaufkraft kurbelt den privaten Konsum an und stützt die Konjunktur. Bei der Wirtschaftsentwicklung gehen die neueren Voraussagen für 2023 dennoch von einer negativen Entwicklung für das Gesamtjahr aus. Die Spanne der Voraussagen reicht vom Nullwachstum bis minus 0,7 Prozent. Für 2024 hingegen wird wieder ein positives Wachstum um 1,3 bis 2 Prozent erwartet. Eine wesentliche Voraussetzung für ein positives Wirtschaftswachstum sind kräftige Lohnerhöhungen, die sich spürbar in den Geldbörsen der Beschäftigten niederschlagen. Sie fließen zudem in Form von direkten und indirekten Steuern in den Staatshaushalt zurück und stärken die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates. Attraktivität steigern Auch für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes sind Einkommenszuwächse notwendig. Die öffentliche Hand darf in Anbetracht von Fachkräftemangel und demografischen Entwicklungen finanziell nicht länger der Privatwirtschaft hinterherhinken. Zukunftsfeste Infrastrukturen, nachhaltige Digitalisierung, moderne Verwaltungen und eine zeitgemäße Bildungslandschaft sind nur mit motivierten Fachkräften im öffentlichen Dienst realisierbar. Eine Voraussetzung dafür ist eine adäquate Bezahlung und Ausstattung des öffentlichen Dienstes. Deshalb sind die Arbeitgeber gut beraten, nicht wie in der Tarifrunde für Bund und Kommunen auf Zeit zu spielen. rh/krz
Einkommensrunde öffentlicher Dienst Den Ländern droht ruinöser Bezahlungsrückstand Nachdem die Auftaktrunde am 26. Oktober 2023 ohne Angebot der Arbeitgebenden vertagt wurde, forderte dbb Chef Ulrich Silberbach eine zügige und konsensorientierte Verhandlungsführung von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Niemand erwartet von einer Auftaktrunde Wunderdinge. Aber Hinweise darauf, dass auch die Arbeitgebenden der Länder endlich erkannt haben, wie groß ihre Personalprobleme sind, wären hilfreich gewesen. Alle Gewerkschaftsargumente immer nur als ‚unbezahlbar‘ abzuqualifizieren, ist auf jeden Fall zu wenig“, kritisierte Silberbach. „In der zweiten Runde müssen wir deutlich weiter kommen, sonst eskaliert diese Einkommensrunde.“ Wenn schon nicht aus Respekt und Gerechtigkeit für die eigenen Beschäftigten, müssten die Länder aus schierem Eigeninteresse sofort ein konsensfähiges Angebot vorlegen. „Denn sie drohen auf dem Arbeitsmarkt bei Bezahlung und Wettbewerbsfähigkeit in einen ruinösen Rückstand zu geraten“, so Silberbach. Die gewerkschaftliche Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro Einkommenszuwachs, sei zeitgemäß, verhält- nismäßig und finanzierbar, so der dbb Chef: „Wir müssen in den nächsten zehn Jahren altersbedingt über ein Viertel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ersetzen. Warum sollten junge Leute denn zum Land gehen, wenn sie bei Bund, Kommunen oder gar der Privatwirtschaft im gleichen Job mehr verdienen können? Wir fordern einen Gleichklang in der Bezahlung über alle Gebietskörperschaften hinweg.“ Ferner sprach sich Silberbach dafür aus, dass Bund, Länder und Kommunen künftig wieder zusammen mit den Gewerkschaften verhandeln. Die Zersplitterung der öffentlichen Tariflandschaft habe inhaltlich nie Sinn ergeben: „Taktisch mag das für manche anfangs eine interessante Variante gewesen sein. Bewährt hat es sich jedenfalls nicht. Also weg damit und zurück an einen gemeinsamen Verhandlungstisch! Das sehen übrigens auch fast 75 Prozent der Bevölkerung so, wie aus einer aktuellen forsa- Umfrage hervorgeht.“ Gewerkschaften und TdL müssten in dieser Einkommensrunde sicherstellen, dass die Landesbeschäftigten nicht abgehängt werden. „Das ist im Interesse der Kolleginnen und Kollegen, der Bürgerinnen und Bürger und der Arbeitgebenden.“ Innerhalb der dbb Verhandlungskommission hatte die Auftaktrunde ohne Angebot zwar nicht für eine Überraschung gesorgt, da sich die TdL schon in den vergangenen Jahren als wenig gestaltungsfreudig erwiesen hatte. Für Verärgerung sorgte sie aber dennoch. dbb Tarifchef Volker Geyer wies die Verhandlungskommission darauf hin, „dass unsere Argumente gut sind, und dass die Länder immer mehr an Boden verlieren. Allerdings wird das, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen nicht reichen. Wir müssen – und das hat dieser enttäuschende Auftakt noch einmal ganz deutlich gemacht – auch laut und deutlich für unsere Ziele einstehen. Wir werden auch um Streikmaßnahmen nicht herumkommen. Hier ist jede und jeder gefragt. Ich habe zuletzt häufiger von ,Mitmachtagen‘ gesprochen. Was wir jetzt brauchen, sind ,Mitmachwochen‘.“ ■ Der TdL-Vorsitzende, Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und dbb Chef Ulrich Silberbach traten nach der Auftaktrunde vor die Presse. Gewerkschaftliches „Empfangskomitee“ zum Auftakt der ersten Runde vor dem Verhandlungsort, der Landesvertretung von Baden-Württemberg. © Friedhelm Windmüller (2) 10 AKTUELL dbb magazin | November 2023
NACHRICHTEN eGovernment MONITOR 2023 Deutsche sind unzufrieden mit digitaler Verwaltung Die Verwaltungsdigitalisierung muss endlich Fahrt aufnehmen, sonst nimmt das Ansehen des Staates schaden. 42 Prozent der Menschen, die die E-Government-Angebote ihrer Stadt oder Gemeinde kennen, sind damit unzufrieden. 35 Prozent ziehen einen Behördengang vor, statt den digitalen Weg zu wählen. Und in 61 Prozent der Fälle scheitert die Nutzung von eGovernment bereits an der mangelnden Bekanntheit der Angebote – dabei sehen 71 Prozent grundsätzlich einen Mehrwert darin, Behördendienste digital abzuwickeln. Dies sind zentrale Ergebnisse der aktuellen Studie eGovernment MONITOR der Initiative D21. „Die Zahlen zeigen, dass wir in Sachen Digitalisierung noch dicke Bretter bohren müssen“, kommentierte dbb Chef Ulrich Silberbach die Veröffentlichung der Studienergebnisse am 13. Oktober 2023. „Die Qualität staatlicher Dienstleistungen ist entscheidend für die Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit des Staates. Ein Grund mehr, endlich den digitalen Staat zu verwirklichen und die komplexen Aufgaben wie die durchgängige digitale Verwaltungsleistung anzugehen. In Zeiten von Fachkräftemangel und hoher Arbeitsverdichtung bedeutet eine nutzerfreundliche digitale Handhabung vieler Verfahren auch eine echte Entlastung für die Beschäftigten.“ Laut der vorliegenden Studie steigt die Nutzung digitaler Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland zwar an, jedoch nur langsam. Silberbach: „Die Verantwortlichen in der Politik müssen jetzt handeln. Online-Dienste müssen bekannter und stärker genutzt werden, die Zufriedenheit mit der Nutzung muss steigen. Die Digitalisierung ist eine Voraussetzung für mehr Serviceorientierung. Es ist jetzt ganz entscheidend, den Staat fit für die Zukunft zu machen!“ Der eGovernment MONITOR zeigt, ob und wie die digitale Transformation der Verwaltung bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland, Österreich und der Schweiz ankommt. Das seit 2010 jährlich erscheinende Lagebild hilft Entscheiderinnen und Entscheidern, Fortschritte zu messen und Schwachstellen zu identifizieren. Die ganze Studie: t1p.de/egovmonitor ■ dbb erfolgreich bei Aufsichtsratswahlen Die maßgebliche gewerkschaftliche Kraft bei der Autobahn GmbH ist der dbb mit seinen Fachgewerkschaften. „Das war und ist bereits bei der Betriebsratsarbeit der Fall und das bestätigt sich jetzt bei den Aufsichtsratswahlen“, freute sich dbb Tarifchef Volker Geyer am 28. September 2023 in Berlin. „Das ist ein großartiger Vertrauensbeweis, und ab morgen werden wir dieses Vertrauen mit intensiver Arbeit zurückzahlen“, so Geyer. Von der dbb Gewerkschaftsliste wurde neben Geyer VDStra.-Chef Hermann-Josef Siebigteroth gewählt. Von der Liste der Bewerberinnen und Bewerber für die Arbeitnehmervertretung aus VDStra., komba und BTB-GIS nehmen künftig Sabine Bollacher, Frank Bonnes, Ronald Braun und Monika Spielberg die Interessen der Beschäftigten wahr. „Diese Interessen vertreten wir in einer weiterhin schwierigeren gesellschaftlichen Situation. Uns muss gemeinsam klar sein, dass wir nur dann Erfolg haben werden, wenn wir geschlossen und mutig agieren“, skizzierte Siebigteroth die anstehende Arbeit. Autobahn GmbH Model Foto: Colourbox.de 12 AKTUELL dbb magazin | November 2023
MEINUNG Verwaltungskultur Das Undenkbare denken: mehr Flexibilität! Es ist ja immer ein bisschen gewagt, Mutmaßungen über die Zukunft anzustellen. Aber bei der folgenden Prophezeiung kann man sicher sein, dass sie eintreten wird: Wir werden die deutschen Behörden in wenigen Jahren nicht mehr wiedererkennen. Nichts wird mehr so sein, wie es heute ist. Das lässt sich allein an den Zahlen ablesen, die unveränderlich sind – anders als die Konsequenzen, die man daraus zieht. Die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hat 2022 eine Studie vorgelegt, deren Zahlen einem den Atem stocken lassen. Bis zum Jahr 2030 werden im öffentlichen Sektor eine Million Fachkräfte fehlen. Das würde bedeuten, dass jede fünfte Stelle unbesetzt bliebe – und das überall, auch in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Das liegt an einer Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet, aber selbst in der freien Wirtschaft kaum in den Griff zu kriegen ist. Die Boomer treten ab und es kommen nicht genügend junge Menschen nach, um ihre Jobs zu übernehmen. Bei der Vorstellung der Studie sagte einer der Co-Autoren, dass durch die Entwicklung fraglich sei, ob der Staat in Zukunft überhaupt noch seine Kernaufgaben erfüllen kann. Es gab ein kurzes Aufhorchen, dann benötigten andere Krisen die öffentliche Aufmerksamkeit. Dabei ist der Horror schon Realität: Aktuell sind 360 000 Stellen unbesetzt. Diese Zahl sollte vielleicht noch mehr erschrecken, denn sie zeigt, dass der öffentliche Dienst längst nicht mehr der attraktive Arbeitgeber ist, der er in früheren Zeiten mal gewesen sein mag. Einen sicheren Job bekommen junge Leute heute auch in der freien Wirtschaft. Wenn sie ihn denn wollen, denn viele Untersuchungen zeigen, dass jüngere Beschäftigte eher von Job zu Job springen, wenn sie sich davon Verbesserungen versprechen. Keine gute Ausgangslage für einen Arbeitgeber, dessen Kernkompetenz von jeher die Beständigkeit war. Der Begriff mag derzeit oft strapaziert werden, aber der öffentliche Dienst steht vor einer Zeitenwende. Will er bestehen – und das muss er –, dann wird er sich auf eine Art und Weise öffnen müssen, die bisher undenkbar war. Quereinsteiger wird es bald nicht nur in den Schulen geben. Gleichzeitig wird es in den deutschen Amtstuben in den nächsten Jahren auch ethnisch diverser werden. Womöglich wird es nicht bei der Amtssprache Deutsch bleiben. Unverzichtbarer Dreh- und Angelpunkt wird jedoch eine konsequente Digitalisierung sein. Das ist natürlich schon oft gefordert worden. Nun könnte es aber für den öffentlichen Dienst überlebenswichtig werden. Und dabei wird dann bisher Undenkbares nicht nur möglich, sondern unverzichtbar sein: Schnelligkeit vor Perfektion, Denken in Projekten statt Hierarchien, eine neue Fehlerkultur. Und – jetzt bitte nicht erschrecken – liebe Beamtinnen und Beamte: ein hohes Maß an Flexibilität. Das ist jetzt übrigens auch schon gelebte Praxis, jedenfalls teilweise. Im Bürgeramt Neukölln etwa. Dort musste im vergangenen Jahr der Reisepass eines Minderjährigen verlängert werden und das binnen Stunden. Für den Termin vor Ort musste die Mutter einen halben Tag freinehmen, das Kind wurde für zwei Stunden aus der Schule genommen. Die Anreise durch die halbe Hauptstadt nahm schon einen Großteil der Zeit in Anspruch. Das wohnungsnahe Bürgeramt hatte auf Wochen keinen Termin anbieten können. Nun saßen beide vor dem Sachbearbeiter, der auf den ersten Blick nicht viel älter wirkte als der Jugendliche, dessen Reisepass zur Unzeit abgelaufen war. Was fehlte, war die Unterschrift des Vaters, die aber unverzichtbar war. Schon stand als einzige Alternative ein neuer Termin im Raum und die Stimmung merklich auf der Kippe. Dann erklärte der junge Mann hinter dem Schreibtisch, er würde „mal was versuchen“ und begann im Computer zur recherchieren. Wenig später meldete er Vollzug, die Unterschrift des Vaters hatte sich auf einem anderen Formular in einem anderen Amt gefunden, der Pass konnte beantragt werden. Das Happy End überlagerte die Frage, ob ein weniger computeraffiner Mitarbeiter die gleiche Lösung gefunden hätte – und warum die ganze Angelegenheit nicht von vornherein online beantragt werden konnte. All das könnte sich regeln lassen – wenn der junge Mann hoffentlich in eine Führungsposition aufgestiegen ist. Christine Dankbar ... Christine Dankbar leitet das Ressort Politik bei der Frankfurter Rundschau. Die Autorin ... © Creative Commons CC0 FOKUS 13 dbb magazin | November 2023
INTERVIEW Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz-Ost Die Normen und Regeln, die wir beschließen, müssen vollzugsfreundlicher werden 2020 hat die Kommission zur Ermittlung des künftigen Personalbedarfs prognostiziert, dass 95 Prozent der bestehenden Aufgaben des Freistaates Sachsen künftig vollzugsintensiver werden und neue Aufgaben hinzukommen. Gleichzeitig bedingt die schleppende Digitalisierung bundesweit bislang eher Mehrbelastung als Entlastung. Was bedeutet das für die Handlungsfähigkeit des Staates? Lassen Sie mich zunächst betonen: Der Staat ist handlungsfähig. Die vielen Männer und Frauen im öffentlichen Dienst tragen jeden Tag an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Funktionen zur Aufrechterhaltung unserer demokratischen Ordnung und zum Gemeinwohl bei. Dafür bin ich dankbar. Wenn Verwaltungen noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind, ist das nicht gut. Aber es führt nicht weiter, über schleppende Prozesse zu schimpfen. Einerseits verstellt das den Blick auf die Erfolge, die zum Beispiel mit dem Onlinezugangsgesetz erreicht werden. Auch die Potenziale der Registermodernisierung würden aus dem Blick geraten. Ich empfehle uns eine optimistische Perspektive. Tatsächlich bin ich mir sicher: In den nächsten Jahren werden die Effekte der Digitalisierung der Verwaltung immer mehr spürbar werden. Wie bei jedem Erfolgsprojekt braucht es aber erst mal Investitionen und Zeit für die Umsetzung. Als Verantwortliche müssen wir das unterstützen – durch finanzielle Mittel, Stellen und attraktive Arbeitsbedingungen für Fachkräfte. Und ja, so viel Selbstkritik muss sein: Die Normen und Regeln, die wir Politiker beschließen, müssen vollzugsfreundlicher werden. © Thomas Imo/photothek.net In den nächsten Jahren werden die Effekte der Digitalisierung der Verwaltung immer mehr spürbar werden. 14 FOKUS dbb magazin | November 2023
Bis zum Jahr 2030 wird knapp die Hälfte der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Freistaat Sachsen in den Ruhestand gehen. Insbesondere für IT-Fachleute sind die Konditionen im öffentlichen Dienst oft nicht attraktiv genug. Wie kommt der Staat trotzdem an die begehrten Fachkräfte? Der Wettbewerb um Fachkräfte ist hart und wird weiter zunehmen. Das betrifft sehr viele Berufsgruppen. Öffentliche Arbeitgeber bewerben sich um den klugen, motivierten und innovativen Nachwuchs – nicht mehr andersherum. Erfolgreiche Neueinstellungen gelingen uns derzeit, weil moderne Arbeitsformen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine gemeinwohlorientierte Tätigkeit nachgefragt sind. Damit kann die Verwaltung punkten. „Mach was Wichtiges“ – so werben wir selbstbewusst für das Arbeiten im öffentlichen Dienst Sachsens. Unter dieser Dachmarke sprechen wir verschiedene Berufsgruppen an. Zuletzt in einer Sonderkampagne für den IT-Nachwuchs, die wir zusammen mit der Hochschule Meißen und der HTW Dresden gestaltet haben. Versprechungen über das Arbeiten im öffentlichen Dienst müssen natürlich im Alltag eingelöst werden. Hierbei kommt den Führungskräften eine besondere Rolle zu. Deshalb investieren wir in die notwendigen Kompetenzen – etwa durch innovative Fortbildungen. Vor Kurzem hatte ich alle Führungskräfte der Staatsverwaltung eingeladen, um mit ihnen über das „Führen in Veränderung“ zu sprechen. Der Wille, sich neuen Herausforderungen zu stellen, ist deutlich zu spüren. Auch in der laufenden Einkommensrunde mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) geht es um die Attraktivität der Jobs im öffentlichen Dienst. Der Nachholbedarf ist groß, gerade im Vergleich zu Bund und Kommunen und anderen vergleichbaren Tarifverträgen. Im Vorstand der TdL kommt der erste Stellvertreter aus Sachsen – welche Vorgaben haben Sie ihm für die Verhandlungen mitgegeben? Die Bediensteten im öffentlichen Dienst leisten hervorragende Arbeit. Das spiegelt sich auch in guten Arbeitsbedingungen wider. Die aktuellen Tarifverhandlungen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) mit den Gewerkschaften haben am 26. Oktober begonnen. Über die jeweiligen Ausgangsbedingungen und Sichtweisen wird zu verhandeln sein. Vorgaben für Tarifvertragsverhandlungen gibt es von meiner Seite grundsätzlich nicht. Der dbb setzt sich dort, wo es sachlich möglich ist, für weitgehend einheitliche Regelungen in den 17 Beamtenrechtskreisen ein – etwa bei der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie, beim Hinweisgeberschutz oder im Disziplinarrecht. Wie ist der Sachstand in Sachsen bei diesen Themen? Die Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht ist bundeseinheitlich im BeamtStG geregelt. Die Ausnahme von der Verpflichtung, bei Beschwerden den Dienstweg einzuhalten (§ 129 Abs. 1 SächsBG), ist Teil des Gesetzentwurfs zur Stärkung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst und zu weiteren Änderungen des Dienstrechts, der sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet. Disziplinarrechtlich gibt es in Sachsen keinen unmittelbaren Regelungsbedarf. Die Sächsische Staatsregierung hat 2021 ein Gesamtkonzept mit Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus auf den Weg gebracht. Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung und wie läuft die Koordination mit den Programmen anderer Bundesländer? Der Kampf gegen Rechtsextremismus zählt aktuell zu den wichtigsten Herausforderungen der wehrhaften Demokratie. Neben starken Sicherheitsbehörden braucht es dafür die Unterstützung der gesamten Gesellschaft. Alle müssen an einem Strang ziehen: Sicherheitsbehörden, Zivilgesellschaft und Politik. 2021 hat die Staatsregierung daher das Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus beschlossen. Damit wird ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt und klar Haltung aller politischen und gesellschaftlichen Verantwortungsträger gegen rechtsextreme Positionen bezogen. Das Konzept umfasst mehr als 50 konkrete Maßnahmen in drei Handlungsfeldern. „Stärken, Beraten, Einschreiten“ – so lautet unsere Landesstrategie gegen Rechtsextremismus: „Stärken“ durch allgemeine Demokratie- und Wertebildung; „Beraten“ mit vielfältigen Unterstützungsangeboten und „Einschreiten“ durch Beobachten und Repression. Wir wollen gezielt Kooperation fördern, die verschiedenen Projekte und Aktivitäten im Freistaat stärker vernetzen und insbesondere die zivilgesellschaftlichen Akteure stärken. Viele Maßnahmen verstehen wir als Daueraufgabe, bleiben am Ball und setzen fortlaufend neue Akzente. Schwerpunkte sind beispielsweise die verstärkte Bekämpfung von Hass im Netz, verschärfte Kontrollen und Waffenentzug bei Rechtsextremisten. Bei all dem stimmen wir uns eng auch mit anderen Bundesländern ab. Die MPK-Ost wurde 1990 gegründet, um die Interessen der fünf neuen Bundesländer und Berlins zu vertreten sowie die Zusammenarbeit zwischen den ostdeutschen Ländern zu fördern. Nach mehr als 30 Jahren sind die Lebensverhältnisse zumindest auf dem Papier angeglichen. Was kann das Gremium heute noch leisten? Bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West sind wir in mehr als 30 Jahren gut weitergekommen. Es gibt jedoch noch immer bestimmte Themen, die die Menschen in Ostdeutschland in besonderer Weise betreffen. Ob es um regionale Wirtschaftsförderung, Energieversorgung oder Krankenhäuser geht: Es ist gut und wichtig, dass wir da mit einer Stimme sprechen. So sind wir etwa beim wichtigen Thema Verkehrsinfrastruktur endlich weitergekommen: Die Bundesregierung will jetzt mehr Tempo beim Ausbau der Schienenverkehrswege in Ostdeutschland machen. Wir haben gegenüber dem Bundesgesundheitsminister deutlich machen können, dass in den ostdeutschen Ländern die Krankenhauslandschaft bereits konsolidiert wurde und dies bei der vom Bund geplanten Krankenhausreform berücksichtigt werden muss. Auch unsere Hinweise zur Anbindung der ostdeutschen Länder an das von der Bundesnetzagentur aufzubauende Wasserstoffkernnetz finden nun bei den Planungen Berücksichtigung. ■ Der Kampf gegen Rechtsextremismus zählt aktuell zu den wichtigsten Herausforderungen der wehrhaften Demokratie. FOKUS 15 dbb magazin | November 2023
Umweltschutz Neue Konzepte für mehr Nachhaltigkeit Mit Blühwiesen, Fernwärmenetzen und Holzbau gehen drei Kommunen neue Wege in Sachen Nachhaltigkeit. Die Bürgermeister von Bad Soden-Salmünster in Hessen, Flecken Steyerberg in Niedersachsen und Hofstetten in Baden-Württemberg sind im „Netzwerk junge Bürgermeister*innen“ organisiert, einer Organisation, die unter anderem dem Erfahrungsaustausch dient. Alle drei treiben Projekte für mehr Nachhaltigkeit voran. Früher haben sich die Leute beschwert, wenn irgendwo nicht gemäht wurde, erzählt Dominik Brasch (parteilos), Bürgermeister von Bad Soden-Salmünster, einer Stadt mit 14 000 Einwohnern im Südosten Hessens. „Inzwischen rufen Leute an und fragen, warum gemäht wurde.“ Wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist? Der Kurort hat diverse Flächen im Stadtgebiet umgestellt, etwa 40 Stück auf einem Gebiet von vier Hektar. Heißt: Wo früher reine Rasenflächen waren, sind jetzt Blühwiesen, die Insekten und Vögeln einen Lebensraum bieten. Im Frühling und Sommer entfalten die Flächen ihre volle Blütenpracht, das weiß die Bevölkerung zu schätzen – deshalb ist der eine oder andere enttäuscht, wenn die Mitarbeitenden des Bauhofs zum Mähen kommen. „Aber das ist wichtig für die Pflege der Flächen“, erklärt Brasch. Natürliche Bepflanzung für mehr Insekten Das Nachhaltigkeitsprojekt wurzelt in der Initiative „Main-Kinzig blüht“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Biodiversität im Landkreis zu fördern. Anlass für die Gründung war die Krefelder Studie, die 2017 für Aufsehen sorgte. Zentrales Ergebnis: Die Fluginsekten-Biomasse in 63 deutschen Schutzgebieten ist zwischen 1989 und 2016 um 76 Prozent zurückgegangen. „Da muss ein Umdenken stattfinden, natürlich muss sich die öffentliche Hand einbringen“, betont Bürgermeister Brasch. Gesagt, getan. Die Stadt gestaltete zunächst einzelne, aber im Stadtbild sehr präsente Grünflächen um – und das gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, Jugendlichen und Kindern. Flächen wurden umgegraben, Blumenzwiebeln und Stauden eingepflanzt. „Uns war es wichtig, dass man schnell Ergebnisse sieht“, sagt Brasch. Dies sei entscheidend, um die Bevölkerung mitzunehmen und Akzeptanz zu schaffen. „Es nützt nichts, wenn kein Verständnis vorherrscht. Wir sind aktiv in die Kommunikation gegangen und haben viel erklärt.“ Und das mit Erfolg. Nach den Pilotflächen folgten sukzessive weitere Flächen: Parkanlagen, wo einst der akkurat gemähte englische Rasen dominierte, Flächen auf Verkehrsinseln und Kreiseln sowie in Industriegebieten. „Vor allem die Mitarbeitenden des städtischen Bauhofs haben mit viel Engagement Ideen beigesteuert und das Projekt maßgeblich nach vorn gebracht“, unterstreicht der Bürgermeister. Auch der örtliche Golfplatz beteiligt sich: Auf dem Gelände gibt es nun zahlreiche Blühstreifen, Obstbäume und Nistkästen – auch ein Bienenvolk wurde angesiedelt. Heute profitiert die Stadt auch wirtschaftlich von der Umstellung: „Am Anfang haben wir viel investiert, den Gerätepark des Bauhofs mussten wir etwas aufstocken“, berichtet der Bürgermeister. Dies habe etwa 20 000 Euro gekostet, was sich jedoch rentiert: Jährlich entfallen mehrere Tausend Euro für die Entsorgung von Schnittgut, außerdem muss die Stadt weniger Geld ausgeben, um die Tiere im städtischen Wildpark zu füttern – das Futter wird nun direkt auf den städtischen Flächen geerntet. Darüber hinaus ist der Pflegeaufwand deutlich geringer als vor der Umstellung. „Früher hat der Bauhof im Sommer fast ausschließlich gemäht“, resümiert Brasch. Das ist nicht mehr erforderlich, die personellen Ressourcen lassen sich entsprechend flexibler und effizienter einsetzen. KOMMUNALPOLITIK Foto: Colourbox.de 16 FOKUS dbb magazin | November 2023
Wer Bürgermeister Marcus Meyer (parteilos) fragt, woher in seiner Gemeinde die Begeisterung für Nachhaltigkeit kommt, bekommt eine Gegenfrage: „Wie kann man sich nicht dafür begeistern?“ Sich mit dem Thema zu befassen, das ist aus seiner Sicht alternativlos, wenn die Transformation der Gesellschaft voranschreiten soll: „Es ist ein Gehen mit der Zeit. Wir wollen Vorbild sein und die Richtung mitbestimmen“ – das Schöne sei, dass sich nahezu alle Themen, mit denen sich eine Gemeinde beschäftigen muss, nachhaltig betreiben lassen. „Das macht es spannend und vielfältig.“ Flecken Steyerberg liegt in Niedersachsen, eine Autostunde nordwestlich von Hannover. Etwa 5 300 Menschen leben hier, auf acht Ortsteile verteilt. Für ihr Engagement hat die Kommune viel Aufmerksamkeit bekommen: 2022 war sie Finalist beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis, dieses Jahr erhielt sie die Auszeichnung „Nachhaltige Kommune 2023/24“. Ein ehrenamtlich organisiertes Car-Sharing-Netzwerk, an dem mehr als 80 Bürgerinnen und Bürger teilnehmen, Fernwärmenetze, von denen das dritte aktuell im Bau ist, und Windräder, die sich im Gemeindeeigentum befinden – das sind nur einige der umgesetzten Nachhaltigkeitsprojekte, über welche die Verwaltung auf einer eigens angelegten Website informiert. Abwärmenetze und ein Masterplan In Flecken Steyerberg greifen viele Zahnräder ineinander: Bereits seit den Achtzigern gibt es eine Ökosiedlung, den Lebensgarten Steyerberg, die viel Expertise zu einer ressourcenorientierten, ökologischen Lebensweise beisteuert. Mit einem „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ hat der Gemeinderat 2016 erforderliche Verwaltungsstrukturen geschaffen, unter anderem wurde eine Stabsstelle für Klimaschutz und Nachhaltigkeit eingerichtet. „Und wir sind eine kleine, gut vernetzte Einheitsgemeinde, entsprechend kurz sind die Entscheidungswege“, sagt Bürgermeister Meyer. Einheitsgemeinde bedeutet, dass die einzelnen Ortschaften keinen eigenen Haushalt verwalten – „das beschleunigt vieles, wir kommen schnell vom Planen ins Machen, das stärkt die Akzeptanz. Die Leute sehen, dass was passiert.“ Die beiden fertigen Fernwärmenetze versorgen 60 beziehungsweise 80 Haushalte – das dritte soll 420 Anschlüsse umfassen. Die Abwärme kommt von einer Chemiefabrik, auch eine Biogasanlage speist ein. Letztere hat in den vergangenen Jahren zu Unrecht einen schlechten Ruf bekommen, meint Meyer: „Klar, der Flächenverbrauch ist groß, um eine Biogasanlage zu füttern. Aber das relativiert sich, wenn man nicht nur das Potenzial für elektrischen Strom, sondern auch für Wärme mitdenkt.“ Was der Bürgermeister anderen Gemeinden rät, die nachhaltiger werden möchten? „Wesentlich ist, die eigenen Stärken und Potenziale zu identifizieren“ – im Fall von Flecken Steyerberg ist das unter anderem die Industrieanlage, die viel Abwärme produziert. „Dann kommt es darauf an, die entscheidenden Akteure einzubinden. In unserem Fall hat sich schnell die Erkenntnis etabliert, dass man gemeinsam besser vorankommt.“ Schwarzwald, nordwestlich von Freiburg, hier fließt die Kinzig – und im Kinzigtal liegt Hofstetten, etwa 1 800 Menschen leben in der Gemeinde. Anfang September haben die jüngsten Gemeindemitglieder die neuen Räumlichkeiten der Kita „Sterntaler“ bezogen. Das Besondere an dem Gebäude: Wände, Decken und Dachstuhl bestehen aus Holz, ebenso die Verkleidungen der Fassade, Dämmungen und Fensterrahmen. Kurzum: nahezu alle oberirdischen Bauteile. „Die Offenheit für Holz als Baustoff war von Beginn an da“, sagt Bürgermeister Martin Aßmuth. Dies hänge mit der ländlich geprägten Gemeindestruktur zusammen, außerdem sitzen zahlreiche Waldbesitzer im Gemeinderat – insofern sei eine Affinität für den Rohstoff Holz gegeben. „Wir wollten eine Kita, die in ein Schwarzwalddorf passt, also keinen futuristischen Schnickschnack. Denn bei uns hat der Holzbau eine lange Tradition.“ Entscheidend sei auch gewesen, dass Holz in Sachen Nachhaltigkeit viele Vorteile bietet, erläutert der Bürgermeister: Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und schont damit Ressourcen. Holz speichert Kohlenstoff und trägt somit zur Dekarbonisierung des Bausektors bei. Holz schafft ein angenehmes Raumklima. „Durch den Einsatz von Holz konnten wir die Verwendung anderer, ökologisch weniger vorteilhafter Baustoffe reduzieren“, sagt Aßmuth. Damit entfielen problematische Bauabfälle. Nachhaltige Holzbauweise EH40 – die Abkürzung steht für „Effizienzhaus 40“. Ein solches verbraucht höchstens 40 Prozent des laut Gebäudeenergiegesetz (GEG) zulässigen Energiewerts pro Jahr. Der nachhaltige Holzbau schneide 44 Prozent besser ab als die EH40-Norm, berichtet der Bürgermeister. Im Jahr spare das Gebäude jährlich 30 Tonnen Kohlenstoffdioxid ein im Vergleich zum Neubaustandard. Und beim Primärenergiebedarf seien es 70 Prozent. „Dieses Ergebnis erreichen wir durch die sehr gut gedämmte Gebäudehülle und die Fotovoltaikanlage auf dem Dach.“ Darüber hinaus seien die Wärmebrücken im Gebäude reduziert, sodass weniger Wärme verloren geht. Wie es mit der Langlebigkeit des Gebäudes aussieht? Aßmuth: „Großzügige Dachüberstände gewährleisten eine maximale Lebensdauer der Holzteile.“ Und wenn später doch einmal Bauteile ausgetauscht werden müssen, besteht in vielen Fällen die Option, diese einzeln zu demontieren. Denn viele Bauteile sind verschraubt. So ist gewährleistet, dass die Kinder in Hofstetten noch lange etwas von ihrer neuen Kita haben. cdi Fast ausschließlich aus Holz: die Kita „Sterntaler“. © Hofstetten (Baden) FOKUS 17 dbb magazin | November 2023
Personalratswahlen 2024 Engagement zahlt sich aus Den Personalratswahlen 2024 kommt damit eine herausragende Bedeutung zu: Personalrätinnen und Personalräte sind die Ansprechpartner und das Sprachrohr der Kolleginnen und Kollegen vor Ort. „Sie bündeln und vertreten die Interessen der Beschäftigten gegenüber Dienstherrn und Arbeitgebern und stehen diesen im dienstlichen Alltag kompetent mit Rat und Tat zur Seite. Ohne die Mitgestaltung der Personalräte ist eine erfolgreiche Durchsetzung guter Arbeitsbedingungen vor Ort nicht denkbar“, sagt dbb Chef Ulrich Silberbach. Er betrachtet Personalratswahlen als entscheidend, um die Rechte der Beschäftigten zu schützen, ihre Interessen zu vertreten und das Arbeitsumfeld zu verbessern. Die Beschäftigten können aktiv darüber entscheiden, wer ihre Interessen in den nächsten Jahren gegenüber den Dienststellenleitungen vertritt und ihre Arbeitsbedingungen mitgestaltet. „Durch die Wahl eines Personalrats haben die Beschäftigten einen unmittelbaren Einfluss darauf, ob und wie ihre Rechte wahrgenommen werden und dass eine demokratische Vertretung der Beschäftigten gewährleistet ist“, betont die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Milanie Kreutz, die die dbb bundesfrauenvertretung leitet und in der Bundesleitung für Mitbestimmung zuständig ist. „Besonders für Frauen gilt es, aktiv zu werden, wenn es um die Arbeitsbedingungen geht. Sie haben spezifische Bedürfnisse hinsichtlich Arbeitszeitregelungen und Flexibilität, Elternzeit, Mutterschutz und Arbeitsplatzsicherheit. Der Personalrat trägt dazu bei, sicherzustellen, dass diese Bedürfnisse berücksichtigt werden.“ Ferner sei der Personalrat erste Anlaufstelle für Kolleginnen, die im Dienst mit Diskriminierung und Belästigung konfrontiert seien. 2024 wird ein „Superwahljahr“ für die Mitbestimmung: Beim Bund, bei den als gemeinsame Einrichtungen geführten Jobcentern sowie in Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen- Anhalt werden neue Personalräte und überwiegend auch neue Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Damit ist ein enormer Teil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten zur Wahl aufgerufen. MITBESTIMMUNG Model Foto: Tinnakorn Jorruang/Colourbox.de 18 FOKUS dbb magazin | November 2023
Nachwuchs im Fokus Auch Jugendliche und Auszubildende brauchen eine engagierte Stimme, die sich für ihre Interessen starkmacht. Von der Qualität der Ausbildung bis zur Übernahme können die Jugend- und Auszubildendenvertretungen gemeinsam mit den Personalräten Verbesserungen durchsetzen und Missstände abschaffen. Jugendliche und Auszubildende im öffentlichen Dienst durchlaufen in der Regel eine Ausbildung oder ein duales Studium. „Der Personalrat setzt sich dafür ein, dass die Ausbildungsbedingungen angemessen und qualitativ hochwertig sind“, sagt Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der dbb jugend bund. „Unsere Nachwuchskolleginnen und -kollegen haben weniger Erfahrung im Arbeitsleben, sie brauchen Unterstützung und Beratung. Der Personalrat ist ein verlässlicher Ansprechpartner für Fragen rund um den Job. Weiter sorgt er dafür, dass junge Menschen von Anfang an in Entscheidungsprozesse und Veränderungen einbezogen werden, die ihre Arbeitsbedingungen betreffen. Das fördert Partizipation und stellt sicher, dass ihre Stimmen gehört werden.“ Personalratsarbeit kann natürlich nur gelingen, wenn sich genügend Kolleginnen und Kollegen bereit erklären, das nicht immer leichte Ehrenamt auszuüben. Gesucht werden nicht nur Idealisten und Macher, sondern alle, die erkannt haben, dass sich die konkreten Arbeitsbedingungen in ihrer Dienststelle nur dann verbessern werden, wenn sich jemand dafür einsetzt. Das Erfolgsrezept für gute Personalratsarbeit basiert auf Sachlichkeit und Sachverstand. Silberbach: „Die Personalratsmitglieder und die Jugend- und Auszubildendenvertreter der dbb Mitgliedsgewerkschaften besitzen diese Qualitäten. Sie werden von ihren Fachgewerkschaften und vom dbb als Dachverband unterstützt. Sie verfügen damit neben den aktuellen Fachkenntnissen auch über fundiertes Hintergrundwissen. Sie sind mit den Verhältnissen der jeweiligen Dienststelle auf das Beste vertraut. Diese Nähe ist unsere Stärke.“ Im Personalrat mitarbeiten lohnt sich Die Amtszeit bietet Gelegenheit zum Erwerb von Kompetenzen, die für das berufliche Fortkommen ebenso wertvoll sind wie für die persönliche Entwicklung. Personalratsmitglieder erwerben Kenntnisse nicht nur im Personalvertretungsrecht, sondern auch in wichtigen weiteren Rechtsgebieten, zum Beispiel Beamten-, Tarif-, Arbeits-, Arbeitsschutz-, Arbeitszeitrecht. Mitglieder der dbb Gewerkschaften nehmen nicht nur an den für die Personalratsarbeit im engeren Sinn erforderlichen Schulungen teil, sondern werden auch auf der gewerkschaftlichen Schiene unterstützt und geschult. Sie setzen sich fundiert mit hochaktuellen gesellschaftlichen Themen wie Diversität, mobilen Arbeitsformen, Gesundheits- und Datenschutz auseinander. Die Mitarbeit im Personalrat bietet Gelegenheit, einen tiefen Einblick in die Verhältnisse der Dienststelle im Speziellen und des öffentlichen Dienstes im Allgemeinen zu gewinnen. Daher ruft Ulrich Silberbach alle Beschäftigten auf: „Gehen Sie wählen und entscheiden Sie mit, wer Ihre beruflichen Interessen in den kommenden Jahren in den Dienststellen und Betrieben vertritt. Die Kandidatinnen und Kandidaten der dbb Gewerkschaften stehen für eine sachliche und sachverständige Personalratsarbeit.“ ■ dbb magazin | November 2023
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