BundID ist allerdings das digitale Postfach, über das die Bürgerinnen und Bürger ihre Bescheide erhalten. Das macht die Kommunikation mit den Behörden digital, schneller und sicherer. Bis zum Jahreswechsel 2022/2023 hatten sich über 250 000 Bürgerinnen und Bürger für die BundID registriert. Anfang 2023 erfuhr die BundID dann tatsächlich einen kurzen Boom, als sich die Nutzerzahlen binnen weniger Monate auf 2,5 Millionen verzehnfachten. Grund für den rasanten Anstieg war die Einmalzahlung des Energiegeldes, das Studierende nur über eine Registrierung bei der BundID beantragen konnten. Seitdem ist das Wachstum deutlich zurückgegangen und liegt derzeit bei etwa 100 000 Neuanmeldungen pro Monat. Das ist aber wesentlich mehr als die Anmelderate vor der Einmalzahlung. Stand Oktober 2023 nutzen über 3,2 Millionen Menschen die BundID. Der große Andrang zum Jahresbeginn offenbarte allerdings auch einige Schwachstellen: Fehlermeldungen ohne Erklärung, überlastete Server, Datenschutzrisiken und die Erkenntnis, dass sich die ID mit „Bund“ im Namen gar nicht im ganzen Bundesgebiet anwenden lässt. Allerdings wurden in den vergangenen Monaten viele Fehler behoben, Fehlermeldungen mit Erklärungen versehen und der Prozess insgesamt verständlicher gestaltet. Vorbild Skandinavien In der ersten Augustwoche gab die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Pläne der Ampelkoalition bekannt, die Ausgaben für die digitale Verwaltung für das Jahr 2024 von 377 Millionen Euro auf 3,3 Millionen zu kürzen. Das Innenministerium, das für das OZG und die BundID zuständig ist, gab allerdings eine leichte Entwarnung: Es stünden für 2024 noch rund 300 Millionen Euro zur Verfügung. Diese setzten sich aus nicht ausgegebenen Mitteln aus den Vorjahren zusammen. Der Digitalisierung werde also nicht der Stecker gezogen. Zudem wolle man ab jetzt den wichtigsten digitalen Verfahren Vorrang geben. Die Anwendungsmöglichkeiten der BundID sollen dennoch langfristig eher beschränkt bleiben. Wie begeistert man die Bevölkerung trotzdem für die BundID? Die Expertin für Verwaltungsdigitalisierung, Ann Cathrin Riedel, sieht eine Lösung darin, den Anmeldeprozess zu vereinfachen und breiter verfügbar zu machen: „Es ist gut, dass wir mit der BundID endlich ein zentraleres Nutzerkonto haben. Nun brauchen wir nicht nur Anwendungen, die darüber angebunden sind, sondern vor allem eine weite Verbreitung der eID, des Personalausweises, denn mit der muss ich mich dort anmelden. Dafür brauchen wir eine leistungsfähige Ausweis-App mit einem modernen nutzerzentrierten Design.“ Riedel ist seit März 2023 Geschäftsführerin des Vereins NExT, der Unternehmen und Organisationen bei der Verwaltungsdigitalisierung berät, und war unter anderem Mitglied des Digitalbeirats des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Sie empfiehlt eine Werbekampagne, die die Bürgerinnen und Bürger informiert und damit die Bekanntheit und das Image der BundID verbessert. „Ich erinnere da immer an die große Kampagne zur Umstellung der Postleitzahlen mit Rolf, der Hand.“ 1993 wurde die Umstellung der Postleitzahlen von vier- auf fünfstellig von Maskottchen Rolf begleitet. Rolf war eine große gelbe Hand auf zwei Beinen, die mit breitem Grinsen und Sonnenbrille der wiedervereinigten Bevölkerung die neuen Zahlen schmackhaft machen sollte. Aber warum sind die Deutschen im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn überhaupt so schwer für Digitalisierung zu begeistern? Andere Länder haben schlicht früher mit der Verwaltungsdigitalisierung begonnen und sind mit mehr Ehrgeiz am Ball geblieben. So hat Estland, das seit Jahren Spitzenreiter in der Verwaltungsdigitalisierung ist, schon 1997 alle Schulen mit Computern ausgestattet und 2002 verpflichtend den digitalen Ausweis eingeführt. Digitalisierte Verwaltung ist hier die Norm. Diese instand zu halten und weiter auszubauen, liegt hier viel stärker im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie – und das ist der entscheidende Faktor – stärker im Interesse der Politikerinnen und Politiker. Die BundID ist in ihrem aktuellen Zustand ein Konto mit vielen „Abern“: Sie ist eine sinnvolle Idee, aber bietet derzeit nur wenig Möglichkeiten. Die Bundesregierung will mehr Tempo beim Ausbau der Leistungen geben, aber sie kürzt das Budget dafür. Diese Verkettung ließe sich endlos fortsetzen. Die BundID hat das Potenzial, dem digitalisierungsscheuen Deutschland den nötigen Schub nach vorn zu geben. Ob die aktuell 100 000 Neuanmeldungen pro Monat bereits der maximale Schub sind, oder ob sie durch eine Registrierungspflicht, wie bei der Einmalzahlung, angekurbelt werden müssen, wird sich zeigen. dsc Da muss mehr gehen Dass die BundID die Möglichkeit bietet, Bürokratie digital zu erledigen, ist gut. Problematisch wird es, wenn die BundID die einzige Möglichkeit ist, an bestimmte Leistungen zu kommen, wie im Fall der Energiegeldauszahlung für Studenten. Hier bleiben diejenigen auf der Strecke, die nicht über die nötige technische Kompetenz verfügen, kein Handy oder keinen Laptop haben oder legitime Bedenken zum Schutz ihrer Daten hegen. Allein die Registrierung der BundID ist nichts für Leute mit kurzem Geduldsfaden: Man muss Passwörter per Post bestellen, braucht ein NFC-fähiges Handy, zusätzliche Apps und die nötige Portion Glück, damit bei keinem der vielen Schritte eine Fehlermeldung erscheint, aus der nicht ersichtlich wird, wo der Fehler lag. Und warum sollte ein mittelmäßiges digitales Angebot genutzt werden, wenn die analoge Variante vertrauter und zuverlässiger ist? Wozu der ganze Aufwand, wenn die BundID nur in 43 Online-Diensten integriert ist? Die BundID muss ihrem Anspruch als die einfachere und zuverlässigere Alternative zum Analogen gerecht werden. Wie einst die Umstellung der Postleitzahlen ist auch der Aufbau öffentlicher Online-Dienste eine bürokratische Mammutaufgabe. Vielleicht ist eine ähnlich charmante Kampagne tatsächlich der richtige Weg, um mehr Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen und die Entscheidungsträgerinnen und -träger von der Wichtigkeit und dem Nutzen zu überzeugen. Welches einprägsame Maskottchen diese Aufgabe übernehmen könnte? Unser Vorschlag wäre der Agent James Bund, der uns von der analogen Bürokratie befreit. dsc Kommentar Collage: dbb FOKUS 21 dbb magazin | November 2023
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